Der Puls gilt als Indikator dafür, wie anstrengend eine sportliche Betätigung ist. Über dieses Biofeedback versuchen immer mehr Ausdauersportler ihrer Trainingsbelastung zu steuern. In letzter Zeit rückt aber eine weitere Größe in den Blickpunkt der Sportwissenschaft: die Herzfrequenzvariabilität.
Die Herzfrequenzvariabilität (HRV, engl. Heart Rate Variability) beschreibt die Dauer von Herzschlag zu Herzschlag. Man könnte annehmen, dass unser Herz in Ruhe gleichmäßig schlägt und der Herzschlag bei intensiver werdender Belastung immer schneller wird. Erstaunlicherweise ist das aber nicht so.
Je variabler desto besser
Nehmen wir einmal an, Ihr Herz schlägt in Ruhe 60-mal pro Minute, dann könnte man meinen, es schlägt gleichmäßig im Sekundentakt. Tatsächlich lassen sich aber Abweichungen von bis zu 100 Millisekunden zwischen den jeweiligen Herzschlägen messen. Unser Herzschlag ist also viel variabler, als man glaubt. Dabei wird wieder einmal deutlich, dass die Intensität einer Bewegung nicht die einzige Größe ist, die auf unser Herz Einfluss nimmt.
Tatsächlich ist die Herzfrequenzvariabilität eine Antwort auf innere und äußere Reize, die über das autonome Nervensystem auf das Herz einwirken. Sind wir entspannt, ist die Variabilität des Herzens größer und nimmt mit zunehmender Belastung ab. Je mehr wir uns anstrengen, desto gleichmäßiger schlägt das Herz. Das macht es dann auch verständlich, dass sich ein guter Trainingszustand nicht etwa in einer niedrigen HRV widerspiegelt, sondern in einer hohen HRV.
Eine hohe Herzfrequenzvariabilität im Ruhezustand resultiert aus einer guten Anpassungsfähigkeit unseres Körpers auf verschiedene Reize, während eine niedrige HRV möglicherweise auf einen schlechten Trainingszustand, einen Infekt oder Übertraining hindeuten kann. Aus der HRV könnten wir also täglich Rückschlüsse auf unser Training ziehen.
(Ein weiterer ausführlicher Artikel: Was ist Herzfrequenzvariabilität?)
Es gibt viele Einflussfaktoren
Ist die Herzfrequenzvariabilität am Morgen hoch, so sind wir ausreichend ausgeruht von der letzten Trainingseinheit, wenig gestresst und bereit für das nächste Workout. Ist die HRV hingegen niedrig, sollten wir uns an dem Tag nicht zu intensiv belasten. Die Ursache für die niedrige HRV müssen wir allerdings selbst ermitteln.
Zeichnet ein Sportler seine Herzfrequenzvariabilität regelmäßig auf, erhält er wertvolle Informationen darüber, wie das Training auf seinen Körper wirkt. Wie lange braucht der Körper, um sich von einem Intervalltraining oder einem lagen Lauf zu erholen, sind die Pausen lang genug oder bahnt sich ein Infekt an?
Aufschluss über die HRV gibt beispielsweise ein Elektrokardiogramm (EKG) oder Apps für Smartphone, Tablett und Co. – mittels Brustgurt und speziellem ECG-Receiver fürs iPhone wird dann nicht nur die Herzfrequenz aufgezeichnet, sondern auch deren Variabilität.
Doch sichtbar machen, muss man die eigene HRV gar nicht unbedingt. Für die Trainingssteuerung scheint es auszureichen, wenn man sich eine Pulsuhr mit HRV-Messung zulegt. Mit dem Pulsgurt wird dann während des Trainings auch die Herzfrequenzvariabilität gemessen. So ermitteln moderne Pulsuhren Ihre Tagesform und berechnen nützliche Werte, die Sie gezielt für die Trainingssteuerung ausnutzen können.
Trainingssteuerung mit HRV optimieren
Dafür müssen Sie Ihre Pulsuhr aber vor der Benutzung mit einigen biometrischen Daten wie Größe, Gewicht, VO2max oder HFmax sowie Laufbestzeiten und Trainingsgewohnheiten füttern. Aus diesen Angaben, dem Trainingspuls und der Herzfrequenzvariabilität ermitteln die Uhren dann relativ genau Ihren Kalorienverbrauch oder eben auch den Training Effect.
Dieser Wert gibt Aufschluss darüber, wie intensiv eine Belastung für Sie war, wie oft Sie eine vergleichbare Belastung pro Woche verkraften und wie lange Sie sich davon erholen sollten. Das Training mit einer modernen Pulsuhr lässt sich also noch viel präziser steuern, als die meisten Ausdauersportler vermuten. Der Puls alleine hat jedenfalls wenig Aussagekraft und spiegelt nur eine Momentaufnahme wieder.
In Kombination mit weiteren Werten wie Wattleistung beim Radfahren, Laufgeschwindigkeit und eben der Herzfrenquenzvariabilität gibt der Puls wesentlich mehr über Sie preis als nur die aktuelle Intensität einer Betätigung. Nutzen Sie das mobile Diagnostiklabor an Ihrem Handgelenk, wenn Sie sich zielgerichtet verbessern wollen. Manchmal lohnt sich bereits ein Blick ins Benutzerhandbuch.
Jörg Birkel