Ein erhöhter Blutzuckerspiegel führt kurzzeitig zu Trägheit und Müdigkeit, das ist im Alltag nicht optimal, aber auch nicht besorgniserregend. Doch was passiert, wenn der Blutzuckerspiegel dauerhaft zu hoch oder zu niedrig ist? Welche Folgen kann das für unser Leben haben? Und wie reagiert der Blutzuckerspiegel auf verschiedene Trainingsintensitäten? Die Ärztin Dr. Anne Latz und die Ernährungswissenschaftlerin Marie-Luise Huber klären auf.
Inhaltsverzeichnis
- Wie reguliert Insulin den Blutzuckerspiegel?
- Vorsicht vor Spikes und Dips
- Was passiert mit dem Blutzuckerspiegel, wenn man Sport macht?
- Warum senkt Sport den Blutzuckerspiegel?
- Warum ist der Blutzuckerspiegel nach dem Sport höher als vorher?
- Blutzucker Monitoring
- Stress und Blutzucker
- Fazit
Wie reguliert Insulin den Blutzuckerspiegel?
Blutzucker ist die Hauptenergiequelle des Körpers; er versorgt unsere Zellen mit der notwendigen Energie. Dank des Blutzuckers können unsere Zellen wachsen, sich vermehren, sich selbst reparieren, ihre Strukturen erhalten und auf ihre Umwelt reagieren. Diese Energie wird nicht nur bei schwerer Arbeit und beim Sport benötigt und verbraucht. Wir benötigen sie auch dann, wenn wir es nicht merken, z. B. beim Schlafen und beim Denken. Tatsächlich benötigt das Gehirn sogar 60 Prozent der gesamten Energie. Der Blutzuckerspiegel variiert von Mensch zu Mensch, ist dynamisch und unterliegt ständigen Schwankungen. Das Hormon Insulin ist dabei ein enger Partner des Blutzuckers – die beiden arbeiten im Team. Insulin wird in unserer Bauchspeicheldrüse produziert und ist maßgeblich für die Blutzuckerregulation verantwortlich, da es den Blutzuckerspiegel (auch „Glukosespiegel“ genannt) senkt. Wie viel Insulin für das Einschleusen des Zuckers in den Blutkreislauf nötig ist, hängt von der Insulinempfindlichkeit (Insulinsensitivität) der Zellen ab.
Vorsicht vor Spikes und Dips
Allgemein gilt für eine Glukosekurve im Tagesverlauf: je flacher auf- und absteigend, desto besser. Idealerweise liegt der Blutzuckerspiegel in einem gesunden Bereich zwischen 80 und 110 mg/dl. Nach Mahlzeiten und abhängig von deren Umfang und Zusammensetzung sind auch Obergrenzen von 140 mg/dl normal und in Ordnung. Die wenigsten Menschen wissen, wie sich ihr Blutzucker gerade verändert und was die Auslöser für sogenannte Spikes (Spitzen) oder Dips (Tiefen) der Blutzuckerkurve sind – und hierfür muss auch jeder die eigenen Trigger finden!
Für alle Menschen gilt jedoch eins: je weniger steile bzw. tiefe „Aufs“ und „Abs“, desto besser. Doch warum sollte der Blutzuckerspiegel möglichst wenig Ausreißer aufzeigen? Kurzfristige und extreme Aufs und Abs sind mit Müdigkeit, Hirnnebel, Energielosigkeit und erneutem Hunger verbunden. Das bedeutet: Wenn in einem kurzen Zeitraum zu viel Glukose zugeführt wird, kann die Insulinausschüttung der Bauchspeicheldrüse zu hoch sein, was zu einer zu starken Blutzuckersenkung, einer sog. reaktiven Hypoglykämie, führt. Diese hat einen erhöhten Heißhunger und Stimmungsschwankungen zur Folge. Langfristig beeinflussen diese extremen Aufs und Abs den Kontrollmechanismus unseres Körpers und Erkrankungen wie Diabetes, Bluthochdruck, Herzerkrankungen, eine eingeschränkte Nierenfunktion oder Nervenschäden können die Folge sein – und wer möchte hiervon schon betroffen sein?
Was passiert mit dem Blutzuckerspiegel, wenn man Sport macht?
