Crossfit: Fitness neu definiert?

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Schon oft sind Wellen von „neuen“ Sport- und Fitnessthemen nach Europa geschwappt. Derzeit rollt eine weitere an und verbreitet sich rasend schnell: Crossfit – ein Training an der Grenze der Belastbarkeit. Mehr dazu erfahren Sie im folgenden Beitrag!

Diesmal geht es jedoch nicht um neue Tanz- oder Aerobic-Kurse wie Tae-Bo, Zumba oder ähnliche spaßorientierte Angebote. Hier sieht man Menschen, die sich an die Grenze der Belastbarkeit trainieren. Das Erreichen der körperlichen Grenzen ist ein wichtiger Bestandteil dieser Trainingsmethode – und gleichzeitig einer der Kritikpunkte. Crossfit wird zunehmend angeboten – ob es dabei ausreicht einen Athleten „müde“ zu trainieren und an seine Leistungsgrenze zu führen ist ein zentraler Diskussionspunkt. Das aus den USA stammende Crossfit wurde ursprünglich von Spezialeinheiten der US-Armee und der Polizei sowie der Feuerwehr eingesetzt, um diese auf harte, körperlich anstrengende Einsätze vorzubereiten.( 1) Auch in Deutschland sind es beispielsweise Feuerwehrmänner, die zu den ersten Enthusiasten gehörten und in Berlin eine eigene Crossfit-Sektion gegründet haben.

  

Was genau ist Crossfit?

Wenn man Hallen oder Räume betrachtet, in denen Crossfit trainiert wird, sind diese nicht zu vergleichen mit den bekannten Fitnessstudios. Neben bekannten Trainingsmitteln, wie Langhanteln oder Klimmzugstangen finden sich auch ungewöhnlichere „Trainingsgeräte“ wie Traktorenreifen oder Sandsäcke.(1) Aber auch Taue, Springseile, Medizinbälle und Turnringe werden in dieser Trainingsform genutzt. Dabei besteht Crossfit ursprünglich aus einer Kombination der effektivsten Übungen aus Gewichtheben, dem Turnen und der Leichtathletik. Allerdings geht es bei der Kombination nicht immer um das bekannte Training in Sätzen oder einer bestimmten Anzahl von Wiederholungen. Das Training wird meistens in Kleingruppen organisiert und besteht aus verschiedenen Komponenten. Dabei spielen sowohl Übungen wie das Umsetzen und Ausstoßen aus dem Gewichtheben als auch kurze Sprints und Medizinballwerfen aus der Leichtathletik eine große Rolle. Auch an Ringen werden Halteübungen wie der L-Stütz in das Trainingskonzept eingebaut.(1) Das Konzept ist insgesamt als Franchise- System aufgebaut, bei dem Lizenzgebühren von ca. 3000 US-Dollar pro Jahr fällig werden, wenn eine Trainingsstätte unter dem Crossfit-Logo betrieben werden soll. Waren es 2005 gerade mal 18 „Studios“, gibt es aktuell weltweit über 2700 Einrichtungen.

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Das Training des Tages

Die Übung des Tages ist ein zentraler Bestandteil einer Trainingseinheit. Dabei gibt es beispielsweise „the Girls“ – feste Übungskombinationen, die in einer bestimmten Choreografie trainiert werden müssen. Dazu schreibt ein Trainer zu Beginn der Einheit den Namen und eine Zahlenkombination auf eine Tafel. 50 – 50 – 40 – 40 – 30 – 30 zusammen mit dem Namen „Fran“ bedeutet, dass eine Kombination aus tiefer Frontkniebeuge mit Ausstoß à 50 Wiederholungen durchgeführt wird, um dann direkt anschließend 50 Klimmzüge zu absolvieren. Im Nächsten Durchgang wird dann die Wiederholungszahl um 10 reduziert, in derselben Reihenfolge ausgeführt. Eine Pause gibt es dabei nicht. Die Übungsausführung wird z. T. stark abgefälscht, die Intensität ist durchgängig sehr hoch. Daraus leitet sich ab, dass Trainingseffekte in erster Linie auf der Ebene metabolischer Anpassungen zu erwarten sind.

 

Trainingsmythos: Viel hilft viel!

Wenn es um die Effektivität eines Trainings geht, müssen einerseits die Übungen selbst betrachtet werden und andererseits die Trainingsmethoden, mit denen diese Übungen durchgeführt werden. Und genau hier liegt eines der Probleme im Crossfit-Training. Die Übungen für sich genommen gehören zweifelsfrei zu den grundlegendsten und effektivsten Übungen im Training. Ohne tiefe Kniebeugen, Reißkniebugen, Klimmzüge und andere, kann kaum ein komplexes Training abgehalten werden. Auch Läufe, Sprünge und Würfe sind wichtige Komponenten eines Trainings. Beim Crossfit werden diese Übungen nun kombiniert und zudem bis zur maximalen Ausbelastung durchgeführt.(1) Das Ziel soll sein, so die Maximalkraft, die Kraftausdauer, die Koordination, sowie die Schnellkraft und die Schnelligkeit zu verbessern. Auf der Ebene der physiologischen Einflussgrößen der einzelnen Komponenten ist dies so jedoch nicht möglich, da die einzelnen Zielgrößen getrennt voneinander trainiert werden müssen. Da die gewünschten Anpassungen zum Einen auf neuronaler Ebene ablaufen sollen und zum Anderen auf morphologische Anpassungen in der Muskelstruktur bzw. in der Energiebereitstellung abzielen, hemmen sich die verschiedenen Anpassungsmöglichkeiten gegenseitig.(2) Wenn z. B. neuronale Anpassungsreaktionen erwünscht sind und durch eine verbesserte Synchronisation, Frequenzierung, Rekrutierung und Inhibitionsabbau verbessert werden sollen, muss das Ausdauertraining in ausgeruhtem Zustand, mit geringer Wiederholungsanzahl und hoher Intensität durchgeführt werden.(2) Dies ist im aktuellen Trainingskonzept jedoch gar nicht vorgesehen! Es darf nicht davon ausgegangen werden, dass eine Kombination verschiedener Trainingsmethoden dazu führt, dass im Rahmen der Anpassung ein Optimum erreicht werden kann. Aus dem Pyramidentraining innerhalb des Krafttrainings ist bekannt, dass die unmittelbare Kombination von Methoden, die auf eine Maximalkraftentwicklung abzielen und solchen die zur Hypertrophie führen sollen, im Ergebnis dazu führen, dass nur noch die Hypertrophiereize in der Muskulatur zu Anpassungen führen.(2) Neuronale Anpassungen hingegen erfordern ein Training in ausgeruhtem Zustand mit geringer Wiederholungsanzahl.( 3) 

