Fähigkeiten und Fertigkeiten für einen leistungsstarken Tennisspieler

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Die Sportart Tennis verlangt eine Vielzahl an konditionellen Faktoren, die in verschiedenem Maße für Spieler der Kreisklasse und der Weltklasse bedeutend sind. Nur mit Wissen über die relevanten Fähigkeiten und Fertigkeiten können Trainingsinhalte zielgerichtet geplant und gesteuert werden.

Die Schnelligkeit wird in der Literatur als wichtigste konditionelle Voraussetzung für leistungsstarke Tennisspieler bezeichnet. An zweiter Stelle steht die Ausdauerleistungsfähigkeit, gefolgt von der Kraft und letztendlich von der Beweglichkeit.

Eine gut ausgeprägte Ausdauer ermöglicht es, intensive Trainingseinheiten zu tolerieren und führt zu einer schnellen Regeneration zwischen den einzelnen Trainingseinheiten. Ferrauti und Weber(1) charakterisieren die Ermüdungswiderstandsfähigkeit gegenüber Lauf- und Schlagbeanspruchungen im Tennis sowie die rasche Regenerationsfähigkeit unmittelbar danach als tennisspezifische Ausdauer. Die zunehmende Leistungsdichte erfordert eine optimale Abstimmung der Trainingsinhalte, da der Turnierkalender sehr umfangreich ist, Turnierserien von mehreren Wochen gespielt werden, die Anzahl der Spiele nicht vorhergesagt werden kann, lediglich kurze Vorbereitungsphasen vorhanden sind und Übergangsphasen häufig zur Vorbereitung genutzt werden.(2)

 

Wichtigkeit der Schläge eins bis vier

Bei den French Open 2008 und 2009 wurden bei den Damen ebenso wie bei den Herren durchschnittlich mehr als 50 % aller Ballwechsel bereits nach vier Schlägen entschieden.(3) Der Schwerpunkt im Trainingsprozess sollte aufgrund dieser Ergebnisse auf den Schlägen eins bis vier liegen, wobei lange Ballwechsel an der Grundlinie ebenfalls in den Trainingsablauf integriert werden sollten und ihre Berechtigung haben. Schnelligkeit und Schnellkraft in Verbindung mit höchsten Anforderungen an die Tennistechnik werden demnach verstärkt gefordert. Des Weiteren ist die schnellstmögliche Wiederherstellung der Schnellkraft für eine qualitativ hochwertige Kurzsprintwiederholungsfähigkeit über eine Dauer von wenigstens zwei Stunden von Nöten. Um diesen Anforderungen gerecht zu werden, sollten die Spieler/-innen über eine gut ausgebildete Grundlagenausdauer verfügen. Tenniswettkämpfe fordern das Herz-Kreislauf-System mit ca. 50–60 % der VO2max. Folglich ist die Beanspruchung vorrangig submaximal, jedoch ist die durchschnittliche Herzfrequenz mit ca. 150–160 Schlägen/Minute vergleichsweise hoch. Dies liegt teilweise an der sehr hohen psychischen Belastung und an der Notwendigkeit einer erhöhten Konzentrationsfähigkeit. Die Herzfrequenz erreicht in einzelnen Matchsituationen sogar Werte von 180–200 Schlägen/Minute.(4)

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Hochdynamische Belastungen benötigen ein kräftiges Muskelkorsett

Die Kraftfähigkeit erzielt im Tennis einen hohen Stellenwert und liegt in der Umfrage von Ferrauti(4) an drittwichtigster Stelle. Um eine überdurchschnittliche Lauf- und Schlagschnelligkeit zu erreichen, ist eine gut ausgebildete Bein- und Armkraft unabdingbar. Außerdem hilft die Kraftfähigkeit bei der Verletzungsprophylaxe. Der Aufbau eines Muskelkorsetts im Sinne einer verbesserten Kraftfähigkeit bewirkt eine höhere Belastungsverträglichkeit gegenüber hochdynamischen Beanspruchungen des Bewegungsapparats. Die Kraftausdauer, Maximalkraft, Reaktivkraft und Schnellkraft sind nach Kleinöder5 die verschiedenen Erscheinungsformen der Kraft. Die Kraftausdauer gewinnt bei langen Matches immer mehr an Relevanz. Vielfältige Anforderungen an die Bein- und Schlagarbeit werden am Ende des Matches ebenso benötigt wie zu Beginn. Reaktive Kraftfähigkeiten sind bei schnellkräftigen Antritten, bei Sprüngen und bei schnellen Schlägen mit ausschlaggebend. Die Maximalkraft kommt bei Antritten aus dem Stand oder bei Richtungswechseln vor. Maximale Kraftfähigkeiten haben einen Einfluss auf die Kraftausdauer und auf die Reaktivkraft, die wiederum die Schnellkraft, also die schnellstmögliche Kraftentfaltung bei der Bein- und Schlagarbeit, beeinflusst.(4,5)

