Niedriger Blutdruck: Ein hoher Blutdruck kann für das Herz sehr belastend sein und die Wahrscheinlichkeit kardiovaskulärer Erkrankungen und eines Herzinfarktes erhöhen. Ein niedriger Blutdruck wird hingegen seltener als Problem betrachtet, da kardiovaskuläre Risiken hier minimiert sind. Er tritt oft als Begleiterscheinung von Störungen im autonomen Nervensystem (Dysautonomie) oder einer chronischen Ermüdung (Fatigue) auf und kann langfristig zu Problemen führen.
Inhaltsverzeichnis
Was ist der Grund für niedrigen Blutdruck?
Das autonome Nervensystem reguliert den Blutdruck und sorgt für eine bedarfsgerechte Anpassung. Ein Abfallen des Blutdrucks kann nach schnellem Aufstehen erfolgen (orthostatische Hypotonie) oder nach dem Essen. Am häufigsten ist ein niedriger Blutdruck bei Diabetikern und Parkinson-Patienten zu beobachten, die aufgrund einer neuronalen Erkrankung eine Fehlregulation des Blutdrucks aufweisen. Die Ursache liegt häufig in der fehlerhaften Balance zwischen Sympathikus und Parasympathikus, den beiden Teilen des autonomen Nervensystems, die funktional betrachtet Gegenspieler sind. Ist die Regulation des autonomen Nervensystems beeinträchtigt, sinkt nicht nur der Blutdruck, sondern es zeigen sich auch weitere Symptome wie Benommenheit, eine klamme Haut und chronische Ermüdung.
Welche Symptome bewirkt niedriger Blutdruck?
In Bezug auf chronische Ermüdung wird häufig auf das Krankheitsbild „Chronic Fatigue Syndrome“ (CFS) verwiesen. CFS ist eine Erkrankung, die neben der Fatigue (chronischen Erschöpfung) mit unterschiedlich ausgeprägten körperlichen und neurokognitiven Symptomen einhergeht. Meist wird der Begriff „Myalgische Enzephalopathie“ (ME) verwendet; inzwischen findet sich auch die Bezeichnung CFS/ ME. Bei den Betroffenen kommt es typischerweise nach einem Infekt zu schwerer Erschöpfung; oft fällt auch eine Phase körperlicher oder psychischer Überanstrengung mit dem Krankheitsbeginn zusammen. Neben CFS gibt es auch weniger starke Ausprägungen, die als „Fatigue“ zu bezeichnen sind. Ich werde an dieser Stelle von einer „chronischen Erschöpfung“ sprechen, um eine Abgrenzung vom Krankheitsbild CFS/ME zu ermöglichen.
Dies ist hauptsächlich der Tatsache geschuldet, dass eine chronische Erschöpfung nicht zwingend dem Krankheitsbild CFS zugeordnet werden kann. Eine chronische Erschöpfung geht häufig mit einem niedrigen Blutdruck einher. Es handelt sich hierbei um eine außerordentliche Erschöpfbarkeit mit geringen Kraftreserven, erhöhtem Ruhebedürfnis und mangelnder Resilienz. Dabei wird die Fatigue in der Regel unterschieden in eine Fatigue mit und ohne systemische Entzündung. Personen, die eine Fatigue mit systemischer Entzündung aufweisen, leiden häufig an einer Autoimmun- oder Infektionserkrankung. Doch auch ohne Grunderkrankung kann sich eine chronische Erschöpfung zeigen, wenn diese etwa einen neurologischen Ursprung hat. Hierbei ist jedoch deutlich von einem Burnout oder einer Depression zu unterscheiden, wobei es dabei natürlich Schnittstellen gibt. Depressionen sind häufig von Motivations- und Antriebsmangel begleitet, was bei einer chronischen Erschöpfung nicht der Fall ist. Bei einer Depression ist der Blutdruck nicht zwingend herabgesetzt; es gibt keine eindeutige Korrelation zwischen Depressionen und einem niedrigen Blutdruck.
Wann ist ein niedriger Blutdruck gefährlich?
Um einen niedrigen Blutdruck zu behandeln, sollte vorab geprüft werden, ob eine akute oder eine chronische Entzündung vorliegt. Eine akute Entzündung kann z.B. durch eine Veränderung der Leukozyten im Blut oder einen hohen CRP-Wert nachgewiesen werden; bei chronischen Entzündungen sind beide Marker jedoch nicht aussagekräftig genug. In der Praxis ist es schwierig, eine chronische Entzündung (silent inflammation) aufzudecken, was primär daran liegt, dass sich viele Ärzte weigern, geeignete Biomarker bei ihren Patienten zu bestimmen. Zu den geeigneten Biomarkern gehören u. a. TNF-alpha, IP-10 und Histamin. Alle drei Werte werden unterschiedlichen Entzündungssystemen zugeordnet.
