Powernapping: Ausreichend Schlaf gilt als wichtiger Faktor für die Regeneration nach anstrengenden Trainingseinheiten. Gerade bei leistungsorientierten Sportlern ein Schlafentzug jedoch sehr häufig ist. Deshalb rücken Maßnahmen in den Mittelpunkt, die den negativen Auswirkungen von zu wenig Schlaf entgegentreten sollen. Eine dieser Maßnahmen ist das nachmittägliche Nickerchen – das Powernapping.
Schlafentzug bei Athleten
Eine optimale Balance zwischen Trainingsbelastung und Erholung spielt die zentrale Rolle im Prozess der Leistungssteigerung. In diesem Zusammenhang ist ausreichend Schlaf ein Garant sowohl für die Leistungsfähigkeit als auch für die generelle Gesundheit und Erholung. Während für gesunde Erwachsene etwa sieben Stunden Schlaf pro Nacht empfohlen werden, benötigen leistungsorientierte Sportler deutlich mehr. Etwa neun bis zehn Stunden pro Nacht.
Gerade bei Athleten ist ein geregelter Schlafrhythmus jedoch oftmals erschwert. Aufgrund einer Vielzahl von Faktoren – wie frühmorgendlichen Trainingseinheiten, steigenden Trainingsbelastungen, Reisen und damit verbundenen Jetlags – ist ein dieser Personengruppe ein häufig verbreitetes Phänomen. Schlafentzug und eine stark verkürzte Schlafdauer wirken sich nachweislich negativ auf die Stimmung, die Wachheit, die Reaktionszeit, das Kurzzeitgedächtnis, die Ausdauerleistung und auch auf die maximalintensiven Leistungen aus. Die Entwicklung von Maßnahmen, um einem Schlafentzug entgegenzutreten, ist daher vor allem bei Sportlern essenziell.
Was heißt Powernapping?
An diesem Punkt kommt das Powernapping ins Spiel. Dem „Nickerchen am Nachmittag“ wird als einfache und nichtinvasive Methode zugeschrieben, den negativen Auswirkungen von Schlafentzug entgegenzuwirken. Ob diese Annahme auch aus wissenschaftlicher Sicht bestätigt werden kann, wurde bereits in einer Vielzahl von Studien untersucht. Der aktuelle Forschungsstand wurde jüngst von einer Gruppe französischer und tunesischer Wissenschaftler in einem sogenannten systematischen Review zusammengetragen und in der renommierten Fachzeitschrift „Sports Medicine“ veröffentlicht.
Neben Einblicken in die generellen Auswirkungen von Powernapping auf die körperliche und geistige Leistungsfähigkeit von Sportlern interessierte die Autoren der Übersichtsarbeit zusätzlich der spezifische Einfluss der Schlafdauer sowie die Art des untersuchten Leistungsfaktors oder des Fitnesslevels der untersuchten Athleten. In die Übersichtsarbeit flossen 18 Einzelstudien mit insgesamt 326 Teilnehmern (53 Frauen und 273 Männer) ein.
Ist Powernapping gesund?
Die meisten der berücksichtigten Studien (n = 15) zeigten einen generellen positiven Effekt von Powernapping auf verschiedene Leistungsparameter. Das trifft sowohl nach einer Nacht mit normalem Schlafverhalten als auch nach einer kurzen Nacht mit wenig Schlaf zu. In Bezug auf maximalintensive Belastungen wie Sprints, Sprünge und Kraftübungen scheint der Effekt eines Powernaps nach einer Nacht mit wenig Schlaf am höchsten zu sein, während im Anschluss an eine normale Nacht nur für Serien wiederholter Sprints eine leistungssteigernde Wirkung festgestellt werden konnte.
Analog dazu verbesserte sich auch die Ausdauerleistung von Sportlern im Anschluss an sowohl einen 30- als auch 40-minütigen Nachmittagsschlaf – in diesen Untersuchungen war ebenfalls kein Effekt nach einer normalen Nacht erkennbar. Powernapping scheint sein Potenzial daher vor allem dann zu entfalten, wenn nachts verlorengegangener Schlaf nachgeholt wird. „Prophylaktischer“ Schlaf wirkt sich hingegen nur auf vereinzelte Leistungsfaktoren positiv aus.
Wie lange sollte ein Powernap dauern?
Eine weitere konsistente Erkenntnis der wissenschaftlichen Studien war, dass eine längere Dauer des Powernaps zu größeren Verbesserungen der körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit führt. So verbesserte eine kurze Schlafdauer von 25 bis 35 Minuten die Konzentration der Sportler nicht – eine längere Schlafdauer von 40, 45 und 90 Minuten hingegen schon. Interessanterweise stieg die Effektivität mit zunehmender Dauer des Powernaps an. Betrug die Steigerung der Aufmerksamkeit bei 40 bis 45 Minuten Schlaf noch 7,1 bzw. 7,5 Prozent, erhöhte sich dieser Wert nach 90 Minuten Powernapping sogar auf 9,2 Prozent.
