Philipp Rauscher im Interview: Gesunde Ernährung im Sport

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Wie Sportler und Athleten ihre Ziele erreichen, hängt auch maßgeblich von der optimalen Ernährung ab. Ernährungsberater, Krafttrainer, Autor und Dozent Philipp Rauscher erklärt in diesem Interview, was man beachten sollte und worauf es wirklich ankommt, wenn man die perfekte Muskeldefinition und Körperzusammensetzung erreichen will.

Hallo Philipp. Schön, dass du da bist. Erzähl uns etwas über dich!

Mein Name ist Philipp Rauscher. Ich bin 33 Jahre alt und seit über 10 Jahren vornehmlich als Ernährungscoach tätig.

Warum bist du Ernährungsberater? Was treibt dich an?

Ursprünglich angetrieben hat mich mein eigener sportlicher Ehrgeiz. Ich habe nach Möglichkeiten gesucht, meine Leistungsfähigkeit im Training weiter zu unterstützen. Eine Ernährungsanpassung ist da natürlich das Naheliegendste. Nach und nach habe ich immer mehr erkannt, welches unglaubliche Potential in diesem Bereich liegt. Nach und nach habe ich mich dann immer mehr dem Leistungssport zugewandt.

Wie kamst du zu deiner Buchidee und was hat dich dazu bewogen, dieses Buch zu schreiben?

Mein erstes Buch zu diesem Thema ist 2009 im Eigenverlag auf den Markt gekommen. Das war damals dann aber auch schon über 8 Jahre her. Es wurde also Zeit, das ganze Thema neu aufzurollen und zu aktualisieren. Im Eigenverlag wollte ich das aber nicht mehr veröffentlichen. So sind viele Teile des Skripts dann mehr oder minder brach gelegen.

Als mich der riva Verlag angesprochen hatte, kam mir das dann gelegen. So war dann auch wieder Struktur im ganzen Projekt und ich habe das Ding dann endlich in Reinschrift gebracht. Der riva Verlag hat dann entsprechend für eine professionelle Umsetzung gesorgt.

Was oder wer hat dich dabei inspiriert?

Die wirkliche Inspiration hat sich hauptsächlich aus Eigeninteresse und der Arbeit mit leistungsorientierten Kraftsportlern heraus entwickelt.

Welche Kernaussage möchtest du deinen Lesern vermitteln?

Letztlich ist es eine wissenschaftlich fundierte Basisanleitung, worauf es bei einer Kraftsport-Ernährung wirklich ankommt. Von diesem Punkt aus sollte dann jeder in der Lage sein, aus dieser Basis heraus eine eigene individuelle Lösung ausarbeiten zu können.

Sind in Sachen „Gesunde Ernährung“ allgemein gültige Aussagen bzw. Empfehlungen überhaupt sinnvoll?

Nein. Ich halte das im Buch wie auch in jeder Beratung immer gleich. Die Grundlage sollte eine evidenzbasierte Vorgehensweise sein. Evidenz könnte man dann einfach ausgedrückt so beschreiben, dass die Wahrscheinlichkeit, dass eine bestimmte Intervention auch bei dir funktioniert, sehr hoch ist. Es ist aber keine Garantie dafür.

Daher sollte jegliche Empfehlung eine möglichst hohe Evidenz aufweisen und von diesem Punkt aus müssen dann Individualitäten berücksichtigt werden. Die meisten Menschen glauben auch, dass eine gute Ernährung in erster Linie von Faktoren abhängt wie Kalorien, Makronährstoffe usw. Doch das ist nur die eine Seite. Zusätzlich kommen noch die Konsistenz, jede Menge Psychologie und die Praktikabilität dazu. Von individuellen Faktoren ganz zu schweigen.

Es gibt also sicherlich wichtige Eckpfeiler einer gesunden Ernährung, wie etwa eine Vermeidung chronisch überkalorischer Energiezufuhr und die Deckung aller essentiellen Nährstoffe. Aber ein „Magic Bullet“, der für alle in gleichem Maße gilt und funktioniert, ist utopisch.

Was mich auch schon zu meinem größten Kritikpunkt all derjenigen bringt, die sich nur auf Studien verlassen bei der Ernährungsplanung.