 

Berücksichtigung der Taktik und mentalen Stärke

Damit ein taktisches Ziel erreicht wird, müssen verschiedene Voraussetzungen gegeben sein. Geduld, Konzentration, Disziplin und Sicherheit führen zu einer Verringerung der eigenen Fehlerquote und können den Gegner zu Fehlern verleiten. Hinzu kommt ein flexibles und variantenreiches Spiel mit Mut und Risiko, damit dem Gegner die Gelegenheit, direkte Punkte zu erzielen, zusätzlich erschwert wird. Das intuitive Denken geht zumeist mit hohem Zeitdruck und einer Schlagbewegung einher. Es handelt sich um einen automatisierten Schlag, welcher im Training und Match sehr häufig mit hohem Zeitdruck durchgeführt wird. Beim operativen Denken steht dem Tennisspieler mehr Zeit zur Verfügung, es herrscht ein mittlerer Zeitdruck, der sich über einen oder mehrere Ballwechsel erstreckt. Verschiedene Spielsituationen können überprüft werden und es wird abgewogen, welches die ideale Entscheidung sein dürfte. In der Vorbereitung, also ohne größeren Zeitdruck, wurden taktische Handlungen einstudiert, um eigene Stärken optimal ausspielen zu können und die Schwächen des Kontrahenten zu nutzen.(6)

Komplettiert wird das Anforderungsprofil durch den mentalen Bereich, dem ebenfalls eine große Bedeutung für das Erreichen von Höchstleistungen beigemessen wird. Dauerhaft erfolgreich zu sein, verlangt eine stabile und erfolgsorientierte Psyche, die mit dem idealen Zusammenspiel aus Kondition und Technik den Grundstein für Spitzenleistungen darstellt.(5)

 

Das Leistungsstrukturmodell

Im Tennissport werden sehr viele Leistungsfaktoren benötigt, damit eine optimale Leistungsfähigkeit realisierbar ist. Das Leistungsstrukturmodell der komplexen individuellen Spielleistung im Tennis versucht diese Parameter zu strukturieren (vgl. Abb. 1).

 

Abb. 1: Strukturmodell der komplexen individuellen Spielleistung im Tennis: Hierarchisierung und Pyramidendarstellung (mod. nach Brack & Knödel, 2011) (PDF)

 

