Beweglichkeitstraining im Fußball: Ein Mobility-Programm trainiert gezielt die Beweglichkeit der großen Gelenke, um motorische Einschränkungen, neuronale Schwächen und eine fehlerhafte Ansteuerung auszugleichen. Wie Spielsportler davon profitieren können, erklärt Jesper Schwarz, Reha- und Athletiktrainer der Fußballer von Eintracht Braunschweig.
Was bedeutet Mobility Training überhaupt?
Mobility ist schwer im Trend. Selbst im Nachwuchsleistungsfußball gehört es mittlerweile neben den wesentlichen Bausteinen wie Beinachsenstabilität, Bewegungskoordination, Kraftfähigkeit, Rumpfstabilität und Schnelligkeit als fester Bestandteil zum Athletiktraining.
Zum weiterführenden Artikel: Dehnen und Mobilitätstraining, was ist eigentlich der Unterschied?
Was ist Mobilitätstraining?
Wie das Muskellängen- und das Flexibilitätstraining ist das Mobilitätstraining eine Form des Beweglichkeitstrainings. Die zielt darauf ab, die allgemeine Beweglichkeit zu verbessern. Mobilität beschreibt dabei die Fähigkeit, während einer Bewegung den gesamten Bewegungsradius eines Gelenkes zu nutzen. Mobilität bildet gemeinsam mit der Stabilität eine grundlegende Voraussetzung für jegliche Art der Bewegung. Erst recht für effiziente Bewegungen im Rahmen von Spielsportarten jeglicher Art.
Leider trainiert man gerade im Spielsport oft viel zu früh sehr sportartspezifisch. Und somit ist das tatsächlich mögliche Bewegungsspektrum der Spieler eingeschränkt. Eine eingeschränkte Mobilität kann jedoch den optimalen und harmonischen Bewegungsablauf behindern und damit das Gesamtsystem stören. Unter anderem, indem sie Kompensationsbewegungen hervorruft. Eine hohe Stabilität kann mangelnde Mobilität kompensieren, und umgekehrt. Das birgt die Gefahr, dass man das Fehlen einer der beiden Komponenten nicht direkt entdecken, und die Ineffizienz der Bewegungen nicht bearbeiten kann. Langfristig kommt es dann allerdings zu suboptimalen Gelenkpositionen und Dysbalancen. Diese führen zu Leistungseinbußen oder machen sich durch Überlastungserscheinungen oder Verletzungen bemerkbar.
Insbesondere für die Nachwuchsspieler in den Leistungszentren ist es wichtig, Überlastungen und Verletzungen vorzubeugen, da sie häufig schwerwiegende Folgen haben. Längere Einschränkungen oder Ausfallzeiten führen zu Trainings- und Entwicklungsrückständen, die oft nur schwer aufholbar sind. Durch ein strukturiertes und zielorientiertes Mobilitätstraining können Verletzungen und Überlastungen vermieden werden.
Auch spannend: Die effektivsten Übungen im Mobility-Training
Mehr Mobilität für Fußballer – bessere Leistung
Die körperlichen Voraussetzungen eines Spielers bestimmen in erheblichem Maße seine sportliche Leistungsfähigkeit. Bei optimaler Beweglichkeit kann ein Spieler die für seine Sportart spezifischen Abläufe mit der nötigen Präzision und Dynamik, also mit hoher Effizienz ausführen. Aber auch bei Spielern, bei denen keine Bewegungseinschränken vorhanden sind, kann das Mobilitätstraining von Nutzen sein. Durch ein uneingeschränktes Zusammenspiel von Muskelketten kann die Bewegungseffizienz weiter gesteigert werden.
Ein optimales Ausmaß an Beweglichkeit im Fußball
Neben der Leistungssteigerung ist auch der Ausgleich zum Sportartentraining ein bedeutender Aspekt, der durch ein Mobilitätstraining angesprochen werden kann. Das Beweglichkeitstraining im Fußball verfolgt im Gesamtkomplex „Athletiktraining im Sportspiel“ keinen Selbstzweck. Es geht nicht vorrangig darum, möglichst beweglich zu werden. Vielmehr sollen sich die Spieler ein optimales Ausmaß an Beweglichkeit für ihre Zielsportart und für den Alltag antrainieren.
