Propriozeption trainieren für mehr Bewegungsqualität

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Propriozeption: Mithilfe neuronaler Übungen lassen sich Koordination, Körperhaltung und Beweglichkeit verbessern. Auch Menschen mit neurologischen Erkrankungen, wie bspw. ADHS, profitieren von solch einem „sanften“ Training, das einen ganzheitlichen Ansatz verfolgt.

Was sind propriozeptive Fähigkeiten?

Die aufrechte Körperhaltung im Einbeinstand ausbalancieren, das freie Bein dynamisch schwingen und einen Ball hochwerfen und wieder auffangen: Diese lebendige Übung verdeutlicht, wie neuromuskuläres Training das zentrale Nervensystem und den Bewegungsapparat gleichermaßen fordert. Ähnliche Bewegungsabläufe beanspruchen uns Menschen im Alltag ständig – sei es im Supermarkt beim Greifen einer Lebensmittelpackung aus dem obersten Regal oder wenn das Bordcase im Flugzeug über Kopf in die Ablage gehievt wird. Während starke Muskeln diese Bewegung ermöglichen, gestattet eine geschulte Propriozeption eine gute Bewegungsqualität. Diese Fähigkeit, schnell und präzise zu reagieren, schützt uns vor Verletzungen beim Sport, aber vor allem auch im Alltag.

Was versteht man unter Propriozeption?

Haltung ist nicht statisch, sondern ein ständiges Zusammenspiel von dem Empfangen von Stellimpulsen (Propriozeption), Reflexen, Zug und Gegenzug, Anspannung und Entspannung. Propriozeptive Übungen schulen das Wahrnehmen einer körperlichen Position sowie das Erlernen, Steuern und Anpassen von Bewegungen. Es besteht zum Beispiel eine neuroanatomische Verbindung zwischen unserem Gleichgewichtsorgan und der Muskelgruppe der Extensoren. Verspannungen in der hinteren Kette dienen häufig als Schutzfunktion. Deshalb äußern sie sich meist in einer reduzierten Vorwärtsbeuge, Verspannungen im Beinbeuger oder chronischen Rückenschmerzen. Falsche Bewegungsausführungen und Fehlhaltungen verstärken diese Defizite oftmals. Wenn die Muskeln ihre Aufgabe jedoch optimal erfüllen, können sie kraftvoll das Skelett stabilisieren und gleichzeitig reaktionsbereit spontan auf Veränderungen reagieren. Ein ganzheitliches Training umfasst alle Ebenen der Motorik:

  • Tiefensensibilität, propriozeptives System, Sensomotorik,
  • reflektorische Stabilisationsfähigkeit (reflektorisch die richtigen Muskeln ansteuern, um zusätzlich Kraft schnell abrufen zu können),
  • bewusste Ausführung komplexer Bewegungsmuster,
  • Kraft, Schnelligkeit, Ausdauer, Beweglichkeit.

Koordinative Fähigkeiten

Außerdem schließt ein ganzheitliches Training die folgenden sieben koordinativen Fähigkeiten ein:

  • Anpassungs- und Umstellungsfähigkeit,
  • Differenzierungs- und Steuerungsfähigkeit,
  • Reaktionsfähigkeit,
  • Orientierungsfähigkeit,
  • Gleichgewichtsfähigkeit,
  • Rhythmisierungsfähigkeit,
  • Kombinations- und Kopplungsfähigkeit.

Ein propriozeptives Training bildet die Grundlage für eine gute Bewegungsqualität. Ziele neuronaler Übungen sind die Verbesserung der Bewegungsqualität und die Erhöhung der neuromuskulären Effizienz bei Bewegungen im Sport, im Alltag und vor allem auch beim Bewegen von Gewichten. Wie selbstverständlich wird sich die äußere Haltung aufrichten. Dadurch verschwinden automatisch Defizite der Körpermechanik. Dies spiegelt sich schnell in allen Lebensbereichen positiv wider.

Wie kann ich die Propriozeption trainieren?

