Ein Marathon stellt eine enorme Belastung für den menschlichen Körper dar. Um diese zu bewältigen, ist die Zufuhr von Energie während des Laufs unerlässlich. Das wirft einige Fragen auf: Wie viele Kohlenhydrate muss ich während eines Laufs zu mir nehmen? Spielt es eine Rolle, ob die Kohlenhydrate flüssig oder fest sind? Diesen Fragen wollen wir hier auf den Grund gehen.
Energie für die letzten Meilen
Während der letzten Meilen eines Marathons sind Ihre Kohlenhydratspeicher und Muskeln erschöpft. Um diesen einen ordentlichen Schub zu geben, sind während des Laufes pro Stunde mehr als 30 g Kohlenhydrate nötig. Am leichtesten ist dies zu bewerkstelligen, wenn Sie ca. 0,35 Liter eines handelsüblichen Sportdrinks trinken. Und zwar kurz bevor der Wettlauf beginnt und danach alle 15 Minuten fünf bis sechs Schlücke.
Flüssige oder feste Kohlenhydrate?
Auf diese Frage lässt sich noch keine klare Antwort geben. Denn keine wissenschaftliche Studie hat bisher im Einzelnen untersucht, wie sich die Einnahme von flüssigen Kohlenhydraten im Vergleich zu festen auf die Marathonleistung auswirkt. Generell dauert es länger, bis feste Nahrung absorbiert wird. Beim Marathon sollten die Kohlenhydrate möglichst schnell und fortwährend in Ihren Muskeln ankommen. Sportdrinks sind weit verbreitet und das darin enthaltene Kohlenhydrat wird schnell absorbiert. Warum sollten Sie also davon nicht Gebrauch machen?
Was ist mit kohlenhydratreichen Gels?
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In letzter Zeit haben einige Sportler jedoch eine andere Richtung eingeschlagen. Anspruchsvollere Läufer sind meinem „Nein“ zur Einnahme von Kirschkuchen und süßen Keksen während des Laufs zuvorgekommen und haben gefragt, ob es in Ordnung sei, Gels während des Marathons zu benutzen.
Als ich diese Frage die ersten paar Male hörte, antwortete ich höhnisch, dass es eine tolle Strategie fürs Schwimmen sei, den Körper mit Gel zu rasieren, aber nicht fürs Marathonlaufen. Irgendwann klärte mich jemand schließlich darüber auf, dass damit Energie-Gels gemeint seien. Diese stecken in kleinen Päckchen und tragen Namen wie „PowerShots“, „ReLode“ und „Squeezy“.
Immer mehr Marathonläufer schütten sich diese klebrigen Dinger in den Mund, während sie unterwegs sind. Viele von ihnen berichten, dass sie sich großartig fühlen, kurz nachdem sie diese halbfesten Produkte verzehrt haben. Außerdem plage sie anschließend nicht das Gefühl des “Herumschwappens“, das sich einstellt, wenn sie Sportgetränke tränken. Wenn man sie davon reden hört, könnte man meinen, diese Gels seien Wunderprodukte.
Eine Frage der Konzentration
Natürlich bin ich ein vorsichtiger, kein experimentierfreudiger Typ. Also habe ich versucht, die Begeisterung der Läufer für diese Produkte zu dämpfen, indem ich auf Folgendes hinwies: Wenn Sie eine Ladung an klebrigem Zeug zusammen mit ein wenig Flüssigkeit in Ihren Magen bringen, ist es schwer, zu wissen, wie die tatsächliche Konzentration dieses Kohlenhydrats sein wird. Diese Sorge ist nicht unbegründet: Wenn die Kohlenhydratkonzentration zu hoch ist (zu viel klebriges Zeug, nicht genug Flüssigkeit), wird das Kohlenhydrat langsam absorbiert. Dann zieht möglicherweise Flüssigkeit in den Darm – wodurch das Blutvolumen gesenkt wird und Sie dehydrieren.