Für die meisten Menschen ist gesunde Ernährung mit viel Mühe und höheren Kosten verknüpft. Wie siehst du das?

Nicht unbedingt. Wichtig ist es, die eigene gesunde Ernährung schrittweise aufzubauen, ohne sich dabei zu überfordern. Beginne lieber mit wenigen Veränderungen, die dir eher leicht fallen und arbeite dich dann zu komplexeren Themen nach oben, anstatt zu versuchen, von heute auf morgen alles „perfekt“ machen zu wollen.

Aus finanzieller Sicht heraus gesehen muss man hier dann einfach die Prioritätsfrage stellen. Wenn man sieht, wie viele Leute viel Geld für Luxus ausgeben, sich dann aber darüber beschweren, dass hochwertige Lebensmittel eben auch Geld kosten, muss man sich einfach selbst hinterfragen, wie viel einem die eigene Gesundheit und Leistungsfähigkeit wert ist. Markenklamotten sind nun mal auch teurer als Klamotten vom Discounter. Warum sollte das bei Lebensmitteln anders sein?

Was war für dich die wichtigste positive Veränderung/Erkenntnis der letzten Jahre aus deinem Spezialgebiet?

Ganz klar, die stärkere Einbeziehung psychologischer Faktoren und der Übertrag auf den Coachingprozess selbst. Coaching bedeutet nicht, einfach nur Ernährungspläne zu verteilen, sondern Strategien zu entwickeln, bestimmte allgemein gültige Interventionen in einen individuellen Alltag einzufügen. Den Coachee dabei zu begleiten.

Was ist der bessere Weg, um abzunehmen: Diät oder Fitnessstudio?

Ernährung oder Training? Beides! Fettabbau ist immer eine Sache einer negativen Energiebilanz. Diese erreicht man entweder, indem man seine Energiezufuhr reduziert oder den Energieverbrauch erhöht. Oder die Kombination von beidem. In einem ersten Schritt ist die diätetische Steuerung sicherlich die effektivere Maßnahme.

Um Muskelmasse zu erhalten, kommt man dann um ein Krafttraining nicht herum. Und insgesamt: Bewegungsarmut ist mit das Grundübel für viele Zivilisationserkrankungen. Daher gehört ausreichend Bewegung zum Gesamtbild einfach dazu. Das muss nicht immer nur das Fitnessstudio sein. Das können und sollten vor allem auch Maßnahmen aus dem Alltag sein.

Wie wichtig ist dabei das „Kalorienzählen“?

Wenn jemand nicht gerade Leistungssportler in unmittelbarer Wettkampfvorbereitung ist, bin ich kein Freund davon, alles perfekt zu tracken und abzuwiegen. Letztlich lernt man durch Kalorienzählen langfristig eben nur, wie man Kalorien zählt. Das mag auch zu Beginn eines Umstellungsprozesses hilfreich sein, um den Menschen vor Augen zu führen, wie die Ernährung im Moment aussieht und wie sie aussehen sollte.

Auf Dauer ist es in meinen Augen wichtiger, Strategien zu entwickeln, die das Körpergefühl verbessern und Appetit, Sättigung und Leistungsfähigkeit positiv beeinflussen. Schafft man das, kann man problemlos das ganze Jahr über in schöner Schwimmbadform herumlaufen. Auch ohne Kalorien zu zählen.

Worin siehst du die größte Gefahr/Fehlentwicklung?

Definitiv in der reinen Fokussierung eben auf das Kalorienzählen und die rein wissenschaftliche Komponente. Studien beschreiben immer nur die Beobachtung einer bestimmten Population, werden dann aber häufig gerne verallgemeinert und auf andere Populationen übertragen. Das sorgt häufig für viel Frust und Verwirrung. Der Stoffwechsel eines Sportlers funktioniert nun mal in der Regel anders, als der einer übergewichtigen Person mit Bewegungsmangel.

Das soll nun auch nicht falsch verstanden werden. Wer mit Kalorienzählen usw. klar kommt, kann das gerne tun. Aber spätestens, wenn die jungen Studentenjahre vorbei sind und man sich im Joballtag und mit Familie wiederfindet, wird das strikte Kalorienzählen entweder fast unmöglich oder nur ein zusätzlicher Stressor, der eigentlich vermieden werden könnte.

