Hüftarthrose: In dieser Serie stellt Stephan Müller die besten Übungen für Kunden mit unterschiedlichen gesundheitlichen Problemen vor. Im dritten Teil stehen das Hüftgelenk und seine durch mangelnde bzw. ungünstige Bewegungen verursachten funktionellen Defizite, insbesondere die Hüftarthrose, im Mittelpunkt.
Das Becken und der Oberschenkel sind über das Hüftgelenk verbunden. Durch diese Verbindung werden alle Bewegungen der Beine wie Laufen und Gehen sowie die aufrechte Körperhaltung erst ermöglicht. Aufgrund des hohen Bewegungsgrads hat das Hüftgelenk einen großen Bewegungsumfang, den aber vielen Menschen häufig zu wenig im Alltag nutzen. Das kann im Laufe der Zeit zu Einschränkungen und Degenerationen in diesem Bereich führen. Bei der Beanspruchung der Hüfte sollten immer Kraft, Stabilität und Mobilität geschult werden.
Wie ist das Hüftgelenk aufgebaut?
Das Hüftgelenk (Articulatio coxae) ist das proximale (zum Körper hin gelegene) Gelenk der unteren Extremität. Es ist eines der stärksten und stabilsten Gelenke des menschlichen Körpers. Als Kugelgelenk ermöglicht es Bewegungen in allen Ebenen (Adduktion und Abduktion, Extension und Flexion, Außen- und Innenrotation). Das Hüftgelenk ist sehr stabil: Der Gelenkkopf (Caput femoris) steckt tief in der Hüftpfanne (Acetabulum) und drei starke Bänder, die das Hüftgelenk umschließen, sichern das Gelenk. Die Gelenkpfanne umschließt einen verhältnismäßig großen Teil des Femurkopfes. Die Kontaktfläche wird durch die Gelenklippe (Labrum acetabulare), einen faserknorpeligen Ring, vergrößert, kann sich bei der Bewegung verformen und gleicht dadurch beim Gehen und Laufen Belastungen durch Unebenheiten des Untergrunds aus.
Das Hüftgelenk verfügt darüber hinaus über starke Muskeln, die das Gelenk stabilisieren. Die drei starken Bänder sichern das Hüftgelenk in fast allen Positionen, nur bei der Flexion sind die Bänder relativ schlaff. Wird das Bein gleichzeitig noch adduziert (Sitzen mit übereinandergeschlagenen Beinen), kann es zu einer Luxation kommen, etwa wenn die lateralen (außen liegenden) Muskeln insuffizient sind und/oder eine Hüftdysplasie vorliegt. Die Extension wird durch die Bänder limitiert. Vorn (ventral) dominieren die Bänder, die Muskeln sind weniger ausgeprägt – hinten (dorsal) dominieren starke Muskeln, die Bänder sind hier weniger relevant.
Wie entsteht Hüftarthrose?
Die Bänder verstärken die Gelenkkapsel (Capsula articularis) und bilden mit ihr eine funktionelle Einheit. Die Gelenkkapsel verfügt über viele Rezeptoren, die dem zentralen Nervensystem Informationen über Stellungen, Bewegungen und Abweichungen mitteilen. Der aufgerichtete Stand entspricht der Nullstellung im Gelenk, dabei ist der Femurkopf von der Pfanne nicht vollständig bedeckt (vordere und obere Fläche sind frei). Eine vollständige Flächendeckung besteht bei einer 90°-Flexion mit leichter Außenrotation und Abduktion. Der Gelenkkopf ist komplett mit hyalinem Knorpel überzogen, der eine Dicke von ca. 2,5 mm aufweist.
Der Winkel zwischen Femurhals und Femurschaft wird als Kollodiaphysenwinkel (CCD-Winkel) bezeichnet. Bei Erwachsenen beträgt er ca. 125°. Abweichungen von 5–10° sind nicht pathologisch. Wenn der Winkel verkleinert ist, entsteht eine O-Bein-Stellung (Genu varum oder Coxa vara), ist er vergrößert, entsteht eine X-Bein-Stellung (Genu valgum oder Coxa valga). Diese wirken sich degenerativ auf die Hüft- und Kniegelenke aus und belasten viele passive Strukturen unphysiologisch. Bei einer Coxa valga verringert sich der Kraftarm der Adduktoren, was zu einer Mehrbelastung von Teilen des hyalinen Gelenkknorpels führt; die Arthrosegefahr steigt. Bei einer Coxa vara verlängert sich der Kraftarm der Adduktoren, wodurch sich die Biegespannung im Femur (Oberschenkelknochen) erhöht. Die Druckkräfte im Gelenk werden geringer, das Arthroserisiko sinkt. Jedoch muss die erhöhte Biegespannung im Femur durch den M. tensor fasciae latae ausgeglichen werden.
Was verursacht die Schmerzen bei Hüftarthrose?
Das Hüftgelenk ist neben dem Kniegelenk das am häufigsten von Verschleißerkrankungen betroffene Gelenk des Menschen. Arthrose ist eine degenerative Gelenkserkrankung, die vorwiegend bei einem Missverhältnis zwischen Beanspruchung und Beschaffenheit bzw. Leistungsfähigkeit der einzelnen Gelenkanteile und -gewebe entsteht. Eine primäre Arthrose entsteht meist im Alter ab ca. 50 Jahren. Hier kann der Stoffwechsel im Gelenkknorpel seine Gewebeerhaltungsfunktion nicht mehr erfüllen und der hyaline Knorpel verschleißt bereits unter funktioneller Belastung. Bei dieser Form der Arthrose kennt man meistens die genauen Ursachen nicht.