Wenn der Kohlenhydratspiegel zu niedrig ist (zu wenig klebriges Zeug, zu viel Wasser), kommen nicht genug Kohlenhydrate in Ihren Muskeln an. Die Konsequenz: Sie schleppen sich über die letzten Kilometer des Marathons mit erschöpften Beinen, wenn die Glykogenreserven aufgebraucht sind. Die kommerziellen Sportgetränke sind genau richtig zusammengestellt. Warum sollte man sie also nicht einnehmen und dafür das klebrige Zeug in den Abfall schmeißen – oder es als Balsam für schmerzende Füße benutzen?
Hat die Wissenschaft doch Recht?
Aber untermauert die wissenschaftliche Forschung meine Aussage? Wissenschaftler an der Universität von Utrecht in den Niederlanden haben die allererste Studie zu dieser Thematik durchgeführt. Sie verglich die Vorteile der Kohlenhydratzufuhr in flüssiger bzw. fester (und nahezu fester) Form vor und während längerer Bewegungseinheit. In der Utrechter Studie nahmen 32 gesunde männliche Triathleten, die gerade zumindest für einen Vierteltriathlon trainierten, an äußerst strapaziösen Trainingseinheiten teil.
Jede Einheit bestand aus zwei Radfahreinheiten, die 51 bzw. 43 Minuten dauerten, bei einer Intensität von ungefähr 75 % VO2max (85 % der maximalen Herzfrequenz.) und zwei Laufeinheiten, die jeweils 43 Minuten dauerten, wieder bei 75 % VO2max. Die Trittfrequenz während des Radfahrens lag immer zwischen 80 bis 90 Umdrehungen pro Minute.
Die Struktur der Studie
Geplant waren die Trainingseinheiten wie folgt: Nach 51 Minuten Radfahren erholte sich ein Triathlet acht Minuten und lief dann 43 Minuten lang. Nach einer sechsminütigen Erholungspause absolvierte der Triathlet einen Maximaltest auf einem Trainingsfahrrad, der drei Minuten Radfahren bei 175 Watt umfasste und dann drei Minuten bis zur Erschöpfung. Nach vier Minuten Erholung fuhr der Triathlet dann 43 Minuten Rad, erholte sich sechs Minuten, bewältigte einen zweiten Maximaltest auf dem Rad, erholte sich vier weitere Minuten, lief 43 Minuten, ruhte sich sechs aus und absolvierte dann einen abschließenden supramaximalen Test auf dem Trainingsrad.
Die geplante Gesamttrainingszeit überschritt drei Stunden, alles davon mit Herzfrequenzen um oder über 85 % des Maximalpulses. In Wirklichkeit allerdings schafften es die Triathleten nicht immer, die drei Stunden durchzuhalten. Oft hörten sie nach ungefähr zwei Stunden auf (während des zweiten Radfahrabschnitts oder der zweiten Laufeinheit).
Wie passten die festen und flüssigen Kohlenhydrate ins Bild?
Alle Triathleten absolvierten drei der oben beschriebenen harten Tests, jedes Mal mit einem anderen System der Nahrungszufuhr. Einmal nahmen die Triathleten während des Tests durchgehend Sportdrinks zu sich (wir werden dies wegen der Flüssigkeiten den “F“-Test nennen). Dann wiederum nahmen sie eine Mischung aus Flüssigkeiten und festen Stoffen auf, bestehend aus mit zu gleichen Teilen mit Wasser verdünntem Orangensaft, Weißbrot, Marmelade und Bananen (wir werden dies wegen der festen Nahrung die “S“[solids]-Behandlung nennen).
Während einer dritten Einheit tranken die Triathleten in kleinen Schlücken einen Flüssigkeits-Placebo. Dieser bestand aus Farbstoffen, Aromastoffen (Zitronensäure) und Xanthum-Gum als Bindemittel (die “P“-Gruppe). Sowohl die Einheiten, in der Sportgetränke konsumiert wurden, als auch die, in denen feste Nahrung auf dem Plan stand, versorgten die Triathleten mit ungefähr 100 g Kohlenhydraten pro Stunde, während das Placebo überhaupt keine Kohlenhydrate lieferte. Die aufgenommene Wassermenge war bei allen drei Gruppen gleich.
Welche Art der Energiezufuhr war die beste?
