Nasenatmung und Mundatmung unterscheiden sich deutlich in ihrer Wirkung auf wichtige Körperfunktionen. Die natürliche Atmung durch die Nase kann unsere Gesundheit verbessern und spielt eine wichtige Rolle bei der Abwehr von Krankheitserregern.
Warum ist Mundatmung schädlich?
Ungeachtet der verbreiteten Gewohnheiten und Vorurteile ist unser Körper für die Nasenatmung gemacht. Jemand hat einmal gesagt, durch den Mund zu atmen sei wie durch die Nase zu essen. Ich habe meine ganze Kindheit hindurch und bis in meine frühen 20er aus Gewohnheit durch den Mund geatmet. Während dieser ganzen Zeit habe ich meine Nase komplett umgangen. Ich hatte keine Ahnung davon, dass die Entwicklung der unteren Gesichtshälfte und des Kiefers stark davon beeinflusst ist, ob der Mund in den Jahren der kindlichen Entwicklung offen oder geschlossen ist. Die fortgesetzte Mundatmung hat also sogar die Struktur meines Gesichts verändert. Sie führte zu kleineren oberen Atemwegen, einem höheren Gaumen, einem unterentwickelten Kiefer und schiefen Zähnen.
Obwohl es sich bei der Mundatmung um die Verfälschung einer natürlich angelegten Körperfunktion handelt, ist sie unglaublich weit verbreitet. In einer 2008 durchgeführten Studie mit 379 zufällig ausgewählten Kindern im Alter von drei bis neun aus dem brasilianischen Abaeté stellten Forscher fest, dass 55 Prozent von ihnen Mundatmer waren. 2010 wurde in einer portugiesischen Studie die Verbreitung von Mundatmung bei Kindern zwischen sechs und neun Jahren untersucht. Die Auswertung von 496 Elternfragebogen ergab, dass fast 57 Prozent der Kinder durch den Mund atmeten. Der Häufigkeit von Mundatmung bei Erwachsenen erfährt weniger Aufmerksamkeit. Laut einem 2016 erschienenen wissenschaftlichen Beitrag über mehr als 9000 Bewohner einer japanischen Stadt atmen 17 Prozent von ihnen durch den Mund.
Wie wir sehen werden, stört Mundatmung nicht nur das Wachstum des Gesichts und der Zähne. Es ist darüber hinaus ein wesentlicher Faktor für zahlreiche verschiedene gesundheitliche Probleme. Von obstruktiver Schlafapnoe über Bluthochdruck und Erschöpfung bis hin zur allgemeinen Einschränkung der Lebensqualität.
Warum ist die Nasenatmung so wichtig?
Nasenatmung übernimmt für den Körper mindestens 30 Funktionen. Zu den wichtigsten gehört die Oxygenierung (Anreicherung mit Sauerstoff) des Bluts, der Organe und der Zellen. Weil die Nasenöffnungen wesentlich kleiner sind als der Mund, ist der Atemwiderstand bei der Nasenatmung im Wachzustand ungefähr um 50 Prozent höher als bei der Mundatmung. Das hat eine um 10 bis 20 Prozent höhere Sauerstoffaufnahme im Blut zur Folge. Beim Atmen durch die Nase wird die Luft gefiltert und erwärmt, bevor sie in die Lunge gelangt. Der durch die Nasenatmung generierte Atemwiderstand sorgt für eine langsamere und tiefere Atmung, bei der das Zwerchfell angespannt wird und die beruhigend wirkt.
Was kann man gegen eine schlechte Nasenatmung tun?
Entgegen den Ratschlägen vieler Trainer im Sport ist es nicht sinnvoll, durch die Nase ein- und durch den Mund auszuatmen. In einer Studie, bei der die Teilnehmer angewiesen wurden, auf diese Weise zu atmen, zeigte sich eine 200-prozentige Zunahme von Nasenverstopfung. Darüber hinaus hielt die Nasenverstopfung nach dem Beenden der Aufgabe noch zehn Minuten lang an. Selbst wenn man durch den Mund nur ausatmet, führt das zu einem Verlust von Wärme und Wasser. Um genau zu sein, geht beim Ausatmen durch den Mund 42 Prozent mehr Wasser verloren als beim Ausatmen durch die Nase. Der Feuchtigkeits- und Wärmeverlust verursacht Entzündungen, Nasenverstopfung und trockene Schleimhäute, was das Atmen noch schwieriger macht. Ist die Nase erst einmal zu, muss man durch den Mund atmen, und somit wird Mundatmung irgendwann zur Gewohnheit.