Mobilitätstraining bildet die Basis für ein optimales, verletzungsfreies Training, indem zum Beispiel muskuläre Dysbalancen behoben werden und die gesamte Körperhaltung verbessert wird. Durch diese verbesserte Körperhaltung kann zudem die Atemhilfsmuskulatur freier arbeiten. Ziel des Mobilitätstrainings ist es, die Spieler leistungsfähiger und verletzungsresistenter zu machen.
Mobility vor dem eigentlichen Training
Anders als beim Flexibilitätstraining oder anderen Formen des passiven Dehnens, die nachweislich zu Leistungseinbußen für das nachfolgende Training führen, kann das Mobilitätstraining als ein dynamisches Training die Leistungsfähigkeit erhöhen, wenn es vor das sportartspezifische Training geschaltet wird.
Mit der verbesserten Beweglichkeit können die dann folgenden Bewegungen korrekt und über den vollen Bewegungsradius ausgeführt werden. Ohne die Muskeln vorher durch passives Dehnen unnötig auf Länge zu bringen. Die Übungen zur Verbesserung der Mobilität stehen nach einer kurzen allgemeinen Erwärmung immer am Anfang der Trainingseinheit. Sie bereiten die Spieler optimal auf die nachfolgenden Belastungen vor.
Nach einer intensiven Trainingseinheit oder an belastungsfreien Tagen setzen wir dann auch Muskellängen-Training und Flexibilitätstraining sowie weitere Formen des Beweglichkeitstrainings ein.
Beweglichkeitstraining im Fußball: Trainingsplan und Check-up
Die Mobilitätsübungen dienen der strukturellen Änderung des Gewebes, daher variiert die Übungsdauer sehr stark. Die Spieler sind von uns dazu angeleitet, auf ihren Körper zu hören und die Übungen nach Gefühl auszuführen. Auch die Häufigkeit des Mobilitätstrainings variiert je nach Bedarf zwischen zwei- und siebenmal wöchentlich. Die Dauer des reinen Mobilitätstrainings ist aufgrund der weiteren Bestandteile des Trainingsplans auf maximal 15 Minuten begrenzt, in denen die Spieler ihre individuellen Übungen durchführen.
Grundsätzlich passen wir unsere Übungen immer der Zielbelastung an, um den Sportler in seiner Leistungsentwicklung zu unterstützen – dies gilt selbstverständlich auch für Mobility Übungen, daher überprüfen wir in regelmäßigen Abständen die Beweglichkeit der Spieler. Durch den Functional Movement Screen, den Y-Balance-Test, den Knee-to-Wall-Test sowie durch weitere spezifische Tests wie etwa die Überprüfung der Oberschenkelrückseite im Zusammenspiel mit der Lendenwirbelsäule und der Brustwirbelsäule (bei der der Spieler bei gestreckten Beinen versucht, mit den Händen den Boden zu berühren), kann der Coach die Mobilität der Spieler überprüfen.
Beweglichkeit trainieren im Fußball
Außerdem testen wir die vordere Muskelkette im Kniestand und die Hüftbeugemuskulatur. Damit wird zum einen im Rahmen der Saisonvorbereitung und zum anderen an zusätzlich festgelegten Zeitpunkten überprüft, ob bei den Spielern ein funktioneller Bewegungsradius für die Zielsportart vorhanden ist.
Ist dies nicht der Fall, muss man diesen mithilfe eines individuellen Bewegungsplans (wieder) hergestellen. Die Ergebnisse der Diagnostik werden analysiert und archiviert und helfen so, das Training langfristig effektiver zu gestalten. Ausschlaggebend für die Trainingsplanung ist dabei nicht, dass der Test besser werden muss, sondern dass man die Zielbewegung bzw. die Leistungsfähigkeit auf dem Platz steigert.
Individuelles Einzeltraining
Die Ergebnisse der beschriebenen Leistungsdiagnostik ergeben für jeden Spieler ein eigenes Bewegungsprofil. Auch für die anderen Bereiche der Athletik wie Kraft, Stabilität und Schnelligkeit, die im Rahmen des Athletiktrainings verbessert werden sollen, werden spezifische Testverfahren durchgeführt und entsprechende Profile entwickelt.