16 (von 32) Triathleten schafften es, alle drei harten Trainingsstunden durchzustehen, wenn sie Flüssigkeiten zu sich nahmen. Jedoch kamen nur neun mit den Anstrengungen zurecht, wenn sie feste Nahrungsformen zu sich nahmen, und sieben nach Einnahme des Placebos. Die durchschnittliche Gesamttrainingszeit lag bei der F-Truppe bei 180 Minuten, bei 126 Minuten für die S-Probanden und bei 120 Minuten für die P-Leute. Mit anderen Worten: Die Aufnahme von Flüssigkeiten, und nicht unbedingt die der halbfesten Formen, korrelierte mit besseren Ausdauerleistungen.
Auch die supramaximale Trainingskapazität war während der Flüssigkeitszufuhr gewöhnlich höher. Mit Flüssigkeiten lag sie bei 371 Watt, bei fester Nahrung bei 365 Watt und beim Placebo bei 362 Watt. Kohlenhydrate in flüssiger Form waren in jeder Hinsicht der Gewinner, sowohl bezüglich der aeroben als auch der anaeroben Leistung.
Daumen runter für Fett
Im Moment wird in der Nichtfachpresse viel über die Vorteile einer höheren Fettaufnahme für Ausdauerathleten diskutiert. In diesen Artikeln und Anzeigen wird behauptet, Fett sei der Hauptbrennstoff für Ausdauerleistungen. Athleten, die ihre Leistung steigern wollten, müssten “lernen“, während Training und Wettkampf Fett effizienter zu verbrennen. Eine der Möglichkeiten, dies zu tun, sei angeblich die vermehrte Aufnahme von Fett. Und, wissen Sie was? Das effizienteste Verbrennen von Fett gelang in der Placebo-Gruppe (kein Wunder, da sie wenig Kohlenhydrate bekam). Also der Gruppe, die bei den Tests am schlechtesten abschnitt. Die Leute in der Flüssigkeitsgruppe, die am besten abschnitten, bauten beträchtlich mehr Kohlenhydrate ab und deutlich weniger Fett.
Was ist nun das Entscheidende bei der Zufuhr von Kohlenhydraten während des Marathons? Nun ja, nichts gegen die Hersteller von Energie-Gels. Aber es gibt keinen Beweis dafür, dass diese Produkte mehr bewirken als die herkömmlichen Sportdrinks. Im Gegenteil, die Fakten sprechen eher für die guten alten Flüssigkeiten mit aufgelösten Kohlenhydraten. Wenn Sie einen Sportdrink zu sich nehmen, können Sie sicher sein, dass das Kohlenhydrat so schnell wie möglich absorbiert werden kann. Und Sie können sich darauf verlassen, dass die Kohlenhydrate die richtige Konzentration für Sie haben. Während einer Disziplin, in der die Glykogenvorräte zur Neige gehen, ist es das, was Sie wollen!
Was am besten für die Ultraläufer ist
Aber was ist, wenn Sie eine Strecke laufen wollen, die länger als ein Marathon ist? Vielleicht reizt Sie das über 87 km gehende Comrades-Rennen in Südafrika, ein 160-km-Wettkampf, oder sogar ein Lauf über mehrere Tage, der Sie richtig auspowert?
Da Fett einen Großteil der Energie liefert, die Sie brauchen, wenn ein Rennen fünf Stunden oder länger dauert, denken Sie vielleicht, dass die Einnahme von fester Nahrung, die Fett enthält, am besten ist. Wie wir vorher erwähnt haben, stützt die große Menge an Energie, die während mehrtägiger Läufe benötigt wird, in denen Athleten oft mehr als 10.000 Kalorien pro Tag verbrennen, die Annahme, dass Fett anderem vorzuziehen ist. Denn obwohl Kohlenhydrate solch riesigen Mengen an “Brennstoff“ liefern KÖNNTEN, wäre der damit verbundene Aufwand doch ziemlich enorm. Um 10.000 Kalorien in Kohlenhydraten zu sich zu nehmen, müssten Sie beispielsweise 142 Scheiben Brot pro Tag essen. Also eine Scheibe alle zehn Minuten! Da fetthaltige Nahrung eine höhere Kaloriendichte aufweist, verschafft sie Ihren Beißwerkzeugen wenigstens eine kleine Verschnaufpause.
