Die Knie – ob Kreuzbandriss, Meniskusriss oder Arthrose, Verletzungen des Kniegelenks sind besonders bei Leistungs- und Hobbysportlern keine Seltenheit. Ein sinnvoll aufgebautes Kraft- und Ausdauertraining hilft, nach Verletzungen schnell wieder einsatzbereit zu sein und das Knie vor weiteren Verletzungen zu schützen.
Wie ist das Knie aufgebaut?
Das Kniegelenk besteht aus zwei Gelenken. Zum einen aus dem klassischen Kniegelenk, welches durch die Gelenkfortsätze des Oberschenkelknochens (Femurkondylen) und die Gelenkfläche des Schienbeins (Tibiaplateau) gebildet wird und zum anderen aus dem Oberschenkel-Kniescheibengelenk (Femoropatellargelenk), dem Gelenk zwischen Kniescheibe (Patella) und Oberschenkel (Femur). Es handelt sich dabei um ein Drehscharniergelenk. Es ermöglicht sowohl Bewegungen in der Beuge- und Streckerachse als auch in der Rotationsachse (nur bei gebeugtem Knie). Da die Femurkondylen und das Schienbein (Tibia) nicht übereinstimmen (inkongruent sind), wird dies durch die Menisken ausgeglichen.
Das Kniegelenk wird bandhaft durch die Seitenbänder und die Kreuzbänder gesichert. Die Seitenbänder sichern nur in gestrecktem Zustand und verhindern Abduktions- und Adduktionsbewegungen (Abspreizung und Heranführung), während das vordere und hintere Kreuzband im Gelenkinneren liegen und das Gelenk in jeder Position stabilisieren können. Das vordere Kreuzband (LCA = Ligamentum cruciatum anterius) besteht aus drei, das hintere Kreuzband (LCP = Ligamentum cruciatum posterius) aus vier Faserbündeln.
Die Kreuzbänder verhindern Überstreckungen und zu starke Beugungen sowie Rotationsbewegungen (vor allem die Innenrotation). Sie sind die wichtigsten passiven Stabilisatoren des Kniegelenks. Die Kreuzbänder sind eng mit der Gelenkkapsel verbunden. Die Kreuzbänder werden durch den Nervus tibialis (Nerv des Schienbeins) innerviert und sind deshalb sowohl als Schmerzquelle relevant als auch für die Bewegungssteuerung. Die sensible Innervation der Kreuzbänder ist für die Feineinstellung der stabilisierenden Muskulatur verantwortlich. Die Belastung des LCA-Bandes differiert je nach Winkelstellung und Betätigung.
Was ist eine aktive Insuffizienz?
Wenn ein zweigelenkiger Muskel in mindestens einem Gelenk keine optimale Vordehnung aufweist, spricht man von einer aktiven Insuffizienz. Dadurch wird die Übung uneffektiver, es kann zu Ausweichbewegungen kommen und manchmal auch zu Krämpfen in der arbeitenden Muskulatur. Muskeln, die aktiv insuffizient sein können, sind z.B.:
- ischiocrurale Muskulatur (Beinbeuger)
- M. rectus femoris (Oberschenkel)
- der M. gastrocnemius (Wade)
- M. gracilis (Schlanker Schenkelanzieher)
Zum Beispiel besteht beim Beinbeugen liegend eine aktive Insuffizienz im Hüftgelenk für die ischiocruralen Muskeln, die beim Beinbeugen sitzend aufgrund der gebeugten Hüfte nicht vorliegt.
Wann sollte man nach einer Knieverletzung wieder mit dem Sport anfangen?
Das Krafttraining bei Knieverletzungen sollte man erst nach Abschluss der physiotherapeutischen Behandlung und nach eventuell zu berücksichtigenden Umbauphasen (z.B. beim vorderen Kreuzbandriss nach der 12. Woche) beginnen. Der Kunde muss weitestgehend schmerzfrei sein. Eine gute Voraussetzung ist gegeben, wenn der Kunde die wichtigsten Geräte bereits aus der Therapie kennt und dadurch leicht ein gerätegestütztes und, je nach Trainingszustand und koordinativen Voraussetzungen, auch ein freies Training durchführen kann. Generell ist das Ziel, den Kunden an ein komplett freies Training heranzuführen.