Neben einer ausgewogenen Ernährung spielen auch ausreichende Regeneration und Bewegung eine wichtige Rolle, um den Blutzuckerspiegel zu regulieren. Beim Sport wird die Insulinempfindlichkeit erhöht, was dazu führt, dass die Zellen die verfügbare Glukose im Blut leichter aufnehmen können. Zudem regt körperliche Aktivität die Muskeln an, den Blutzucker zur Energiegewinnung und Muskelkontraktion zu nutzen – wie genau, hängt von der Dauer und auch der Intensität der sportlichen Betätigung bzw. Bewegung ab.
Warum senkt Sport den Blutzuckerspiegel?
Blutzuckerverhalten bei niedriger Aktivität
Bei niedriger Trainingsintensität oder bei einem Ausdauertraining mit etwa 60 Prozent oder weniger der VO2max, des maximalen Sauerstoffverbrauchs bzw. der -aufnahme, verwenden die meisten Menschen mehr Fett als Brennstoff. Aus diesem Grund bleiben die Glukosewerte während des Trainings in diesem Intensitätsbereich entweder konstant oder sinken nur langsam ab (je nachdem, ob die Person während des Trainings „Kraftstoff“ zu sich nimmt oder nicht). Starke Einbrüche des Blutzuckerspiegels während eines Trainings mit niedriger Intensität und ein Gefühl der Energielosigkeit oder des „Ausgebranntseins“ insbesondere innerhalb der ersten 60 Minuten nach dem Training können ein Anzeichen dafür sein, dass der Sportler nicht ausreichend mit Energie versorgt wird oder dass er sein Fett nicht effizient verbrennt.
Blutzuckerverhalten bei mäßig intensiver Aktivität
Manchmal sinkt der Blutzuckerspiegel während mäßig intensiver Aktivitäten, wie Fußball, Hockey oder Lacrosse, ab, was mit einem niedrigen Energieniveau einhergeht. Das bedeutet, dass das Glykogen (die Speicherform der Glukose) aufgebraucht ist. Da der Körper bei mäßiger bis hoher Trainingsintensität nur schwer auf Fett als Brennstoff zurückgreifen kann, kann sich dies negativ auf die Leistung auswirken. Eine Mahlzeit mit Kohlenhydraten vor dem Training und eine Mahlzeit mit Kohlenhydraten und Eiweiß nach dem Training unterstützen dabei, die Glykogenspeicher wieder aufzufüllen. Möglicherweise müssen die Sportler auch während der Trainingseinheit (z. B. in der Halbzeitpause eines Spiels) Nahrung zu sich nehmen.
Warum ist der Blutzuckerspiegel nach dem Sport höher als vorher?
Bei hochintensiven anaeroben Aktivitäten oder solchen über 80 Prozent VO2max wird Glukose zur vorherrschenden Energiequelle. So steigt die zirkulierende Glukose während kurzer intensiver Trainingseinheiten (> 80 Prozent VO2max) und noch stärker in der Stunde nach Trainingsende an. Dies ist darauf zurückzuführen, dass eine hohe Trainingsintensität die Ausschüttung bestimmter Hormone (Katecholaminen einschließlich des Stresshormons Epinephrin) anregt, die die Glukoseproduktion in der Leber um das bis zu 8-Fache steigern. Die Muskeln hingegen erhöhen ihren Glukoseverbrauch nur um das 3- bis 4-Fache, sodass es zu einem Missverhältnis zwischen Angebot und Nachfrage kommt, bei dem sich ein Glukoseüberschuss im Blut befindet. Diese erhöhte Glukose signalisiert einen Anstieg des Insulinspiegels, woraufhin die Muskeln die überschüssige Glukose aufnehmen, um den Glukosespeicher wieder aufzufüllen – und der Blutzuckerspiegel sinkt gleichzeitig wieder auf den Ausgangswert.
Dieser offensichtliche Anstieg des Blutzuckerspiegels während eines hochintensiven Trainings kann beunruhigend wirken, ist es jedoch nicht. Trotz des akuten Anstiegs des Blutzuckerspiegels verbessert ein hochintensives Training sowohl den Nüchternblutzucker als auch die Insulinempfindlichkeit innerhalb von nur zwei Wochen. Diese beiden Anpassungen führen zu einer besseren metabolischen Flexibilität und Glukosekontrolle.
