Muskelmasse durch Krafttraining?

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Krafttraining kann in jeder Sportart die Leistungsfähigkeit erhöhen oder vor Verletzungen schützen. Trotzdem stehen in vielen Sportarten Sportler und Trainer dem umfassenden Einsatz von Krafttraining skeptisch gegenüber. Mehr über die Vor- und Nachteile des Krafttrainings erfahren Sie hier!

Begründet wird die Skepsis mit den möglichen Nachteilen eines massiven Anstiegs der Körpermasse, da oft davon ausgegangen wird, dass diese zusätzliche Last getragen werden muss. Entgegengesetzt werden kann hier, dass Muskelmasse auch die Muskelkraft erhöht, was als positiver Effekt in vielen Sportarten Vorteile bringt. Dabei wird Krafttraining immer gleichgesetzt mit dem Aufbau von Muskulatur, obwohl aus Sicht der Sportwissenschaft durchaus Methoden existieren, die die Kraft sehr gut steigern ohne dabei große Hypertrophieeffekte erwarten zu lassen. Diese Anpassungen beruhen auf einer verbesserten neuronalen Ansteuerung.

Viele Sportler verzeichnen eine Zunahme des Körpergewichts besonders nach der wettkampffreien Zeit. Als Ursache hierfür sehen die Athleten immer wieder ein verstärkt betriebenes Muskelkrafttraining. Es ist jedoch davon auszugehen, dass es sich hierbei um eine ungünstige Zunahme der passiven Körpermasse handelt. Diese Zunahme an Körperfett ist auf eine erhöhte Kalorienzufuhr bei gleichzeitigem Reduzieren des Trainingsumfangs zurückzuführen.(1) (Sie möchten zuhause trainieren? Erfahren Sie, was in der Basisausstattung für ein effektives Training zuhause nicht fehlen sollte!)

 

Energieüberschuss im Winter

In den Wintermonaten ist der Trainingsumfang in vielen Sportarten meist deutlich reduziert. Gleichzeitig begünstigt die Weihnachtszeit das Aufnehmen einer erhöhten Kalorienmenge. Die Zunahme von 2 kg Körperfett kann z. B. die Wettkampfzeit über 4.000 m in der Einerverfolgung um 1,5 Sek. bzw. 20 m verschlechtern.(2) Gerade in Ausdauerdisziplinen wird deshalb ein erhöhtes Körpergewicht zu Recht negativ gesehen.

 

Muskelmasse und Ausdauerleistungsfähigkeit

Aber nicht nur der Körperfettanteil und die Ausdauerleistung stehen in einem negativen Zusammenhang. Ein Mehr an Muskelmasse gilt für Ausdauersportler oftmals als Problem. So müssen die Muskeln im Radsport schließlich ständig mitfahren, während die Räder gewichtsoptimiert sind. Dasselbe gilt für das Laufen, bei dem das Gewicht mitbewegt werden muss. Muskeln gelten daher als ein „Überfluss“, der mit Sauerstoff und Energie versorgt werden will und damit negativ auf die Leistungsfähigkeit wirkt. Bei intensiven sportlichen Belastungen steigt der Energiebedarf beanspruchter Muskeln auf ein Vielfaches an. Dies führt zu einem entsprechend erhöhten Sauerstoff- und Energiebedarf. Ein dickerer Muskel benötigt dabei mehr Sauerstoff, was dazu führt, dass die Atemleistung eher an ihre Grenzen stößt. Ebenfalls gestalten sich bei einem vergrößerten Muskelquerschnitt die Diffusionsverhältnisse ungünstiger. Die Wege für den Austausch von Stoffwechselprodukten wie Milchsäure werden länger. Gleichzeitig verlängert sich der Transportweg für den Sauerstoff von den Arterien bis zu den Muskelfasern. Für Ausdauersportler ist jedoch eine Muskelmasse, die die Ausdauerleistungen negativ beeinflussen würde, kaum zu erreichen, auch nicht bei einem intensiv durchgeführten Krafttraining in den Wintermonaten. Das umfangreiche Ausdauertraining wirkt in Bezug auf den Muskelaufbau eher hemmend.

 