Zusätzlich sollte bei einem Energiemangel auch das „ATP intrazellulär“ bestimmt werden. Dieses gibt Auskunft darüber, ob eventuell eine Mitochondriopathie vorliegt. Ist dies der Fall, sollte der Energiestoffwechsel auf zellulärer Ebene verbessert werden. Die genannten Entzündungssysteme können eine Kaskade von weiteren Reaktionen bewirken, wie den Abbau der Knochensubstanz, eine verstärkte Bildung von Sauerstoffradikalen, Anorexie, eine verstärkte Cortisolausschüttung und reduzierte Insulinwirkung, ein Proteinkatabolismus, eine erhöhte Schmerzwahrnehmung oder einen Kollagenabbau.
Was hilft sofort bei niedrigem Blutdruck?
Bei einem niedrigen Blutdruck in Begleitung einer chronischen Erschöpfung prüfe ich zu Beginn bei meinen Kunden folgende Parameter und Marker: eventueller Eisenmangel, Schlafstörungen, eine mögliche Schilddrüsenunterfunktion, chronisch entzündliche Darmerkrankungen, Vitamin-B-Status, Neurotransmittermetaboliten, Blutzuckerspiegel, Blutdruckwerte sowie den Cortisolverlauf mit besonderem Fokus auf die Cortisol-Wachantwort.
Bei einer chronischen Erschöpfung zeigt sich häufig das Bild einer zu geringen Cortisolproduktion insbesondere vormittags, wenn das Cortisol eigentlich am stärksten ansteigen sollte, um den Blutzuckerspiegel zu stabilisieren. Ein niedriger Cortisolspiegel am Morgen korreliert häufig mit einem niedrigen Blutdruck, was u.a. der Grund für einen Energiemangel im Laufe des Tages sein kann. Ist der Cortisolwert morgens zu gering, kann unter anderem Süßholzwurzelextrakt ein sinnvolles Nahrungsergänzungsmittel sein. Die Süßholzwurzel (Licorice) unterbindet die Umwandlung von Kortison in Cortisol, was zu einer längeren Halbwertzeit von Cortisol führt. Indirekt lässt sich dadurch der Cortisolwert steigern.
Häufig geht der niedrige Cortisolspiegel auch mit einem niedrigen Blutdruck und einem niedrigen Blutzuckerspiegel einher. Ein niedriger Blutdruck macht sich häufig bemerkbar in Form von kalten Händen und Füßen, was durch eine Mangeldurchblutung verursacht wird. Diese kann auch zu einer Mangeldurchblutung des Gehirns (reduzierte Perfusion) führen, was wiederum eine zu geringe Sauerstoff- und Energieversorgung verursacht. Die Folge ist eine Zunahme der Erschöpfungssymptomatik. Eine langfristige Erhöhung des Blutdrucks kann u.a. durch sportliche Betätigung, aber auch durch eine erhöhte Salzzufuhr erreicht werden.
Was kann man essen, um den Blutdruck zu erhöhen?
Bei Menschen mit niedrigem Blutdruck ist der Salzbedarf meist ohnehin erhöht. Um zu testen, wie hoch der Salzbedarf tatsächlich ist, lasse ich meine Kunden häufig die „Salt Challenge“ durchführen: Dafür wird 1/4 Teelöffel Salz in 250 ml Wasser vermischt und das Getränk auf den Geschmack getestet. Entweder schmeckt das Wasser wie ein gutes Mineralwasser oder es schmeckt salzig. Personen mit einem erhöhten Salzbedarf nehmen den gewöhnlichen Geschmack eines mineralstoffhaltigen Wassers wahr, Personen mit einem regulären Salzbedarf wird das Wasser eher zu salzig schmecken. Vor allem morgens sollte die Ernährung fett- und eiweißbetont sein.
Kohlenhydrate sollten im besten Fall abends konsumiert werden, um die nächtliche Regeneration zu fördern. Eine Zufuhr von Kohlenhydraten im Laufe des Tages ist nur zu empfehlen, wenn der Blutzuckerspiegel stabil gehalten werden kann. Stabil bedeutet weder hypo- noch hyperglykämisch. Je stärker die Blutzuckerschwankungen, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit einer Dysglykämie – ein Anzeichen für eine instabile Energieversorgung im Laufe des Tages. Mehrere kleine Mahlzeiten können den Blutzuckerspiegel stabiler halten als wenige große.