Nur im Rahmen von speziellen High-Intensity-Trainingsmethoden (hoch intensive Trainingsmethoden) sollte auch im fortgeschrittenen Stadium an geführten Kraftgeräten trainiert werden. Vor jeder Trainingsphase muss eine umfangreiche Anamnese (Befunderhebung) durch einen erfahrenen Trainer oder Therapeuten erfolgen. Sie umfasst die Krankheitsgeschichte, evtl. auch Operationsberichte und MRT-Bilder sowie Berichte über den Rehabilitationsverlauf. Zusätzlich ist es sinnvoll, einen umfangreichen Test der muskulären Gegebenheiten durchzuführen, um die Belastbarkeit, den Heilungsverlauf und die Motivation des Kunden einschätzen zu können.
Welches Krafttraining eignet sich für die Knie?
Der Kunde bereitet sich durch einen individuell abgestimmten Rahmenplan auf immer höhere Belastungen vor. Eine zeitliche Angabe der einzelnen Phasen erscheint wenig sinnvoll, da die Länge der Phasen von der Motivation, den biopositiven Reaktionen (gewünschten körperlichen Anpassungserscheinungen) des Kunden sowie der körperlichen Reaktion der verletzten Struktur abhängt. Folgende Empfehlungen geben wir als Orientierung für das Durchführen eines sinnvollen Krafttrainings (Phasenmodell nach Meier 2007, S. 23ff):
Phase I: Kraftausdauerphase
Führen Sie bei dieser Krafttrainingsart 2 bis 5 Sätze mit 20–30 Wiederholungen durch (je nach Trainingszustand). Das Tempo der Wiederholungen ist langsam: als Orientierung dient hier die Zeiteinheit von 2 Sekunden in der konzentrischen (verkürzenden) Phase, eine Sekunde in der isometrischen (haltenden) Phase und 4 Sekunden in der exzentrischen (nachgebenden) Phase. Die Pause nach jedem Satz sollte ca. 60 bis 90 Sekunden lang sein. Wir empfehlen für Anfänger zwei Trainingseinheiten und für fortgeschrittene Personen drei Trainingseinheiten pro Woche.
Phase II: Hypertrophiephase
Führen Sie bei dieser Krafttrainingsart 2 bis 7 Sätze mit 6–20 Wiederholungen durch (je nach Trainingszustand). Das Tempo der Wiederholungen ist langsam: 2 Sekunden in der konzentrischen, eine Sekunde in der isometrischen und 4 Sekunden in der exzentrischen Phase. Die Pause nach jedem Satz sollte ca. 90 bis 180 Sekunden betragen. Wir empfehlen für Anfänger zwei bis drei Trainingseinheiten pro Woche und für fortgeschrittene Personen einen Split-Trainingsplan (hier werden an unterschiedlichen Tagen unterschiedliche Muskeln trainiert).
Phase III: Maximalkraftphase
Führen Sie bei dieser Krafttrainingsart 3 bis 10 Sätze mit 1–5 Wiederholungen durch (diese Trainingsart ist nur bei Personen zu empfehlen, die Erfahrung im Krafttrainingsbereich mitbringen oder bei denen ein Trainer oder Therapeuten die Übung gründlich kontrolliert). Das Tempo der Wiederholungen ist schnell. Die Pause nach jedem Satz sollte 4 bis 5 Minuten betragen, da z.B. das Kreatinphosphat, dass die Energie bei dieser Belastung liefert, ca. 5 Minuten benötigt, um wieder sein optimales Niveau zu erreichen. Wird diese Pausenlänge nicht beachtet, kommt es schnell zu einer anaerob-laktaziden Belastung, die die Regenerationszeit deutlich verlängert. Hier empfehlen wir 2 Trainingszeiten pro Woche.
Phase IV: Umsetzungsphase
In der Umsetzungsphase werden Negativwiederholungen mit mehr als 100% Spannung im Muskel umgesetzt. Dieses Gewicht kann nicht selbstständig gehalten werden, daher ist bei dieser Art von Übungen ein Partner oder die Unterstützung durch einen Trainer oder Therapeuten erforderlich. Bei dieser Übung gibt der Trainierende dem Gewicht nach. Der Partner oder Therapeut/ Trainer hilft ihm danach wieder in die Ausgangsposition. Führen Sie bei dieser Krafttrainingsart 2 bis 4 Sätze mit 4–6 Wiederholungen durch (nur durchführen, wenn die Knie stabilisiert werden können und eine Hilfsperson zur Verfügung steht). Das Tempo der Wiederholungen ist moderat. Die Pause nach jedem Satz sollte ca. 4 Minuten betragen und Sie sollten in diesen Pausen ein leichtes Stoffwechseltraining (minimales Gewicht und ca. 80–120 Wiederholungen durchführen). Diese Art von Training sollte alle 10 Tage einmal durchgeführt werden.