Ein neuronales Training sollte direkt im Anschluss an das Warm-up als eigenständige Trainingseinheit durchgeführt werden. Übungszeiten von etwa 30 bis 45 Sekunden und ebenso lange Pausenzeiten in insgesamt zwei bis drei Serien haben sich dabei bewährt. Der Atemrhythmus sollte dabei stets gleichmäßig fließend sein. Zusätzlich erhöht das Schließen der Augen als optionale Variante den Schwierigkeitsgrad der einzelnen Übungen. So komplex die Verschaltung im Nervensystem ist, so komplex sollten auch die Übungen im Training gestaltet sein, um Funktionen schneller zu verbessern und Dysfunktionen effektiver zu beseitigen. Um die Körperwahrnehmung zu verbessern, kann sich der Kunde vorstellen, dass sein Kopf entspannt in Verlängerung der Körperlinie schwebt – wie eine Lotusblüte auf dem Wasser.

Tipp: Eine optimale „neuronale“ Haltung beginnt im Fuß. Also: Schuhe aus! Der propriozeptive Input über die Fußsohle als direkten Kontakt zur Unterlage verbessert automatisch die Performance der Klienten. Denn Barfuß wird die dreidimensionale Biomechanik des Fußes – Eversion, Inversion, Abduktion, Adduktion, Innen- und Außenrotation – optimal trainiert.

Die besten Übungen

Rollen der Plantarfaszie

Eine fast schon klassische Vorbereitungsübung ist das Rollen der Plantarfaszie zur Haltungsstabilisierung durch die Stimulation der Mechanorezeptoren im Fuß. Der Faszienball eignet sich hervorragend dafür.

Kniebeuge auf der Faszien-/ Halbrolle

Ob beim Ein- oder Ausräumen der Spülmaschine oder beim Gärtnern: Immer wieder ist die Kniebeuge im Alltag gefragt. Deshalb ist es wichtig, die Mobilisation von Hüfte, Knie und Sprunggelenk zu erhalten, gleichzeitig ihre Stabilisationsfähigkeit zu stärken und das koordinative Zusammenspiel der Muskelgruppen zu optimieren.

Ausgangsposition: Aufrechter Stand auf der Faszienrolle oder mit zwei Minibändern und Theraband auf der Halbrolle. Kniebeuge hüftbreit auf der Faszien- oder Halbrolle durchführen.

Variante: auf einem Bein.

Arme und Beine strecken

Ausgangsposition: Hüftbreiter Stand. Das Miniband liegt oberhalb der Knie- und Sprunggelenke. Das Theraband um die Handballen legen. Die Arme sind nach oben gestreckt. Abwechselnd das rechte und das linke Bein gegen den Widerstand des Minibandes nach hinten ziehen. Die Muskelspannung dabei halten. Anschließend die Arme abwechselnd nach oben über den Kopf strecken und wieder nach unten führen, gleichzeitig mit jeder Beinbewegung das Band auseinanderziehen.

Variante: auf dem Fußpad, dem Therapiekreisel oder der Halbrolle.

Diagonales Abspreizen der Arme und Beine

Die Propriozeption zu trainieren hilft, Koordination, Körperhaltung und Beweglichkeit zu verbessern. Tipps und Übungen zum Training.

Ausgangsposition: Hüftbreiter Stand, eventuell auf einem Fußpad. Dabei ist das Miniband oberhalb der Knie- und Sprunggelenke. Das Theraband liegt um die Handballen. Die Arme leicht gebeugt vor dem Oberkörper halten, die Wirbelsäule strecken. Dabei ist der Kopf in Verlängerung der HWS. Abwechselnd das rechte und das linke Bein zur Seite abspreizen. Gleichzeitig den diagonalen Arm mit dem Theraband auseinanderziehen und die Finger spreizen.

Variante: anstelle des Therabandes einen Redondo-Ball hochwerfen und wieder auffangen.

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Autorin: Petra Schreiber-Benoit ist Dipl.-Sportwissenschaftlerin, Sport- und Ernährungstherapeutin und gibt zertifizierte Kurse im Bereich Bewegung, Ernährung und Entspannung sowie Rückenfitness und Good Aging. Im Laufe der Jahre hat sie mit bekannten deutschen Sportlern, z. B. dem ehemaligen Zehnkämpfer Jürgen Hingsen, zusammengearbeitet. Sie ist Autorin mehrerer Gesundheitsratgeber.

www.schreiber-benoit.de

 

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Über den Autor

Trainingsworld

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