Am besten ist es, durch die Nase sowohl ein- als auch auszuatmen. Das fördert nicht nur die Oxygenierung, sondern beugt auch einer Nasenverstopfung vor. Wenn Ihre Nase frei ist, fällt Ihnen das Atmen in Ruhe wie bei Anstrengung leichter. Es mag widersprüchlich klingen, dass Nasenatmung hilft, die Nase frei zu machen. Schließlich atmen die meisten Menschen durch den Mund, weil ihre Nase blockiert ist. Auch wenn es der Intuition widerspricht, hilft aber gegen eine verstopfte Nase das Atmen durch die Nase, um die Atemwege frei zu bekommen; es vermeidet ein Austrocknen und verbessert das Atemvolumen.
Was ist das Residualvolumen der Lunge?
Wenn Sie durch die Nase ein- oder ausatmen, ist die Atmung aufgrund des durch die kleineren Luftkanäle zusätzlichen Widerstands langsamer. Dieser Ausatemwiderstand bei der nasalen Atmung trägt zur Aufrechterhaltung des Lungenvolumens bei. Selbst nach einer maximalen Ausatmung verbleibt etwas Luft in der Lunge. Diese Luftmenge nennt man Residualvolumen. Wenn die Nase blockiert ist und das zur Mundatmung zwingt, sinken die totale Lungenkapazität und das Residualvolumen deutlich ab.
Um zu verstehen, warum das Residualvolumen wichtig ist, stellen Sie sich vor, Sie würden einen Luftballon aufblasen. Der schwerste Teil daran ist, ganz zu Beginn Luft in den leeren Ballon hineinzubekommen. Wenn Sie allerdings einen Teil der Luft aus einem aufgeblasenen Ballon entweichen lassen, wird es viel einfacher, diesen dann wieder aufzublasen, als wenn Sie die gesamte Luft ausströmen lassen. Ähnlich funktioniert das bei der Atmung: Wären Ihre Lungen nach jeder Ausatmung komplett entleert, würde die Atmung mehr Mühe erfordern, die Lungen würden kollabieren und anstrengende Aktivitäten wären unmöglich durchzuführen. Jedes Mal, wenn Sie durch den Mund ausatmen, atmen Sie möglicherweise mehr Luft als nötig aus. Das bedeutet, dass jede Einatmung einen zusätzlichen Kraftaufwand erfordert. Das Atmen wird viel mühevoller, als es sein müsste.
Warum ist die Nasenatmung besser als Mundatmung?
Während der Nasenatmung gehen mehrere Dinge anders vor sich als während der Mundatmung:
- Bei der Nasenatmung können die Lungen sowohl während der Einatmung als auch während der Ausatmung Sauerstoff aus der Luft aufnehmen. Obwohl in den Lungenbläschen nur während der Einatmung frischer Sauerstoff ankommt, diffundiert ununterbrochen Sauerstoff ins Blut, weil durch die geringe Größe der Nasenlöcher auch während der nasalen Ausatmung etwas Luft zurück in die Lungen strömt.
- Das geringere Tempo der Ausatmung durch die Nase gibt den Lungen mehr Zeit, den Sauerstoff aus der Atemluft zu extrahieren. Bei optimalem Blutgasaustausch wird das Kohlendioxid sachgerecht weiterverarbeitet und der Blut-pH-Wert bleibt im Gleichgewicht.
- Durch die Nase eingeatmete Luft strömt an der Nasenschleimhaut vorbei. Dadurch werden Nervenzellen stimuliert, die die regelmäßige Atmung steuern. (Ein Grund dafür, dass Mundatmung zu Schnarchen, Schlafapnoe und unregelmäßigen Atemmustern führen kann, ist, dass dabei die Nasenschleimhaut umgangen wird.)