Begleitet wird das Training durch reaktives Training im Sinne von „Beschleunigen – Abbremsen – Beschleunigen“, vor allem für Rumpf und Wirbelsäule als Voraussetzung für ein sinnvolles Krafttraining und für die Alltagstauglichkeit. Generell gilt, dass der Kunde langsam an das Training und eine höhere Belastbarkeit herangeführt werden muss. Er beginnt mit 30 Wiederholungen. Wenn der Kunde nach 2 bis 3 Trainingseinheiten keine Probleme damit hat und auch im Kniegelenk keine Probleme auftreten, wird das Gewicht leicht gesteigert und die Wiederholungszahl leicht reduziert. Es wird immer bis knapp vor dem Muskelversagen trainiert, so dass der Kunde immer das Gefühl hat, er könnte vielleicht noch 2 Wiederholungen durchführen. Um Ihnen eine schnelle Übersicht über die einzelnen Krafttrainingsarten zu ermöglichen, haben wir diese hier in einer Tabelle zusammengefasst.
Welcher Ausdauersport eignet sich bei Knieproblemen?
Die Ausdauer hat einen großen Einfluss auf Heilungsverlauf, Regenerationsfähigkeit und lokale Durchblutung der betroffenen Muskeln. Deswegen beziehen wir diesen wichtigen Faktor mit ein. Ein allgemeines Grundlagenausdauertraining sollte das Training über den gesamten Trainingszeitraum begleiten. Das Ausdauertraining sollte auf alle Fälle in ein systematisches Krafttraining integriert werden. Beim Ausdauertraining sind zwei Trainingsarten von Bedeutung:
Die Grundlagenausdauer (GA)
Sie wird als allgemeine, aerobe und dynamische Ausdauerleistungsfähigkeit beschrieben: „allgemein“ im Sinne der Sportartunabhängigkeit und eines Einsatzes von mindestens 15% der Skelettmuskelmasse (mindestens ein Bein), „aerob“ im Sinne von unterhalb der individuellen anaeroben Schwelle und „dynamisch“ im Sinne des Einsatzes motorischer Bewegung. Sie führt bei regelmäßigem Training zu allen gewünschten biopositiven Adaptionen (Anpassungen) im Organismus (Herz-Kreislauf-System, Atmungssystem, Immunsystem und Stoffwechsel), verkürzt die Regenerationszeit und sorgt für eine perfekte Muskeldurchblutung als Voraussetzung für ein effektives Krafttraining.
Die lokale Muskelausdauer (Stoffwechseltraining)
Die lokale Muskelausdauer bezieht sich auf einen geringen Teil der Muskelmasse, da hier weniger als 15% der Skelettmuskulatur aktiv sind (z.B. nur die Bauchmuskulatur bei einem Crunch oder der Oberarm – M. biceps brachii – bei den Langhantelcurls). Dieses Training sorgt für eine perfekte lokale Durchblutung. Da die umliegenden Muskeln bei einer Kniegelenksproblematik „zumachen“ (sie werden hyperton), muss man hier die Versorgung verbessern. In sehr schmerzhaften Phasen oder bei sehr sensiblen Kunden wird anfangs ausschließlich ein Stoffwechseltraining durchgeführt. Dieses Muskelausdauertraining entspannt die „verkrampfte“ Muskulatur. Dadurch reduzieren sich die Schmerzen. Das lokale Muskelausdauertraining sorgt für eine bessere Nährstoffversorgung und schafft so ideale Bedingungen für das wichtige Krafttraining. Das Stoffwechseltraining wird mit vielen Wiederholungen ohne Belastung durchgeführt, z.B. 100–200 Wiederholungen mit einem zügigen Tempo. Die Übungen können überall und immer durchgeführt werden und auch als aktive Pause im Krafttraining dienen.
Verschiedene Ausdauertrainingsmöglichkeiten
Ideal sind Belastungen, bei denen das Kniegelenk sowohl Druck als auch Entlastung erfährt. Die exzentrische (nachgebende) Phase ist sehr wichtig, um die Kunden alltagsnah zu trainieren und für eine aktive Stabilisation zu sorgen.
Ist Laufen schlecht für die Knie?
