Mit einem Screening lassen sich Schwachstellen aufdecken, die dann gezielt trainiert werden könne. Die Säulen einer umfassenden und gesunden Beweglichkeit sind Mobilität, Stabilität und Körperkontrolle. Durch unseren Alltag, der zum großen Teil aus Sitzen besteht, wird unsere Beweglichkeit jedoch stark eingeschränkt und verkümmert im schlimmsten Fall.
Was macht eine gesunde und umfassende Beweglichkeit aus?
Eine gute Mobilität ist weit mehr als der bloße Bewegungsumfang eines Gelenks. Eine gute Beweglichkeit ermöglicht es uns, Bewegungen kraftvoller, schneller, ökonomischer und besser auszuführen. Schauen wir uns ein Beispiel aus der Praxis an, um dies zu verdeutlichen: Sie wollen in Ihren Trainingsplan die Kniebeuge integrieren. Damit Sie diese Übung sauber ausführen können, benötigen Sie eine gute Mobilität, Stabilität und Körperkontrolle.
Diese drei Fähigkeiten besitzen Sie, wenn Sie beim Kniebeugen in der Lage sind, die Fersen am Boden zu halten und der Po in der Endposition gleichzeitig tiefer als die Knie ist. Dass Mobilität allein nicht ausreicht, um bestimmte Bewegungen auszuführen, erkennt man zum Beispiel daran, wie kleine Kinder das Laufen lernen. Gesunde Kinder kommen mit einer guten Beweglichkeit zur Welt. Doch ihnen fehlt es an Stabilität und Körperkontrolle. Erst wenn alle drei Fähigkeiten ausgebildet sind, funktioniert die Fortbewegung reibungslos. Daher sind Mobilität, Stabilität und Körperkontrolle gleichermaßen von Bedeutung.
Die Grundlagen für effiziente Bewegungen
Damit wir uns effizient bewegen können, benötigen wir eine gut ausgebildete Mobilität, Stabilität und Körperkontrolle. Eine hohe Mobilität ist gekennzeichnet durch das optimale Zusammenspiel der an der Bewegung beteiligten Muskeln. Sie reicht aber allein nicht aus, um Bewegungsmuster effizient ausführen zu können. Erst, wenn das Zusammenspiel von Mobilität, Stabilität und Körperkontrolle funktioniert, bewegen wir uns effizienter und müssen weniger Kraft aufwenden. Unser Bewegungsapparat wird weniger belastet und wir senken das Verletzungsrisiko. Denken Sie nun einmal an ein Gummiband. Wenn Sie es spannen, ist es sehr flexibel und dehnbar. Machen Sie jedoch einen Knoten in das Gummiband, verliert es an Elastizität und die Energieaufnahme ist gestört.
Auf den Körper übertragen bedeutet dies: Durch unsere vorwiegend einseitigen Belastungen im Alltag – wie etwa stundenlanges Sitzen – „verklebt“ unser Gewebe. Unsere Muskulatur wird fest und unflexibel, schmerzhafte Verhärtungen sind die Folge. Werden Sie sich darüber bewusst, wie wichtig es ist, über elastisches Gewebe zu verfügen. Wenn Sie dieses nicht regelmäßig pflegen, kann dies zu sog. Triggerpunkten führen. Durch einen Triggerpunkt steigt die Spannung im gesamten Muskel an. Das beeinträchtigt die Mobilität und Stabilität und führt häufig auch zu Muskeldysbalancen. Diese Dysbalancen führen wiederum häufig zu ungewollten Ausweichbewegungen in der eigentlichen Bewegung, wodurch einige Muskeln überlastet werden und so weitere Triggerpunkte entstehen.
Behandlung von Triggerpunkten
Es gibt verschiedene Tools, mit denen Sie Triggerpunkte selbst behandeln können, z. B. Triggersticks, Faszienrollen und -bälle. Eine Auflösung von Triggerpunkten ist für das Beweglichkeitstraining enorm wichtig. Wird ausschließlich die Beweglichkeit trainiert, fällt der Muskel wieder in die erhöhte Muskelanspannung zurück. Nach der Auflösung eines Triggerpunktes ist es wichtig, die betroffene Region zu kräftigen und weiterhin die Mobilität zu trainieren. Löst sich die Verhärtung durch die Kombination aus Beweglichkeitstraining und Triggerbehandlung mit Stick, Rolle oder Bällen nicht zeitnah auf, sollten Sie einen Therapeuten aufsuchen
Was ist ein Screening?
Vielen Kunden, die ins Fitnessstudio oder zum Personal Training kommen, ist gar nicht bewusst, dass es ihnen an Flexibilität, Stabilität und elastischem Gewebe mangelt. Doch ein Körper kann ineffizient arbeiten, ohne dass man es bewusst spürt. Dadurch, dass wir tagtäglich so viel sitzen, vernachlässigen wir unsere natürlichen Bewegungsmuster. Dies führt häufig zu einem unbewussten Ungleichgewicht in den natürlichen Bewegungsmustern, was unser Körper mit nicht erwünschten Ausweichbewegungen kompensiert. Diese sind für das ungeschulte Auge oft nicht erkennbar. Die Folge sind Verspannungen oder sogar Verletzungen.