Muskelwachstum

Um ein messbares Muskelwachstum überhaupt erreichen zu können, ist von einer Trainingszeit von mehreren Wochen bis Monaten auszugehen.(3) Bei dieser Annahme wird intensives Krafttraining mit großem Volumen und mindestens 3 Trainingseinheiten pro Muskelgruppe in einer Woche bei trainierten Sportlern vorausgesetzt. Anfänger können jedoch auch schon mit geringerem Umfang wachstumswirksame Reize erzielen. In den ersten 2 bis 3 Monaten eines Krafttrainings resultieren die Kraftgewinne zu einem Großteil aus neuronalen Anpassungen (Verbessern der intraund intermusklären Koordination). Zahlreiche Untersuchungen konnten innerhalb der ersten Trainingswochen kein statistisch signifikantes Dickenwachstum der Muskulatur feststellen. Dies bedeutet jedoch nicht, dass innerhalb dieses Zeitraums keine Veränderungen des Muskelquerschnitts bzw. der Muskelmasse eintreten. Die Sensitivität der Messmethoden und das langsam voranschreitende Wachstum der Muskeln nehmen Einfluss auf den Zeitpunkt, an dem Hypertrophieeffekte festzustellen sind.(3) Tabelle 1 gibt einen Überblick darüber, ab welchem Zeitpunkt Krafttrainingsuntersuchungen einen statistisch signifikanten Hypertrophieeffekt feststellen konnten. In der Übersicht wird deutlich, dass bei komplexen und mehrgelenkigen Übungen, z. B. Kniebeuge und Beinpresse, im Durchschnitt erst nach 10 Wochen Hypertrophieeffekte nachzuweisen waren. Der Kraftzuwachs innerhalb der ersten Trainingswochen ist hierbei besonders auf eine Verbesserung der intermuskulären Koordination zurückzuführen (verbessertes Zusammenspiel aller an einer Bewegung beteiligter Muskeln). Bei eingelenkigen und koordinativ weniger anspruchsvollen Übungen, wie z. B. dem Beinstrecken am Gerät, war hingegen ein Muskelwachstum bereits nach 3 Wochen festzustellen. Bei Studienergebnissen zum Muskelwachstum ist jedoch immer auf die Methode des Bestimmens zu achten. Erhebungen mit einem Ultraschallgerät sind eher kritisch zu sehen, da das korrekte Wiederfinden eines Messpunkts nur schwer zu gewährleisten ist. Bildgebende Verfahren, wie das MRT hingegen sind sehr genau und erlauben sehr gute Rückschlüsse. Interessierten sei in diesem Zusammenhang die Arbeit von Klaus Wirth empfohlen!(3)

 

Fazit für Ausdauersportler

Dass selbst bei einem Krafttraining mit komplexen Übungen ein messbares Dickenwachstum der Muskeln erst nach mehreren Wochen festzustellen ist, macht deutlich, wie langsam die Muskulatur wächst – selbst bei intensivem Training. Jedes Kilo mehr an Muskelmasse verlangt eine konsequente und harte Arbeit im Kraftraum, besonders für Radsportler. Aus folgenden Ursachen ist für sie ein voluminöser Muskelaufbau ohnehin nur sehr schwierig zu erreichen:

– Krafttraining wird im Radsport nicht als das Haupttrainingsmittel eingesetzt, weshalb Umfang, Trainingsintensität und Häufi gkeit nicht ausreichen, um ein massiges Muskelwachstum zu erreichen.(1)

– Das hohe Gesamtvolumen des Ausdauertrainings auf dem Rad wirkt im Rahmen eines Krafttrainings kontraproduktiv, um Muskulatur aufzubauen.(1)

Die weit verbreiteten Bedenken von Radsportlern, massige Muskeln durch ein Krafttraining aufzubauen, sind daher unbegründet. In den Radsportdisziplinen liegt das Ziel eines Krafttrainings ohnehin in einem optimalen Konditionieren der Skelettmuskulatur – und nicht in einem maximalen Ausprägen der Muskeln wie beim Bodybuilding. Je nach Anforderung der Radsportdisziplin können gezielt Trainingsmethoden eingesetzt werden, die auf ein verbessertes Nerv-Muskel-Zusammenspiel abzielen. Die Muskelmasse bleibt hierbei fast unberührt.

 

Feststellen signifikannter

Muskelaufbaueffekte

(Hypertrophie nach Wochen)

Trainingsübungen

oder Muskelgruppe

Messmethode

Autoren der Untersuchung

4 Kniestrecken am Gerät Ultraschall Abe et al. 2000
2 Kniestrecken am Gerät Ultraschall Greiwing 2006
12  Kniebeuge Gewebeprobe (Biopsie) Häkkinen et al. 1985

10  

Beinpresse und Kniestrecken am Gerät Gewebeprobe (Biopsie) Housten et al. 1983

12

Beinpresse und Kniestrecken am Gerät   Gewebeprobe (Biopsie) Kraemer et al 1995
3 Kniestrecken am Gerät Computertomographie (CT) Lüthi et al. 1986
8 Armbeuger Messen des Oberarmumfanges Moranti und DeVries 1979

8

Beinpresse Magnetresonanztomographie (MRT) Narci et al. 1996
8 Armbeuger Magnetresonanztomographie (MRT) Wirth 2004

 

Dennis Sandig

 

Literatur:

1. Wagner, A., Mühlenhoff, S., Sandig, D. (2010): Krafttraining im Radsport, Elsevier: München

2. Journal of Applied Physiology (1983), Bd. 78 (4), S. 1596–1611

3. Wirth, K. (2005): Trainingshäufi gkeit beim Hypertrophietraining. Sport und Buch Straß: Köln

 

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Über den Autor

Dennis Sandig

Dennis Sandig arbeitete als Sportwissenschaftler am Institut für Sportwissenschaften der Julius-Maximilians Universität in Würzburg. Aktuell ist er bei der Deutschen Triathlon Union als Wissenschaftskoordinator und Referent für Bildung zuständig, sowie für das umfassende Aus- und Fortbildungsprogramm für Coaches im Triathlon.

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