Messung des Blutzuckerspiegels
Morgens sollte der Blutzuckerspiegel einen Wert von etwa 70–85 mg/dl aufweisen (Normalwert nüchtern bei 60–100 mg/dl). Ich lasse hierbei meine Kunden eine tägliche Messung durchführen. Für den Anfang ist ein Besuch in der Apotheke oder einmalig beim Hausarzt sinnvoll; langfristig empfehle ich die kontinuierliche Blutzuckermessung (CGM). Diese ermöglicht es, über einen am Oberarm angebrachten Sensor konstant den Blutzuckerspiegel zu überprüfen. Der Gang zum Arzt entfällt dadurch und der Blutzuckerwert kann 24 Stunden am Tag getrackt und ausgewertet werden. Dabei spielt nicht nur der Blutzuckerwert morgens eine wichtige Rolle, sondern auch seine Veränderung nach einer Mahlzeit. Das Ziel sollte darin bestehen, dass sich maximal 3 Stunden nach einer Mahlzeit der Blutzuckerspiegel wieder auf dem Ausgangsniveau befindet. Je besser der Blutzuckerspiegel reguliert wird, desto besser sind die Energieversorgung des Gehirns und der damit verbundene Energiestoffwechsel.
Kann Sport den Blutdruck erhöhen?
Eine einfache Strategie, um langfristig den Blutdruck zu erhöhen, ist Ausdauertraining. Es verbessert die Kapillarisierung und somit auch die Durchblutung der Extremitäten. Ist der Blutzuckerspiegel zeitgleich stabilisiert, sind die Voraussetzungen für eine optimale Durchblutung gegeben.
Chornische Erschöpfung und der zirkadiane Rhythmus
Eine chronische Erschöpfung kann auch dadurch umgangen werden, dass der zirkadiane Rhythmus gepflegt wird. Im besten Fall kann dafür der Morgen mit einer Lichtdusche begonnen werden. Hierbei spielt weniger der Sonnenstand eine Rolle als vielmehr die Beleuchtungsstärke. Diese sollte morgens mindestens 5 000 Lux betragen, um den Tag-Nacht-Rhythmus zu stabilisieren. Verantwortlich hierfür ist der Hypothalamus, unser primäres neuroendokrines Organ. Eine Fehlregulation führt nicht nur zu Entzündungsprozessen im Hypothalamus, sondern auch zu Problemen in der Stressachse. Eine Fehlregulation des Hypothalamus führt initial zu einer verstärkten Cortisolausschüttung. Nicht selten ist der Cortisolwert morgens zu niedrig und abends erhöht. Langfristig führt diese Fehlregulation zu einer Erschöpfung der Nebennierenrinde (Adrenal Fatigue). Diese Erschöpfung führt dazu, dass der Cortisolspiegel, wie bereits erwähnt, morgens reduziert ist. Dasselbe Muster trifft auch abends auf. Daher können chronisch erschöpfte Menschen abends gut einschlafen und zumindest den ersten Teil der Nacht tief und fest schlafen. Bei einer chronischen Erschöpfung zeigt sich jedoch eine Fehlregulation des REM-Schlafes. Ein Fehlen von REM-Schlaf kann langfristig zu Konzentrationsproblemen und Lernschwierigkeiten führen.
Fazit
Ein niedriger Blutdruck stellt eine komplexe Symptomatik dar und tritt selten isoliert auf. Durch zielgerichtete Strategien lässt er sich jedoch gut behandeln, sogar dann, wenn er in Verbindung mit einer Fatigue oder als Resultat einer Post-Covid-Erkrankung auftritt.
Erschienen in der body LIFE
Die Fachzeitschrift body LIFE ist das führende Fachmagazin für Inhaber und Manager großer, mittlerer und kleiner Fitness-Anlagen jeglicher Art. Es enthält eine professionell abgestimmte Vielfalt an Artikeln versierter Fachautoren zu verschiedenen Themen:
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Autor: Patrick Meinart ist Sporttherapeut, Psychologe sowie Gründer der Release Fitness Academy. Außerdem ist er Ausbilder im Bereich des neurozentrierten Trainings und arbeitet an der Schnittstelle zwischen Krafttraining, Therapie und Sport auf Grundlage neurowissenschaftlicher Erkenntnisse.