Dehnen und Mobility: Wo liegt der Unterschied? Stretching und Mobilitätstraining haben zwar die gleiche Zielsetzung – die Beweglichkeit und somit den maximalen Bewegungsumfang eines oder mehrerer Gelenke zu vergrößern –, dennoch können die Begriffe nicht gleichgesetzt werden. Beim Dehnen nehmen wir eine Position passiv ein, also ohne muskuläre Aktivierung, wohingegen wir beim Mobility-Training die Position aktiv einnehmen.
Dehnen bzw. Stretching
Nimm den Unterschied zwischen Mobility und Stretching an einem Beispiel selbst wahr: Beginnen wir mit dem Stretching. Stelle dich dazu in einen Türrahmen und lege deine rechte Handfläche auf Schulterhöhe auf den Rahmen. Führe nun einen Ausfallschritt mit dem linken Fuß nach vorn aus. Neige deinen Oberkörper so weit nach vorn, bis du einen Zug im rechten Brustbereich wahrnimmst. Dies ist ein klassisches Beispiel für eine Dehnung deiner Brustmuskulatur.
Die Position wurde ohne muskuläre Aktivierung, also passiv eingenommen. Der Widerstand der Türzarge führt zu einem Dehnreiz der Brustmuskulatur. Dieser Stretch kann auch durch einen Trainer erzeugt werden, am Prinzip ändert sich jedoch nichts. In diesem Fall führt der Trainer den Arm nach hinten, um beim Trainierenden einen Dehnreiz auszulösen.
Mobility bzw. Mobilitätstraining
Dazu nun im Vergleich die Mobility-Ausführung. Nimm wieder einen Ausfallschritt mit dem linken Fuß vorn ein und führe deinen rechten Arm gestreckt oder im rechten Winkel gebeugt durch deine Muskelkraft nach hinten. Du kannst jetzt ebenfalls einen Dehnreiz in der rechten Brustmuskulatur wahrnehmen.
Im Vergleich zum Stretching wird die Position aktiv eingenommen, ohne Widerstand von außen (Tür, Trainer, Schlingen). Der Fokus beim Mobility-Training liegt somit auf der Bewegung, genauer gesagt, auf der aktiven Ansteuerung ausgehend vom Gehirn. In unserem Beispiel muss nicht nur deine rückwärtige Muskulatur im Rücken- und Schulterbereich in der Lage sein, deinen Arm nach hinten zu ziehen, zur gleichen Zeit muss für ein größtmögliches Bewegungsausmaß auch deine vordere Muskulatur im Brust- und Schulterbereich locker lassen, damit der Arm ohne großen Widerstand nach hinten geführt werden kann.
Dehnen und Mobility: Ansteuerung der beteiligten Muskulatur
Nur eine optimale Ansteuerung der beteiligten Muskulatur zur richtigen Zeit und mit der richtigen Intensität an Anspannung und Entspannung lässt eine gute Bewegungsreichweite zu. Das Stretching hat die Intention, Spannung der Muskulatur zu reduzieren. Durch das Mobility-Training lernst du hingegen, Positionen aktiv zu kontrollieren und die Spannung der Muskulatur anzusteuern.
Zudem trainierst du funktionelle Bewegungsmuster, sodass das Gehirn (neue) Bewegungen in einem erweiterten Bewegungsausmaß zulässt. Zusammenfassend kann man sagen, dass du mit dem Stretching an deiner Flexibilität und somit an der passiven Beweglichkeit arbeitest und mit dem Mobility-Training deine aktive Beweglichkeit verbesserst.
Jede Bewegung beginnt im Gehirn
Ganz gleich, welche Bewegung man ausführt, sei es im Alltag oder im Sport, sie beginnt im Gehirn. Die Hardware – Muskulatur, Sehnen, Bänder, Knochen – funktioniert nur mit der passenden Software, unserem Gehirn. Unser Gehirn steht unter einem Dauerfeuer sensorischer Informationen. Diesen Input erhält das Gehirn aus den unzähligen Mechanorezeptoren der Muskeln, also Sinneszellen, die mechanische Reize wahrnehmen, durch Sehnen, Bänder, Faszien, Gelenkkapseln und die Haut, aber auch das Sehvermögen und der Gleichgewichtssinn liefern ständig Informationen.
Diese werden in den verschiedenen Hirnarealen verarbeitet und interpretiert. Als motorischer Output steht dann am Ende die dementsprechende muskuläre Aktivierung. Deine Muskeln sind letztlich nur die Befehlsempfänger der Signale des Nervensystems, die ihren Ursprung im Gehirn haben.
Dehnen und Mobility: Der Mehrwert eines Beweglichkeitstrainings
Jegliche Bewegungseinschränkung führt zu einem Kompensationsverhalten des Körpers. Eine gute Beweglichkeit ist daher das Fundament für funktionelle und ökonomische Bewegung und bildet die Basis für einen schmerzfreien Alltag, aber auch für bestmögliche Leistung in sämtlichen sportlichen Disziplinen.
Nehmen wir an, die Beweglichkeit deiner Brustwirbelsäule sei eingeschränkt. Um diese Einschränkung auszugleichen, entwickelt dein Körper Kompensationsstrategien. Kurz- und mittelfristig kann dies eine sinnvolle Lösung sein, früher oder später führt diese Kompensation allerdings zu Überlastungen derjenigen Strukturen, die die Einschränkung einer anderen Körperstelle ausgleichen müssen. Diese Überbeanspruchung der kompensierenden Strukturen führt letztendlich zu Verletzungen und folglich zu Schmerz.
Die mangelnde Beweglichkeit der Brustwirbelsäule kann beispielsweise durch eine gesteigerte Mobilität der Lendenwirbelsäule ausgeglichen werden. Da der Bereich der Lendenwirbelsäule jedoch grundsätzlich eine stabilisierende Funktion hat, ist in unserem Beispiel zu viel Mobilität des unteren Rückens kontraproduktiv. Häufig sind auftretende Schmerzen im Bereich des unteren Rückens eine Folge der eingeschränkten Mobilität der Brustwirbelsäule.
Dehnen und Mobility: Ein Fazit
Wer also langfristig beschwerdefrei durch den Alltag gehen möchte, für den ist das Beweglichkeitstraining neben einem Kräftigungstraining ein wichtiger Baustein.
Marcel Doll
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