Einen ähnlichen Trend zeigten Studien zur körperlichen Leistungsfähigkeit insbesondere bei Kraft- und Sprungkraftbelastungen sowie bei Serien mit wiederholten Sprints. Der Grund hierfür könnte die ausgeprägtere Tiefschlafphase (Non-REM-Phase) bei längeren Powernaps sein. Diese wirkt sich wiederum positiv auf die maximale Leistung und die Ermüdungsresistenz bei sich wiederholenden intensiven Belastungen aus. Zwei Studien beschäftigten sich mit der Aneignung sportspezifischer Fertigkeiten wie dem Jonglieren mit mehreren Bällen. Während eine der beiden Untersuchungen eine verbesserte Jonglierleistung nach 120 Minuten Powernapping zeigte, beschäftigte sich die zweite mit den Auswirkungen auf die Jonglier-Leistung am Tag nach dem Powernapping.
Im Vergleich zur Gruppe ohne Nachmittagsschlaf hatte sich die Schlafgruppe am Folgetag nochmals verbessert. Powernapping scheint also auf der einen Seite das motorische Lernen an sich zu untertützen. Auf der anderen Seite unterstützt es die Konsolidierung des motorischen Gedächtnisses während des nächtlichen Schlafs. Als Folge davon kann man sich sportspezifische Fertigkeiten schneller aneignen.
Kombinierter Nutzen von Tiefschlaf- und REM-Phasen
Während des Trainings und Wettkampfs müssen Sportler nicht nur körperlich leistungsfähig sein und über verschiedene Fertigkeiten und Techniken verfügen. Sie müssen auch fortwährend schnelle und korrekte Entscheidungen treffen. Vor diesem Hintergrund untersuchten japanische Wissenschaftler die Wirkung eines 30-, 60- und 90-minütigen Powernaps auf die exekutiven Funktionen mithilfe verschiedener Reaktionstests.
Die Reakionszeit verbesserte sich nur nach 90 Minuten Schlaf, während 30 und 60 Minuten Schlaf keine signifikanten Effekte mit sich brachten. Ähnlich waren die Ergebnisse einer weiteren Studie, in der sich die Aufmerksamkeit der untersuchten Sportler nach einem 40-minütigen Powernap um 2,3 Prozent und nach einem 90-minütigen sogar um 9,2 Prozent erhöhte.
Die Wissenschaftler erklären sich die Überlegenheit der längeren Schlafdauer damit, dass diese sowohl Rapid-Eye-Movement-Phasen (REM-Phasen) – diese wirken sich positiv auf die Kognition und die Konsolidierung des Gedächtnisses aus – als auch Tiefschlafphasen umfasst. Letztere sind durch eine geringe Hirnaktivität und eine erhöhte Ausschüttung von Wachstumshormonen gekennzeichnet. Im Zeitraum unmittelbar nach dem Aufwachen ist die körperliche und geistige Leistungsfähigkeit zunächst eingeschränkt. Grund dafür ist die Schlaftrunkenheit, die in der Regel nach etwa einer Stunde wieder verschwindet.
Untermauert wird dieses Phänomen durch eine weitere Untersuchung. In dieser war die Sprintleistung von Athleten 45 Minuten nach einem Powernap reduziert. Um maximal leistungsfähig zu sein, sollte daher ein Zeitraum von einer Stunde zwischen Aufwachen und der sportlichen bzw. geistigen Aktivität nicht unterschritten werden. Auch in diesem Zusammenhang zeigte sich eine längere Schlafdauer (80 Minuten) durch eine schwächer ausgeprägte Schlaftrunkenheit einer kürzeren Schlafdauer (50 Minuten) überlegen. Hier besteht die Annahme, dass bei längerer Schlafdauer neben der Tiefschlaf- gegen Ende auch eine REM-Phase durchlaufen wird, die ein einfacheres Aufwachen erlaubt.
Fazit
Die systematische Übersichtsarbeit ergab, dass Powernapping empfohlen werden kann, um den negativen Auswirkungen einer Nacht mit reduziertem Schlaf entgegenzutreten. So können Trainer im Anschluss an ein Powernap mit einer erhöhten körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit ihrer Athleten rechnen. Auch das Erlernen sportspezifischer Fähigkeiten kann positiv beeinflusst werden.
Das nicht nur im Anschluss an den nachmittäglichen Schlaf, sondern ebenfalls am Folgetag. Allgemein konnten über mehrere Studien hinweg durch eine längere Schlafdauer (z.B. 90 Minuten) größere Leistungszuwächse, verglichen mit einer kürzeren Schlafdauer (z.B. 30 bis 60 Minuten), erfasst werden. Dieser Vorteil resultiert aus der Kombination von Tiefschlaf- und REM-Phasen während eines längeren Schlafes. Neben unterstützenden Prozessen im Hirn sorgt diese dafür, dass die Sportler nach dem Aufwachen verhältnismäßig schneller wieder über ihre volle körperliche und geistige Leistungsfähigkeit verfügen.
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Autor: Dr. Stefan Altmann ist Leiter der Leistungsdiagnostik am Institut für Sport und Sportwissenschaft des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) sowie Koordinator Sportphysiologie & Wissenschaft der TSG ResearchLab gGmbH.
Kontakt: stefan.altmann@kit.edu
Literatur:
- Souabni, M., Hammouda, O., Romdhani, M., Trabelsi, K., Ammar, A., & Driss, T. (2021). Benefits of Daytime Napping Opportunity on Physical and Cognitive Performances in Physically Active Participants: A Systematic Review. Sports Medicine, 1–32. https://link.springer.com/article/10.1007/ s40279-021-01482-1.