Optimale Trainingsbelastung – Was steckt hinter dem Mythos „no pain, no gain“?

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Trainingsbelastung optimieren: Das Trainingsmotto „No pain, no gain“ ist vor allem im Bodybuilding stark verbreitet. Doch ist es wirklich so, dass ein Training nur dann effektiv ist, wenn es auch Schmerzen bereitet? Und wie sieht es mit diesem Leitsatz im Personal Training aus?

Woher kommt der Mythos „no pain, no gain“?

Viele ambitionierte Fitnesssportler trainieren nach dem Motto „No pain, no gain“. Übersetzt: „Kein Schmerz, kein Erfolg“ oder auch „Ohne Fleiß kein Preis!“. Ins Leben gerufen hat das Motto Jane Fonda. In ihren Aerobic-Videos war sie in den 1980er-Jahren die Erste, die dieses Motto für ihr Training verwendete. Später fand es vor allem in der Bodybuilding-Szene Anklang. Heutzutage sind es vor allem die ambitionierten Hobbysportler und auch manche PT-Kunden. Sie möchten den maximalen Effekt aus ihrer begrenzten Trainingszeit herausholen und dieses Trainingsmotto dafür in Kauf nehmen.

Anpassungen der Trainingsbelastung an das Stresslevel

Durch die hohen Anforderungen des Alltags weisen viele Menschen ein hohes Stresslevel auf. Erste Kennzeichen hierfür können eine verspannte Hals- und Nackenmuskulatur, Verdauungsprobleme, Übergewicht, Nährstoffmangel, eine übermäßige Brustatmung, Kopfschmerzen, Tinnitus, Schwindel, Schmerzen und sogar ein temporärer Sehverlust sein.

Ein körperlich sehr forderndes Training eignet sich für gestresste Kunden nicht, da es schnell zu Überlastungserscheinungen führen kann. Besonders zu Beginn einer Zusammenarbeit ist es deshalb ratsam, eine ausführliche Anamnese durchzuführen. Anhand der Ergebnisse kannst du dem Kunden deutlich machen, wie es um seine aktuelle körperliche Verfassung steht und ihm einen passgenauen, individuellen Trainingsplan erstellen.

Wie kann die Stressbelastung und -toleranz geprüft werden?

Die Grundlage meiner Kundenanamnese ist ein ausführlicher Lifestyle-Fragebogen. Die Antworten geben mir einen Überblick darüber, in welchen Situationen im täglichen Leben des Kunden Stress auftritt. Diese Situationen gilt es im Anschluss zu besprechen und ggf. zu optimieren. Geeignete Tests bestehen aus der Messung folgender Komponenten:

  • Herzfrequenzvariabilität (HRV),
  • Blutdruck
  • Botenstoffe, die an der Stressreaktion beteiligt sind (beispielsweise Noradrenalin und Adrenalin) und
  • Cortisol (Speicheltest im Tagesprofil).

Eine weitere Möglichkeit, sich zu Beginn einer Trainingseinheit einen Eindruck vom Stresslevel des Kunden zu verschaffen, ist übrigens der „toe touch“- Test. Hat der Kunde aktuell viel Stress gehabt, wird sich dies mit einem größeren Abstand zwischen Händen und Boden äußern. Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass der Test regelmäßig durchgeführt wird.

Wie reduziert die richtige Atemtechnik Stress?

Eine der hilfreichsten Maßnahmen, um Stress zu reduzieren, ist unsere Atmung. Ein voller Terminkalender und permanentes Erreichbarsein führen oft zu einer dauerhaften Anspannung und somit zu einer veränderten Atmung, die sich in einer übermäßigen Brustatmung äußert. Nackenverspannungen und Kopfschmerzen sind oftmals die Konsequenzen. Daher sollten wir Trainer unsere Kunden über die Wichtigkeit der richtigen Atmung aufklären und ihnen eine gute Atemtechnik beibringen. Schon einminütige Atemsessions haben einen positiven Effekt und können zu einer Entspannung beitragen.

Eine hohe Trainingsbelastung, die durchaus auch zu einem temporären „Brennen“ der Muskulatur führen kann, sollte nicht mit einem Training gleichgesetzt werden, das zu Schmerzen führt. Kunden dazu zu motivieren, ihre Komfortzone zu verlassen und dadurch die ein oder andere Wiederholung mehr zu schaffen, ist vollkommen vertretbar. Einen Kunden mit Schmerzen während einer Übungsausführung zum Weitertrainieren zu animieren, ist jedoch absolut gefährlich. Schmerzen sollten immer als Warnsignal verstanden werden – und die Übung muss dann sofort abgebrochen werden. Mögliche Gründe für Schmerzen während eines Trainings sind mangelhafte Übungsausführungen, ein schlecht durchdachtes Programmdesign und/oder eine zu kurze Regenerationszeit.

Aufklärung über Trainingsbelastung und Erholung

Eine der wichtigsten Aufgaben, die wir als Trainer zu Beginn der Zusammenarbeit mit einem neuen Kunden zu meistern haben, ist, dem Kunden zu erklären, dass Belastung und Erholung immer zusammengehören. Ausreichend Schlaf (mindestens sechs Stunden) und eine ausgewogene Ernährung bilden die Grundlage für ein intensives körperliches Training, weshalb es sich empfiehlt, zu Beginn einer jeden Trainingseinheit danach zu fragen. Werden diese beiden Faktoren nicht zufriedenstellend beantwortet, sollte man dem Kunden erklären, warum ein „softeres“ Training sinnvoll ist. Zusätzlich kann das subjektive Belastungsempfinden auch mithilfe einer Skala abgefragt werden. Dabei steht die „1“ für „Ich fühle mich topfit und belastbar“, die „2“ für „Gut, aber eingeschränkt körperlich belastbar“ und die „3“ für „Ich fühle mich müde und körperlich nicht belastbar“. Diese Information hilft dir, die Belastung im folgenden Training optimal zu gestalten.

Fazit

Wir sollten unsere Kunden zudem darüber aufklären, dass ein „hartes“ und intensives Training mit anschließendem Muskelkater nicht automatisch ein effektives Training ist. Nur ein gut durchdachtes und optimal auf den Kunden individuell zugeschnittenes Trainingsprogramm, das nicht nur intensive, sondern auch weniger intensive Trainingseinheiten und Regenerationsphasen vorsieht, schützt Sportler vor Verletzungen und ermöglicht einen nachhaltigen Trainingserfolg.

Autor und Sportexperte: Jens Kettmann

Der M.A. der Sportwissenschaft mit den Schwerpunkten Prävention und Rehabilitation ist Gründer und Inhaber von Jens Kettmann Health & Performance Coaching, VIVET und dem Fitness Bootcamp Halle. Zudem ist er als Referent für Firmen und als Ausbilder für den „Certified Functional Strength Coach“ (CFSC) von Michael Boyle tätig.

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Diesen sowie weitere Artikel findest du in der TRAINER Ausgabe 03|2020

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