Das Risiko bei mehr Fett und wenig Kohlenhydraten
Den meisten Ultraläufern scheint diese Ansicht zu gefallen, weswegen sie Unmengen an Kuchen, Keksen und Schokoladenriegeln verzehren, während sie locker laufen. Leider hat die Vorstellung, Fett zu mampfen, einige Schwachpunkte. Vor allem brauchen Sie nicht wirklich Fett zu ESSEN, wenn Sie Fett verbrennen möchten, während Sie sich bewegen. Sie könnten einfach von dem Fettpolster zehren, das sich schon an Bauch und Oberschenkeln angesammelt hat.
Das andere Problem besteht darin, dass Sie dann möglicherweise nicht ausreichend Kohlenhydrate zu sich nehmen, um Ihre Beinmuskeln in Schuss zu halten. Wenn Ihre Beinmuskeln mit zu wenig Kohlenhydraten versorgt werden, dann werden Sie zu keiner Zeit in der Lage sein, sich schneller fortzubewegen als mit einem langsamen Vorwärtsstolpern, auch wenn ein Großteil des Fettvorrats in Ihrem Blut schwimmt.
Zusammenfassung: Das Entscheidende?
Die folgenden Punkte fassen das optimale Muster für Energiezufuhr bei Läufen unterschiedlicher Dauer zusammen:
- Wenn der Lauf 60 Minuten oder weniger dauert, ist weder die Aufnahme von Kohlenhydraten noch von Fett sinnvoll. Reines Wasser reicht.
- Wenn der Lauf zwischen 60 und 200 Minuten dauert, nehmen Sie fünf bis sechs Schlücke eines sechs- bis achtprozentigen Kohlenhydrat-Sportgetränks alle 15 Minuten während des Wettkampfs ein. Das ist alles, was Sie brauchen!
- Wenn der Lauf zwischen 200 und 360 Minuten dauert, verwenden Sie einen sechs- bis achtprozentigen kohlenhydrathaltigen und mit mittelkettigen Triglyzeriden (MCT) angereicherten Sportdrink über die Dauer des Laufes zu sich. Auch hier gilt: Alle 15 Minuten fünf bis sechs Schlücke. Die MCTs (die Sie in den meisten Reformhäusern bekommen können) werden schneller absorbiert und wirksamer umgewandelt als “normale“ Fette. Um sicherzugehen, dass Sie die richtige Konzentration haben, fügen Sie 40 g von MCTs jedem Liter Ihres Sportdrinks hinzu. Neueste wissenschaftliche Studien lassen vermuten, dass MCTs möglicherweise die Ausdauer während Läufen verbessert, die länger als ungefähr drei bis dreieinhalb Stunden dauern.
- Bei Wettkämpfen, die länger als sechs Stunden dauern, folgen Sie Strategie Nummer drei, nehmen aber zudem feste Nahrung zu sich, die reich an Kohlenhydraten ist. Das Vorkommen von Fett in diesen Nahrungsmitteln wird Ihnen nicht schaden und hilft Ihnen vielleicht dabei, die Energiebilanz nahezu ausgeglichen zu halten. Schokoladenriegel und Kuchen, zusammen mit der Standardkost von Früchten, Suppen und Sandwiches, sind alles annehmbare Alternativen. Probieren Sie diverse Nahrungsmittel vor Ihrem Lauf aus, um sicherzustellen, dass Sie etwas zu sich nehmen, was Ihr Verdauungstrakt leicht verträgt.
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Jeder Kurs umfasst mehrere Stunden Video- und Audiomaterial, Trainingspläne und eBooks zu den Themen Ernährung, Training und Eigendiagnostik. Ein Zugang zur Facebook-Gruppe, in der sich Teilnehmer des Onlinekurses austauschen können, gehört ebenfalls dazu.
Durch den Kurs führt Laufcoach Markus Dawo, der 2013 sein Hobby zum Beruf machte. Der Läufer aus Leidenschaft hat seitdem zahlreichen Sportlern dabei geholfen, ihre Laufziele noch schneller zu erreichen und persönliche Marathon-Bestmarken immer wieder zu verbessern.
Quellenangaben:
1. Exercise Performance as a Function of Semi-Solid and Liquid Carbohydrate Feedings during Prolonged Exercise, International Journal of Sports Medicine, Bd. 16 (2), S. 105-113, 1995