- Die Luft durchströmt die Nase, wo die Riechzellen des Riechkolbens enden. Der Riechkolben ist mit dem Hypothalamus verbunden, dem Teil des Gehirns, der an vielen automatisch ablaufenden Körpervorgängen beteiligt ist, darunter Herzschlag, Blutdruck, Appetit, Durst und die Aufrechterhaltung der Homöostase.
- Bei der Nasenatmung produzieren die Nasennebenhöhlen Stickstoffmonoxid (NO), das der Körper zur Entzündungsregulation in den Atemwegen und zur Abwehr von durch die Luft übertragenen Krankheitserregern, Viren und Bakterien benötigt.
Warum ist Stickstoffmonoxid so wichtig?
Wenn wir atmen, wandert Luft in die Lunge hinab und gelangt zu den Alveolen – den kleinen Lungenbläschen, in denen der Gasaustausch stattfindet und Sauerstoff aus der Luft ins Blut diffundiert. Das Verhältnis von Luftvolumen zu Blutstrom, das die Alveolen pro Minute erreicht, lässt sich mit dem sogenannten Ventilations-Perfusions-Verhältnis beschreiben. Der Begriff Ventilation bezieht sich auf die geatmete Luft, Perfusion auf den Blutfluss zu den Lungenbläschen. Im Idealfall gelangt ausreichend Sauerstoff aus der Luft in die Blutbahn, um für eine optimale Sauerstoffsättigung zu sorgen. Jedoch können zwei Faktoren ein Ungleichgewicht verursachen, wodurch die oberen Anteile der Lunge mehr Luft (hohe Ventilation), die unteren Anteile hingegen mehr Blut (hohe Perfusion) erhalten: die Mundatmung und die Schwerkraft. Tritt ein solches Ungleichgewicht zwischen Ventilation und Perfusion auf, kann der Körper den Sauerstoff in den Lungen schlechter nutzen, was eine mangelnde Versorgung mit Sauerstoff zur Folge hat.
NO ermöglicht ein deutlich effizienteres Gleichgewicht zwischen Perfusion und Ventilation. Auf welche Weise geschieht das? Stickstoffmonoxid (NO) hat vasodilatatorische (gefäßerweiternde) Eigenschaften, das heißt, es regt die Blutgefäße in den Lungen (und in anderen Bereichen) dazu an, sich zu entspannen – durch derart erweiterte Gefäße kann dann also mehr Blut fließen. Die Nasennebenhöhlen sind um die Nase herum angeordnet und geben, wenn wir einatmen, Stickstoffmonoxid in unsere Atemwege ab. Wenn Sie durch die Nase einatmen, wird NO in die Lunge hinuntertransportiert, wo es dazu beiträgt, den Blutstrom gleichmäßiger zu verteilen. Das wirkt dem negativen Effekt entgegen, den die Schwerkraft auf den Blutfluss in der Lunge haben kann.
Mundatmung führt nicht nur zu einer flachen, schnellen Atmung (siehe Abbildung), sie lässt darüber hinaus das Stickstoffmonoxid aus der Nase nicht zur Wirkung kommen.
Wie wirkt NO im Körper?
In einem Beitrag von 2017 kamen Forscher zu dem Schluss, dass Stickstoffmonoxid im Hinblick auf viele zusätzliche Aspekte der Atmungsfunktion förderlich ist. Dazu gehören der Tonus (Grad der Anspannung) der glatten Bronchialmuskulatur, die Lungendurchblutung, die Schleimproduktion. Aber auch andere Prozesse wie die antioxidative Homöostase, die Entwicklung der Lunge und die lokale Abwehr spielen eine Rolle.