Es ist fast schon traurig, dass es meinen Job überhaupt gibt. Denn die Ernährung ist eigentlich mit das Fundamentalste in unserem Leben. Und genau damit kommen wir heute nicht mehr klar. Was die stetig ansteigende Rate ernährungsbedingter Krankheiten leider eindrucksvoll belegt.

Wie gehst du mit dem Thema „Scheitern“ um? Welche Rolle spielt dabei der Kopf bzw. die mentale Stärke?

Jeder Mensch scheitert und macht Fehler. Das ist kein Problem. Wichtig ist nur, dass man daraus lernt. Und auch weiß, wie man mit Rückschlägen umgeht. Gerade in solchen Situationen ist es wichtig, sich nicht selbst zu überfordern, sondern mit kleinen Umstellungen zu beginnen, die dann nach und nach zur Routine werden. Wer es zum Beispiel gewohnt ist, ausreichend Eiweiß zu essen, dessen Fehlerquote wird auf Dauer immer geringer. Das benötigt natürlich Zeit. Die härteste mentale Komponente ist daher für viele, Geduld zu bewahren.

Fleisch, Nudeln, vegan? Was kommt bei dir auf den Teller? Welche Rolle spielt für dich die Ernährung und worauf achtest du besonders?

In erster Linie achte ich darauf, Lebensmittel zu wählen, die eine kurze oder gar keine Zutatenliste besitzen. Die Zutatenliste von einem Steak ist eindeutig: Rindfleisch. Die Zutatenliste von einem verarbeiteten Wurstprodukt hingegen nimmt fast die gesamte Rückseite der Verpackung ein. Daher versuche ich hiervon möglichst wenig zu essen.

Ansonsten ist mir auch der ethische Aspekt der Ernährung wichtig. Ich versuche so hochwertig wie möglich einzukaufen. Das bedeutet auch, die Haltungs- und Produktionsbedingungen im Hinterkopf zu haben. Das klappt leider nicht immer. Aber ich versuche mein Bestes in jeder Situation. Ich würde mich also in keine bestimmte Richtung einordnen.

Tendenziell komme ich mit einer Low-Carb-Ernährung am besten zurecht. Hier fühle ich mich am besten. Mental und physisch. Ich bin hier aber nicht komplett dogmatisch und kann mich hier auch einzelnen Situationen anpassen, ohne gleich meine gesamten Grundwerte über den Haufen werfen zu müssen.

Ernährst du dich selbst konsequent gesund, oder darf‘s auch mal eine Pizza mit extra Käse sein?

Ich würde sagen, 80-90% meiner Ernährung ist schon als recht gesund einzustufen. Das ist mittlerweile einfach zur bereits angesprochenen Routine geworden, sodass mein Verlangen nach Junkfood eher gering ist. Wenn, dann habe ich eher eine Schwäche für Süßes und esse dann ganz gerne mal Schokolade.

Was sind die drei wichtigsten Faktoren, damit du deinen Job gut machen kannst?

Das ist eine gute Frage. Aber ich denke, am Wichtigsten ist es, offen für Neues zu bleiben und sich immer weiterzuentwickeln. Auch wenn das bedeutet, dass man seine Meinung im Laufe der Zeit korrigieren muss. Dazu kommt eben noch die Beachtung des großen Ganzen bei einer Ernährungsumstellung. Meist ist das eben nicht nur die Summe einzelner Teile.

Wie sieht deine „Daily Routine“ aus? Beschreibe uns einen typischen Tag!

In der Regel stehe ich zwischen 5:00 Uhr und 6:00 Uhr auf. Jeder Tag beginnt für mich eigentlich grundsätzlich mit einer kalten Dusche. Dann beginne ich im Normalfall mit meiner Arbeit. Auf Frühstück verzichte ich in der Regel. Ich bin morgens nicht hungrig und entwickle im Laufe des Vormittags nüchtern eine stärkere „mentale Schärfe“ und kann mich besser auf Dinge fokussieren und konzentrieren. Doch auch hier bin ich nicht dogmatisch unterwegs. Habe ich am Abend zuvor eine intensive Trainingseinheit absolviert und werde im Laufe des Vormittags hungrig, dann esse ich entsprechend etwas.