Blutzucker Monitoring
Durch eine kontinuierliche Glukosemessung mit einem CGM (Continuous Glucose Monitoring; Blutzuckermessgerät) vor, während und nach einer Trainingseinheit kann man die Reaktion des Körpers besser analysieren, so kann man die individuell richtige Trainingsintensität wählen, um so einen Trainingsfortschritt zu erzielen sowie die Regeneration und auch die Gesundheit zu verbessern.
Wie wirkt sich Stress auf den Blutzuckerspiegel aus?
Auch Stress beeinflusst den Blutzuckerspiegel. Durch Stress werden der Glukagon- und der Cortisolspiegel erhöht. Diese beiden Hormone lassen den Blutzuckerspiegel in die Höhe schnellen. Das ist evolutionär bedingt: In bedrohlichen Situationen war ein Anstieg des Blutzuckerspiegels von Vorteil, da ein erhöhter Blutzucker für mehr Alarmbereitschaft sorgt. Im heutigen, oftmals sitzenden Büroalltag ist dieser Kampfmodus nicht notwendig. Da Stress jedoch auch im Büroalltag eine Rolle spielt, kann chronischer Stress zu konstant erhöhtem Blutzucker führen. Das erhöht wiederum die Gefahr, an Diabetes Typ 2 zu erkranken und das Risiko eines Schlaganfalls oder einer Herzerkrankung. Auch eine schlechte Schlafqualität und eine unzureichende Schlafquantität führen am darauffolgenden Tag zu einer gestörten Regulation des Blutzuckerspiegels und reduzieren die Insulinempfindlichkeit. Zudem hat ein langfristiger Schlafmangel einen erhöhten Spiegel der Stresshormone zur Folge. Späte und kohlenhydratreiche Mahlzeiten können außerdem den Schlaf stören. Daher sollte idealerweise die letzte Mahlzeit drei Stunden vor dem Zubettgehen erfolgen.
Fazit
Wie genau Sport den Blutzuckerspiegel verändert, ist bei jedem Menschen individuell. Die Auswirkungen hängen von der Art, der Dauer und auch der Intensität der körperlichen Betätigung ab. Außerdem spielen Ernährung und der allgemeine Gesundheitszustand eine Rolle. Die Beziehung zwischen Blutzucker und Bewegung ist also komplex. Der Körper arbeitet beim Training nach dem Prinzip von Angebot und Nachfrage.
Bei hochintensiven Übungen (wie HIIT oder Krafttraining) hat er nicht genügend Energie zur Verfügung, um den Energiebedarf abzudecken. Daher setzt er Glukose frei, die sofort den Energiebedarf für das Training deckt und einen kurzfristigen Anstieg des Blutzuckerspiegels verursacht. Bei einem Training mit niedriger Intensität (lockeres Laufen, Yoga, Spazierengehen) hat der Körper genügend Energie zur Verfügung, um den Bedarf zu decken. So bleibt der Blutzuckerspiegel in der Regel konstant oder sinkt. Dieser Effekt erklärt auch, warum sich bereits ein zehnminütiger Verdauungsspaziergang positiv auf die Gesundheit auswirkt. Durch das Gehen werden die Muskeln angeregt, mehr Glukose zu verbrauchen, und der Blutzucker wird gesenkt.
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Autorinnen:
Dr. Anne Latz promovierte in Neurowissenschaften und medizinischer Psychologie. Sie ist außerdem zertifiziert in „Lifestyle Medicine“, einem wissenschaftlich fundierten interdisziplinären Feld zur Krankheitsprävention. Als Mitgründerin sowie Chief Medical Officer des Scientific-Self-Care-Start-ups „Hello Inside“ ist in zahlreichen Netzwerken aktiv und setzt sich für personalisierte Prävention, Gesundheitsförderung und -kommunikation sowie eine smarte Nutzung neuer Technologien ein. www.helloinside.com
Marie-Luise Huber ist Ernährungswissenschaftlerin (M. Sc.), Diätologin und hat einen Master in „Public Health“ (Northeastern University). Sie ist zertifizierter Gesundheits- und Wellness-Coach (NBHWC) und Head of Nutrition bei „Hello Inside“. Ihre wissenschaftliche Leidenschaft sind evidenzbasierte Lebensstil- und Verhaltensänderungen im Zusammenhang mit Blutzucker. www.helloinside.com