In Anlehnung an Brack und Hohmann(7) modifizierte Knödel8 die Strukturpyramide, eine Einteilung in mehrere Ebenen, bezogen auf die Sportart Tennis. Die Komplexität der Einflussgrößen und ob eine direkte oder indirekte Beeinflussung gegeben ist, wird in der Vertikalen aufgezeigt.(7) Leistungsbedingungen, Leistungszustand und das Wettkampfverhalten charakterisieren die drei Ebenen. Zunächst wird die Spielleistung im Tennis durch externe Faktoren wie u. a. das Spielerumfeld, durch Trainingsbedingungen und durch den Trainer geprägt. Des Weiteren beinhalten die Leistungsbedingungen bzw. Leistungsvoraussetzungen die psychischen Faktoren (z. B. Kampfgeist, Fairness und Selbstvertrauen), sensorisch-kognitive Faktoren (z. B. Antizipation, Spielübersicht und Konzentrationsfähigkeit), soziale Faktoren (z. B. Beliebtheit, Kommunikations- und Kooperationsfähigkeit) und die physischen Faktoren (z. B. Körperbaumerkmale, Muskulatur und Herz-Kreislauf-System).(7) Wie gut die jeweilige Leistung ist, wird durch den Leistungszustand definiert. Leistungslimitierende Faktoren sind Kondition, Technik, Taktik und Psyche. Der Begriff Kondition umfasst die tennisspezifische Koordination, Aktionsschnelligkeit, Schnellkraft und Ausdauer. Wichtige Bestandteile der Technik sind die Schlagtechnik und die Beinarbeit. Die taktische Komponente (situationsgerechtes Entscheidungsverhalten) impliziert intuitives, operatives und strategisches Denken, Antizipation und Spielintelligenz, die obendrein zur Psyche gezählt werden kann. Motivation, Selbstkontrolle, Konzentrationsfähigkeit und Selbstbewusstsein beeinflussen die Psyche ebenso maßgeblich. All diese Leistungsfaktoren prägen die Spielfähigkeit im Tennis, wobei die Wahrnehmung, die Analyse, das Entscheiden und das Handeln erst in die Spielhandlung münden. Die oberste Ebene wird mit Wettkampfverhalten betitelt und demnach als bedeutendste Ebene verstanden. Spielfähigkeit, Spielhandlung und letztendlich die Spielwirksamkeit sollen (in Abb. 1 ansteigend) die Wichtigkeit für eine exzellente Spielleistung aufzeigen.(7)

Gerade im Tennis zeigt sich die Komplexität sportlicher Höchstleistungen. Technik, Taktik und die konditionellen Fähikeiten Kraft bzw. Ausdauer und Schnellnigkeit müssen jeweils optimal entwickelt werden. Modelle zur Leistungsstruktur können helfen, die jeweiligen Anteile leistungsrelevanter Merkmale zu gewichten. Erst so lassen sich Trainingskonzeptionen erarbeiten, anhand derer Leistungsverbesserungen gezielt angesteuert werden können. Klar wird so aber auch, dass gerade im Tennis Antizipation und das Abwägen und Umsetzen taktischer Komponenten einer klaren Vorbereitung bedürfen. Achten Sie in Ihrem Training auf Ihre Stärken und Schwächen und ordnen Sie die in das Leistungsstrukturmodell ein.

 

Tipps für Ihr Training

– Verbessern Sie Ihre Maximalkraft und Ihre Grundlagenausdauer.

– Führen Sie ein gezieltes Training der Schläge eins bis vier durch.

– Studieren Sie im Training taktische Handlungen ein.

 

Roy Epple

 

Literaturangaben:

1. Ferrauti, A. & Weber, K. (2009), Der offizielle Tennis-Lehrplan des DTB Trainingswissenschaft. Ausdauer Diagnostik & Training. Institut für Bewegungswissenschaft in den Sportspielen, DSHS Köln.

2. Born, H. P., Hölting, N. & Weber, K. (1997), Schnelligkeit im Tennis. Konzeptionelle und trainingsmethodische Aspekte. Hamburg: Czwalina Verlag.

3. Weber, K. et al. (2010), Schnellere Aufschläge, kürzere Ballwechsel und höherer Zeitdruck für Grundschläge in der Tennis-Weltspitze. Leistungssport, Bd. 40 (5), S. 36–42.

4. Ferrauti, A., Maier, P. & Weber, K. (2006), Tennis Training (2. Aufl.). Aachen: Meyer & Meyer Verlag.

5. Kleinöder, H. (2008), Der offizielle Tennis-Lehrplan des DTB Trainingswissenschaft. Kraft, Diagnostik & Training. Institut für Trainingswissenschaft und Sportinformatik, DSHS Köln.

6. Gabler, H. & Maier, P. (1998), Das Training der mentalen Fähigkeiten im Tennis. Sindelfingen: Sportverlag Schmidt & Dreisilker GmbH.

7. Brack, R. & Knödel, M. (2011), Strukturmodell der komplexen individuellen Spielleistung im Tennis: Hierarchisierung und Pyramidendarstellung. Unveröff. Manuskipt. Stuttgart.

 

Fachsprache

VO2max – die maximale Sauerstoffaufnahme ist ein Bruttokriterium für die Ausdauerleistungsfähigkeit.

Vestibulär – den Gleichgewichtssinn betreffend

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Trainingsworld

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