Wie lässt sich das verhindern? Dafür muss man zunächst ermitteln, ob es Ausweichbewegungen und Schwachstellen in der Bewegung gibt. Spezielle Tools und Screening-Verfahren können dabei unterstützen.
Functional Movement Screening
Ich selbst bin auf das Thema „Screening“ durch einen Kreuzbandriss aufmerksam geworden. Zur Zeit der Verletzung war ich gerade als ambitionierter Triathlet (Ironman) unterwegs. Danach war lange Zeit ein schmerzfreies Joggen nicht mehr möglich. Klassisches Krafttraining mit Muskelaufbau brachte nicht den gewünschten Erfolg. Ich suchte mehrere Kniespezialisten auf. Alle kamen zum selben Ergebnis: Ohne OP würde ich nicht mehr schmerzfrei joggen können. Doch mein Bauchgefühl sagte mir, dass es eine andere Lösung gibt. Ich suchte intensiv nach Möglichkeiten, wieder schmerzfrei zu werden, und entdeckte den „Functional Movement Screen“. Dieser testet die Fähigkeit, grundlegende Bewegungsmuster ohne Einschränkungen auszuführen. Um tiefer in das Thema einzutauchen, absolvierte ich eine Fortbildung zum Thema „Athletiktraining“. Dort lernte ich das Konzept „Testen – Trainieren – Korrigieren – Regenerieren“ kennen.
Die entsprechende Testreihe besteht aus acht funktionellen Bewegungsmustern, angelehnt an den Functional Movement Screen von Gray Cook – ein standardisiertes und weltweit bekanntes Verfahren zur Analyse von grundlegenden Bewegungsmustern. Als ich die Testreihe durchführte, kamen einige Schwachstellen ans Licht, die ich im Training nie wahrgenommen hatte. Um diese Schwachstellen zu beseitigen, führte ich spezielle Übungen u. a. für die Beweglichkeit durch und schaffte es so, wieder völlig schmerzfrei zu werden. Obwohl mir im linken Knie mein linkes vorderes Kreuzband fehlt, laufe ich heute wieder völlig schmerzfrei auch Strecken von 30 Kilometern.
Das Prinzip der Individualisierung
Unser Alltag wird durch eine gebeugte Haltung und einseitige Belastungen bestimmt. Dies geht nicht spurlos an uns vorüber; Schwachstellen in unserer Bewegung entstehen. Diese sollte man vor Erstellung eines Trainingsplans anhand eines Screenings testen. Ohne ein Screening gleicht das Training einem Blindflug. Es besteht die Gefahr, dass durch eine falsche Übungsauswahl nicht bekannte Schwachstellen sogar verstärkt werden, was später zu unnötigen Verletzungen oder Schmerzen führen kann.
Werden in einem Screening Auffälligkeiten festgestellt oder treten Schmerzen auf, sollte ein medizinischer Experte hinzugezogen werden. Ein Standardprogramm ist nicht die ideale Lösung. Durch ein Screening kann der Trainer die Schwachstellen des Kunden aufdecken und das Trainingsprogramm optimal anpassen. Dadurch trainiert der Kunde effizienter und effektiver. Nachhaltig werden diese Maßnahmen jedoch nur dann, wenn sie zumindest zweimal im Jahr, besser alle drei Monate als Re-Tests durchgeführt und die Ergebnisse konsequent ins Training integriert werden. Nur so wird das Prinzip der Individualisierung wirklich erfüllt und die Trainingsergebnisse optimiert.
Fazit: Screening bei Sportlern
Wenn Sie Ihre Beweglichkeit nicht so wie Ihre Zähne regelmäßig pflegen, geht sie verloren und kann orthopädische Probleme verursachen. Wichtig: Ihre fundamentalen Bewegungsmuster gewinnen Sie nur zurück, wenn Sie diese regelmäßig trainieren und mit einem klugen Krafttraining kombinieren. Ein Screening bietet dafür eine gute Basis. Es ist ein idealer Einstieg für eine regelmäßige Bestimmung des Ist-Zustandes. Mit geringem Aufwand kann ein Maximum an Informationen gewonnen werden – stets mit dem Ziel vor Augen, das Risiko für Verletzungen zu minimieren und die Leistung optimal zu steigern. Denn verletzungsfrei zu trainieren ist die wichtigste Voraussetzung für den persönlichen Erfolg.
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Autor: Der begeisterte Laufsportler Kai Saerbeck ist Personal Trainer und Projektmanager bei Valitudo in Münster. Er verhilft seinen Kunden zu einer schmerzfreien Bewegung durch mehr Beweglichkeit.