Für ein geeignetes Trainingsprogramm benötigt jeder Spieler basierend auf diesen Daten einen individuellen Trainingsplan. Besonders im Spielsport ist es jedoch zunächst nicht immer einfach, sowohl den Cheftrainer als auch die Spieler davon zu überzeugen, dass die Spieler einer Mannschaftssportart auch individuell und abseits der Mannschaft trainieren sollten. Mit der Hilfe eines Softwareherstellers konnten wir einen auf unsere Wünsche abgestimmten Trainingsbogen erstellen. Und somit je nach Bedarf mit ausgewählten Übungen bestücken.
Beweglichkeitstraining im Fußball bedeutet auch gezielt an Schwächen zu arbeiten
Mit der Einführung dieser personalisierten Trainingsbögen und der Schaffung einer Trainingsschiene vor dem eigentlichen Mannschaftstraining bzw. individueller Freiräume im Rahmen des Mannschaftstrainings geben wir unseren Spielern die Möglichkeit, ein auf sie maßgeschneidertes Programm durchzuführen. Und so gezielt an ihren Schwächen zu arbeiten!
Diese individualisierten Trainingsprogramme umfassen neben den Mobilitätsübungen ebenso alle weiteren Teilbereiche des Athletiktrainings wie auch das Regenerationsmanagement. So kommt es vor, dass ein Spieler im Kraftraum an seiner Mobilität arbeitet, während ein anderer Spieler Gewichte zur Steigerung der Schnellkraft bewegt. Und ein weiterer liegt auf der Massagebank des Physiotherapeuten und erhält eine individuell abgestimmte Behandlung.
Umsetzung in der Trainingspraxis
In der Phase der Planung und während der Diagnostik ist dieser spielerzentrierte Ansatz sehr arbeits- und zeitintensiv, doch trägt sich das Konzept nach kurzer Einführungsphase von allein.
Die Spieler kommen vor dem Training für 25 bis 45 Minuten in den Kraftraum, ziehen ihren Trainingsplan aus dem Register und arbeiten ihre spezifischen Übungen ab. Die Reha- und Athletiktrainer stehen nur noch beratend und korrigierend zur Seite und können sich so auf ein Training im optimalen Zustand im mannschaftlichen Verbund konzentrieren.
Wichtig ist, dass man den Spielern deutlich macht, dass dieser Ansatz nicht mit Schikane oder Bevorteilung im Zusammenhang steht. Sondern lediglich die optimale Vorbereitung aller Nachwuchstalente zum Ziel hat. Die Spieler werden dabei gleichzeitig zu einem eigenverantwortlichen Handeln erzogen. Unsere Erfahrungen mit der Integration des spielerspezifischen Mobilitätstrainings sind hervorragend.
Die große Herausforderung für die Zukunft liegt – vereinsübergreifend – sicher darin, Spielern und Trainern noch deutlicher aufzuzeigen, wie sehr die Leistung auf dem Spielfeld von Mobilitätsübungen profitieren kann.
Beweglichkeit Übungen Fußball: Zwei spezifische Mobility-Übungen
- Übung Der Spieler winkelt ein Bein an und setzt sich darauf. Das hintere Bein liegt gestreckt auf dem Boden. Nun bewegt sich der Spieler von links nach rechts und von vorne nach hinten, um möglichst viele Einschränkungen zu beheben. Diese Übung wird für ca. 45 Sekunden pro Seite ausgeführt.
- Übung Der Spieler geht auf die Knie und streckt seine Hüfte. Dazu legt er den Spann der Füße flach auf dem Boden. Nun senkt er langsam seinen Oberkörper nach hinten Richtung Boden. Der Spieler wird die Spannung im unteren Rücken und in der Hüftmuskulatur spüren. Zu Beginn ist die Tiefe der Bewegung nicht entscheidend, vielmehr geht es um die Bewegungsqualität. Für diese Übung werden etwa 6 Wiederholungen mit jeweils rund 5 Sekunden Haltephase in der unteren Position durchgeführt.
Autor und Sportexperte: Jesper Schwarz, Reha- und Athletiktrainer der Fußballer von Eintracht Braunschweig
Fotos: PB; Jesper Schwarz
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