Insbesondere ist NO wesentlich für die Produktion einer lebenswichtigen Substanz namens Surfactant. Bei in den Lungen erzeugtem Lungensurfactant handelt es sich um ein komplexes Gemisch spezifischer Lipide, Proteine und Kohlenhydrate. Es verringert die Oberflächenspannung der Alveolen, erleichtert die Sauerstoffaufnahme im Blut und verhindert, dass die Lunge kollabiert. Außerdem beugt es einem Ödem (Flüssigkeitsansammlung im Lungengewebe) vor und ist essenziell für die Elastizität der Lunge. Veranschaulicht wird seine Funktion häufig durch einen Vergleich mit zwischen zwei Glasscheiben aufgetragenem Flüssigspülmittel. Die Seife ermöglicht es den zwei Scheiben, sich frei gegeneinander zu bewegen. In den Lungen ermöglicht Surfactant ein leichteres Atmen mit weniger Reibung; es ist elementar für unsere Fähigkeit zu atmen. Stickstoffmonoxid steuert die Produktion von Surfactant und sorgt dafür, dass es seine Funktion erfüllt. Aus diesem Grund wird das Gas oft bei der Behandlung von Frühgeborenen eingesetzt.
Nasenatmung und Stickstoffmonoxid als Krankheitsabwehr
1999 berichteten Lundberg und Weitzberg, dass Stickstoffmonoxid die Vermehrung verschiedener Krankheitserreger hemmt, darunter Bakterien und Viren. Das weist darauf hin, dass Stickstoffmonoxid in den oberen Atemwegen dazu dienen könnte, den Körper vor Infektionen zu schützen.
Während die Welt gegen die neuartige, durch das Coronavirus Sars-CoV-2 verursachte globale Pandemie kämpft, gewinnt der Zusammenhang zwischen Stickstoffmonoxid und Atemwegsinfektionen an Relevanz. Forschungen zum ersten SARS-Virus haben ergeben, dass NO die Nebenhöhlen frei von Keimen hält. In einem Forschungspapier von 2012 mit dem Titel „Evidence for the Cure of Flu through Nose Breathing“ (auf Deutsch »Belege für die Heilung grippaler Infekte durch Nasenatmung«) heißt es, dass Grippepatienten von Nasenatmung profitieren. Das deckt sich mit früheren Studien, die zeigten, dass NO gegenläufige Wirkungen bei Infektionen wie Lungenentzündungen und Grippe hat.
Bei einem 2009 durchgeführten Laborexperiment stellte man fest, dass NO die Replikation (Vermehrungsvorgang) von SARS-Viren auf zwei Arten hemmt. Tatsächlich hemmt NO sogar die Replikation ganz verschiedener Viren. Während die Untersuchung von 2009 sich nicht speziell dem Einsatz von nasalem Stickstoffmonoxid widmete, fand man im Rahmen früherer Forschungen zu Erkältungskrankheiten heraus, dass wir mehr NO in der Nase und den Atemwegen produzieren, wenn Rhinoviren vorhanden sind. Das deutet darauf hin, dass der Körper NO zur Virenabwehr nutzt.
Was bewirkt NO-Beatmung bei Covid-19?
Einem wissenschaftlichen Fachartikel ist zu entnehmen, dass Therapien zur Steigerung der NO-Werte, etwa durch Inhalation von NO als Gas, die Oxygenierung bei COVID-19-Patienten erhöhen und ihren allgemeinen Gesundheitszustand verbessern könnten. Bezeichnenderweise wird in dem Beitrag auch auf Lebensstilfaktoren hingewiesen, die eine Reduktion des NO in den Atemwegen zur Folge haben. Dazu gehören insbesondere Mundatmung und Rauchen. Die Forscher argumentieren, dass die Kombination von Nasenatmung und gutem Schlaf mit einem gesunden Lebensstil zu einer Senkung der Viruslast beitragen könnte. Im selben Beitrag werden Fallberichte erwähnt, nach denen das Verschließen des Mundes während des Schlafs mit einem Klebeband das Erkältungsrisiko senkt. Das könnte auf die Befeuchtungs- und Filterwirkung der Nase zurückzuführen sein.
Es wird außerdem angenommen, dass eine Zunahme von NO in den Atemwegen die Viruslast im Schlaf senken und das Immunsystem ankurbeln könnte. Der Beitrag berichtet, dass sowohl stetige als auch zeitweilige Mundatmung die Wirkung von NO einschränken könnte. Das ermöglicht eine »ungehinderte Virenreplikation«. Die Autoren kommen zu dem Schluss, dass »Mundatmung während des Schlafs daher die Symptome von COVID-19 verschlimmern könnte«.
Autor: Patrick McKeown
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