  

Auspowern um jeden Preis?

Mit dem Workout of the day (WOD) wird im Crossfit ein Anreiz geschaffen, eine maximale Leistung bis zur Erschöpfung zu erbringen. Dagegen ist zunächst einmal nichts einzuwenden. Allerdings müssen unerfahrene Sportler und Athleten mit großen beruflichen und privaten Anforderungen berücksichtigen, dass der Schlüssel zum Erfolg in einer ausreichenden Regeneration liegt. Kommt diese zu kurz, sind Übertraining und Übermüdung die Folge. Das Auspowern sollte also auf einige wenige Trainingseinheiten konzentriert werden. Mit einer intelligenten Trainingsplanung und individuellen Anpassungen kann die Substanz des Crossfit ein sehr erfolgversprechendes Trainingskonzept werden. Allerdings sind eine gute Grundfitness und ein betreutes Training die Grundvoraussetzung hierfür. Intelligente Trainingskonzepte erfordern jedoch die Abkehr von der Mentalität des Auspowerns um jeden Preis! Funktionell und trainingswissenschaftlich abgesichert, wie es in der Werbung oft versprochen wird, ist das bloße Aneinanderreihen von Übungen leider nicht.

 

Übungen sinnvoll zusammensetzen!

Allein das Gefühl, möglichst ermüdet zu sein, kann nicht als Qualitätszeichen für ein Training gewertet werden. Es zeigt sich, dass sinnvolle Übungen allein noch kein effektives Training ausmachen, sondern dass die bekannten Trainingsprinzipien durchaus eine wichtige Grundlage in der Strukturierung des Trainings sein können. Aus dem Kanon der Trainingsprinzipien sollten Sie dabei die unten im Kasten aufgeführten Tipps unbedingt in Ihrer Trainingsplanung berücksichtigen!

 

Fazit

Teilweise scheint es sich bei Crossfit um eine Bewegung mit quasi-religiösen Zügen zu handeln. Auspowern steht dabei im Vordergrund, ebenso wie der Kult um die „300“, einem Kinofilm gleichen Namens in dem es um Spartaner geht, die sich gegen eine Übermacht der Perser behaupten. Da sich die Schauspieler mit Crossfit in die körperliche Form und Fitness für den Film gebracht haben, steht 300 für die Anzahl der Wiederholungen, die in einem bestimmten „Workout of the day“ gemacht werden müssen. Hierbei stehen nicht trainingswissenschaftliche Erkenntnisse, sondern Motivation und der Willen der Athleten im Vordergrund. Allein die Diskussion um die Methodik, um Intensität und Umfang des Trainings muss weitergeführt werden, wenn es sich nicht nur um einen Trend handeln soll, sondern zukünftig zu einer etablierten Trainingsmethodik wachsen will – nicht mehr, aber auch nicht weniger!

 

Dennis Sandig

 

Fachsprache

 Trainingsprinzipien – sind Regeln, die helfen, Ihr Training zu systematisieren; je nach Autor finden sich 3–50 Prinzipien

 

Neuronale Anpassungen – beziehen sich auf trainingsbedingte Verbesserungen der neuronalen Strukturen, bestehend aus Motoneuron und Nervenleitbahn

 

Tipps für Ihr Training

– Die Übungen aus dem Crossfit können Sie in Ihr Fitnesstraining einbauen

– Geben Sie Ihrem Training eine eigene Struktur.

Maximalkraft, Koordination und Ausdauerschwerpunkte sollten Sie in unterschiedlichen Einheiten trainieren.

– Passen Sie das Training Ihren persönlichen Bedürfnissen an.

Literatur:

1. The Crossfit Journal, 2002, Bd. 3, S. 2–8

2. Schmidtbleicher, D. (2003): Motorische Eigenschaft Kraft: Struktur, Komponenten, Anpassungserscheinungen, Trainingsmethoden und Periodisierung. In: W. Fritsch (Hrsg.), Rudern – erfahren, erkunden, erforschen. Gießen: Sport Media Verlag. S. 15–40

3. Deutsche Zeitschrift für Sportmedizin, Bd. 27 (7+8), S. 223 –234

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Über den Autor

Dennis Sandig

Dennis Sandig arbeitete als Sportwissenschaftler am Institut für Sportwissenschaften der Julius-Maximilians Universität in Würzburg. Aktuell ist er bei der Deutschen Triathlon Union als Wissenschaftskoordinator und Referent für Bildung zuständig, sowie für das umfassende Aus- und Fortbildungsprogramm für Coaches im Triathlon.

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