Für jüngere Patienten eignet sich eher das Joggen, für ältere das Walken. Nordic Walking sollte hierfür weniger empfohlen werden, da durch die Stöcke das natürliche Gleichgewichtsgefühl und die Propriozeption im Kniegelenk leiden. Anfangs kann man auf dem Laufband trainieren, wobei es sich dabei allerdings um ein verändertes Abrollverhalten und Laufverhalten handelt (dem Läufer wird „der Boden unter den Füßen weggezogen“). Besser wäre es, draußen auf der Tartanbahn (Vorteil ist hier, dass keine Stolperfallen bestehen) und später im freien Gelände mit unterschiedlichen Untergründen zu trainieren.
Dadurch verbessern sich die Propriozeption und das Gleichgewicht. Zusätzlich gewinnt die Muskulatur durch das schnelle Umschalten bei härteren oder weicheren Untergründen an Flexibilität. Findet das Training anfangs hauptsächlich im ebenen Gelände statt, sollte man später bewusst mit leichten und steileren Steigungen und Gefällen arbeiten. Die Steigungen betonen die Abdruckphase (konzentrische Phase) der Bewegung. Das Gefälle betont sowohl das Nachgeben als auch die exzentrische Arbeitsweise, die ein aktives Stabilisieren der Gelenke bewirkt. Auch Treppenläufe sollte deswegen Teil des Trainings sein.
Ist Radfahren gut für die Knie?
Fahrradeinheiten können dieses Training ergänzen. Diese dienen dazu, gelenkschonend zu trainieren, sorgen für eine Mobilisation und Schmierung der Gelenke und man kann höhere Umfänge bewältigen. Aufgrund des Fehlens der exzentrischen Phase sollte Fahrrad fahren allerdings nicht das einzige Training darstellen.
Ist Schwimmen gut für die Knie?
Wer gerne schwimmt, sollte „richtig“ schwimmen. Berücksichtigen Sie hier die Belastungsnormative wie richtige Herzfrequenzen (hierzu z.B. OwnZone-Messungen von der Firma Polar durchführen oder Geschwindigkeitsvorgaben für das Training geben.) Am Anfang ist vom Brustschwimmen abzuraten, da es hier zu einer Rotation im Kniegelenk kommt. Der Kraulbeinschlag dagegen macht keine Probleme. Wenn der Kunde beim Kraulen Schwierigkeiten hat, Arm- und Beinschlag zu kombinieren, kann auch ein Hilfsmittel wie ein Schwimmbrett oder ein Pull Boy helfen. Beim Schwimmen fehlen die wichtigen Druckbelastungen im Gelenk sowie die exzentrische Phase, es sollte daher nur begleitend angeboten werden.
Pro Woche sollten 2–3 der oben genannten Einheiten mit mindestens 30 Minuten Umfang durchgeführt werden. Das Radtraining darf auch gerne länger dauern (ca. 45– 60 Minuten). Das Stoffwechseltraining sollte vor allem in der Flexions- und Extensionsachse durchgeführt werden, also Beinstrecken am Kabelzug mit sehr geringem Gewicht, Adduktion in Rückenlage mit aufgestellten Beinen, Abduktion im Stand usw., immer mit mindestens 100 Wiederholungen.
Unser Tipp aus der Trainer-Redaktion:
Gemeinsam mit unserem Autor Janek Klingmann haben wir die schlüssige und allumfassende Onlinetherapie gegen Knieschmerzen entwickelt
Das Konzept des Online-Training-Systems für die optimale Kniegesundheit beinhaltet ein innovatives Trainingssystem. Es basiert auf den drei Säulen:
- Beweglichkeit
- Stabilität
- Kraft
Dabei richtet sich das Training an alle Menschen mit überhöhten muskulär-faszialen Spannungen, mit einer Entzündung im Knie, postoperativ nach abgeschlossener Rehabilitation beim Physiotherapeuten und allgemeinen Schmerzen im Kniegelenk durch Asymmetrien und Dysbalancen, sowie an gesunde und schmerzfreie Sportler, die präventiv ihre Kniegesundheit sichern möchten.
Durch die verschiedenen Steigerungsmöglichkeiten wird jeder Patient/ Sportler an seinem aktuellen Stand abgeholt und verzeichnet anschließend regelmäßige Fortschritte!
Die Übungen sind so konzipiert, dass diese ganz bequem von zuhause aus durchzuführen sind: einfach aber effektiv!