Im Alter kann dies durch Immobilität oder chronische Über- bzw. Unterbelastung entstehen (hierbei geht die Arthrose von der Knorpeloberfläche aus). Zusätzlich kann eine Verschiebung durch Wachstumshormone die Ursache dafür sein. Dabei wird die mineralisierte Knorpelzone dicker und die weiche Knorpelzone dünner (hierbei geht die Arthrose vom Knochen aus). Eine sekundäre Arthrose hingegen entsteht durch eine primäre Schädigung des Gelenkknorpels z. B. bei Stoffwechselstörungen (metabolische Arthrose), bei Fehlbelastungen infolge ständiger unphysiologischer Belastungen (Fehlbelastungsarthrose) oder durch eine Verletzung am Gelenkknorpel (posttraumatische Arthrose u. a.)
Was begünstigt Arthrose?
- Genetik,
- Medikamenteneinnahme (z. B. Antibiotika),
- unbehandelte Hüftverletzungen,
- Verschleiß durch eine X- oder O-Bein-Stellung,
- Übergewicht,
- Coxa valga,
- Coxa vara,
- Gicht,
- Diabetes mellitus,
- Bewegungsmangel,
- Schenkelhalsfraktur,
- Hüftdysplasien
Was kann man bei Hüftarthrose tun?
Ein Krafttraining sollte immer im schmerzfreien Bereich über die maximale Range of Motion (ROM) durchgeführt werden. Dadurch verbessert sich die Versorgung aller relevanten Strukturen der Hüfte. Wegen der geringen Gelenkbelastung kommt bei Hüftproblemen meist ein Kraftausdauertraining zur Anwendung. Je nach Belastbarkeit des Kunden kann mit der Zeit zu einem sanften Hypertrophietraining übergegangen werden. Die Mobilisation spielt bei Arthrosen und Hüftgelenksproblemen eine sehr große Rolle.
Einerseits wird dadurch die für den hyalinen Knorpel lebensnotwendige Synovialflüssigkeit produziert, die dann im Anschluss in den noch vorhandenen Gelenkknorpel einmassiert wird, zum anderen wird das Gelenk beweglicher. Dadurch werden alltägliche Bewegungen wieder besser durchführbar. Bei einer Hüftarthrose ist es wichtig, in alle Bewegungsrichtungen des Hüftgelenks zu trainieren.
Die hier vorgestellten Übungen stärken die hüftgelenkumspannende Muskulatur und sorgen so für eine stabile Hüfte, was besonders Kunden mit Hüftdysplasie, Arthrose oder nach einer Endoprothese zugutekommt.
Die 4 besten Übungen für Stabilität in der Hüfte
Kniestand mit Wippen
Ausführung (hier mit Olympiasieger Nils Schumann):
- Kniestand auf Matte
- Körper bleibt bei der Übung gestreckt
- Physiologische, fixierte Lordose einnehmen und halten
- Hände an die Ohren nehmen
- Körper so weit es geht nach hinten wippen
Gut trainierte Personen können die Arme auch gestreckt nach oben nehmen. Wenn die Übung zu schwer ist, die Hände parallel zum Körper fixieren.
Effekte: Kräftigung der Oberschenkel, der Hüftbeuger und der gesamten Bauchmuskulatur (längs)
Aufsteiger
Ausführung:
- Das linke Bein auf den Step stellen, den rechten Arm nach vorn anwinkeln
- Explosiver Abdruck vom Step nach oben, dabei wechseln das Bein und der Arm in der Luft
- Landung mit dem rechten Bein auf dem Step, dabei auf ein exzentrisches Nachlassen im rechten Bein achten
- Der Fuß hat immer nur einen kurzen Bodenkontakt und die Übung beginnt mit dem rechten Bein wieder von vorn.
- Die Beinwechsel müssen sehr dynamisch und schnell durchgeführt werden
Effekte: Aktivierung des M. glutaeus maximus sowie der ischiocruralen Muskulatur, Verbesserung des Gleichgewichts
Abduktion gegen Widerstand
Ausführung:
- Seitlage, unteres Bein gebeugt, oberes Bein gestreckt
- Zehen heranziehen
- Physiologische, fixierte Lordose, Becken vorn lassen
- Gegen den Druck des Trainers/Partners abduzieren
Effekt: Kräftigung der Abduktoren
Innenrotation liegend am Kabelzug
Ausführung:
- Bauchlage
- Schlaufe über dem Fuß anbringen
- Bauch anspannen
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- Angewinkeltes Bein nach innen führen (dadurch kommt es zu einer Innenrotation in der Hüfte)
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Effekt: Kräftigung der Innenrotatoren (M. gluteus medius und minimus sowie M. tensor fasciae latae) der Hüfte
Unser Tipp für alle Trainer: Das Trainermagazin
Diesen sowie weitere Artikel findest du in der TRAINER Ausgabe 05|2020
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Autor und Sportexperte: Stephan Müller
Der Vorstand des BPT e.V. arbeitet als PT mit zahlreichen Weltmeistern und Olympiasiegern. Der Inhaber des GluckerKollegs und mehrfache Buchautor ist regelmäßig als Experte bei ARD und SWR im Einsatz.