Zwischen 12:00 Uhr und 14:00 Uhr esse ich aber normalerweise meine erste Mahlzeit. Die besteht dann aus viel Protein, Gemüse, hochwertigen Fetten und einem Stück Obst. Das könnte also zum Beispiel Lachs mit gemischtem Gemüse sein und einer Tasse voll Beeren oder Fleisch mit einem großen Salat mit Olivenöl und einem Apfel. Es muss aber nicht immer Fleisch sein. Oftmals esse ich auch vegetarisch oder auch vegan. Dann wird es meist viel Gemüse, ein Obstsalat und ein veganer Proteinshake oder ähnliches.

Dann geht es nochmals an die Arbeit und am Spätnachmittag geht es dann an 3-4 Tagen pro Woche zum Krafttraining.

Abends esse ich dann für gewöhnlich mit meiner Frau und meinen Kindern. Das sieht eigentlich recht ähnlich aus wie am Mittag. Ist aber recht flexibel.

Generell versuche ich, wann immer es möglich ist, einen Spaziergang an der frischen Luft zu machen. 30-60 Minuten. Je nachdem, wie das Wetter ist und wie es die Zeit zulässt. Zwischen 21:00 Uhr und 22:00 Uhr heißt es dann „Lights out“.

Wenn du es dir aussuchen dürftest: Mit wem würdest du gerne mal zusammenarbeiten und wieso?

Interessant ist sicherlich Conor McGregor. Das wäre noch einmal eine ganz neue Herausforderung. Oder zu dessen aktiven Zeiten mit Rich Froning. Aber um ehrlich zu sein, habe ich meine vorgenommenen Meilensteine schon in die Tat umgesetzt. Das war zum einen die Begleitung eines Fußball-Bundesliga-Teams und das Mitwirken an einer Olympiaqualifikation einzelner Athleten. Das war von 2006 an mein großes Ziel, auf das ich hingearbeitet habe. Ich wollte mich immer verbessern, damit ich irgendwann solche Angebote bekomme und mich nicht bewerben oder aufdrängen muss.

Gibt es eine Lieblings-App?

Wenig. Für mein Training nutze ich gerne die Dr. Muscle App. Für Fokus bei der theoretischen Arbeit ist Brain.Fm mein Favorit.

Hast du schon Ideen für dein nächstes Projekt? Worauf dürfen wir uns als nächstes freuen?

Ich habe mir in den letzten Jahren noch ein zweites Standbein im Bereich Business Development aufgebaut und Personal Trainern dabei geholfen, ein funktionierendes Business aufzubauen. Hieran arbeite ich gerade schwerpunktmäßig. Daher stehen größere Projekte im Ernährungsbereich gerade etwas hinten an.

In der Pipeline ist im Moment noch ein Coaching-Produkt für Amateurfußballer und 2019 möchte ich ein ähnliches Produkt für Triathleten launchen.

Jetzt Anfang Oktober kommt zudem noch ein Buch über Nahrungsergänzungen – ebenfalls über den riva Verlag – raus. Dann sollte man zunächst einmal gut versorgt sein.

Und zum Abschluss: Was liest du gerade? Hast du einen Literaturtipp für das Wochenende?

Charles Duhigg mit der „Macht der Gewohnheit“ ist ein Dauerbrenner. Das sollte man unbedingt lesen, wenn man irgendwelche Veränderungen in seinem Leben vornehmen möchte. Dazu noch „Die 7 Wege zur Effektivität“ von Stephen R. Covey. Es wird also ersichtlich, dass die Grundlage jeder dauerhaften Ernährungsumstellung auf psychologischen Säulen und der eigenen Einstellung beruhen.

Wir bedanken uns für das tolle Gespräch und wünschen Philipp Rauscher alles Gute für seine Zukunft!

Philipp Rauschers Webseite:  www.fitpreneur.de

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Über den Autor

Trainingsworld

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