Kniebeugevariation: Die Hackenschmidt-Kniebeuge. Von Patrick Meinart

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Die Hackenschmidt-Kniebeuge: Jede einzelne Kniebeugevariation hat ihre Stärken und Schwächen. Es gilt, die Variante zu finden, die den stärksten Effekt auf die Anatomie des Athleten und die jeweilige Zielsetzung hat. Gleichzeitig können die einzelnen Variationen als Assistenzübung für die reguläre Kniebeuge fungieren. Durch diese zusätzlichen Übungen kann der Fokus auf bestimmte Muskeln oder Bewegungsmuster gelegt werden, was langfristig zu einer Verbesserung der Kniebeuge im Allgemeinen führt.

Inhaltsverzeichnis:

Woher kommt die Hackenschmidt-Kniebeuge?

Die Hackenschmidt-Kniebeuge, bekannt geworden durch den Gewichtheber Georg Hackenschmidt, ist eine gute Alternative, um etwas Variation in das Training der Kniebeuge zu legen. Zu Unrecht wird diese Übung häufig vermieden, weil angeblich die Belastung im Kniegelenk sehr hoch ist. Doch wie bei allen anderen Übungen sollten auch hier individuelle Faktoren Beachtung finden. Ein gesundes Kniegelenk sollte keine Probleme bei der Ausführung der Hackenschmidt-Kniebeuge zur Folge haben.

Was ist eine Hackenschmidt-Kniebeuge?

Die Hackenschmidt-Kniebeuge ist die ursprünglichste Form der Kniebeuge, da es zu Beginn des 19. Jahrhunderts noch keine Langhantel gab und die Athleten ihre Kniebeuge noch mit Kurzhanteln und auf Fußspitzen ausführten. Etwa 20 Jahre später popularisierte Milo Steinborn die Technik mit der Ablage einer Langhantel auf dem Rücken. Die HSq aktiviert den Quadrizeps sogar stärker als in der Kniebeuge mit hoher Ablage.

Im Vergleich zur regulären Kniebeuge wird in der Hackenschmidt-Kniebeuge der M. rectus femoris mehr rekrutiert. Dies liegt daran, dass sich die Länge des Muskels im Vergleich zur regulären Kniebeuge stärker ändert, weil die Knie maximal flektiert werden, während die Hüftflexion geringer ist als bei der klassischen Kniebeuge. Einige EMG-Messungen zeigen sogar eine erhöhte Aktivität der Beinbeuger im HSq im Vergleich zur High-Bar-Beuge. Diese trainiert man in der klassischen Kniebeugenvariante häufig unzureichend. Daher könnte die HSq eine gute Alternative für das Muskelwachstum der Beine im Vergleich zur klassischen Kniebeuge sein.

Die Hackenschmidt-Kniebeuge kann als pure quadrizepsdominante Übung bezeichnet werden. Grundsätzlich gibt es zwei Varianten, die unterschieden werden: die Hackenschmidt-Maschine und die klassische freie Variante.  Das besondere an der HSq ist die Entlastung des Rückens sowie der Schultern während des Beugens.

Was bringt die Hackenschmidt-Kniebeuge?

Daher eignet sich diese Variante hervorragend bei Rücken- und Schulterbeschwerden. Das Gewicht liegt nicht unbequem auf, sondern in Form eines Polsters gut verteilt auf dem Schultergürtel. Doch darin liegt gleichzeitig der Nachteil der Übung: Obwohl die Beine intensiv bearbeitet werden können, fehlt der Transfer zur regulären Kniebeuge. Denn jede Übung, die die koordinativen Anforderungen des Athleten reduziert (geführte Bewegungen), reduziert auch die stabilisierende Muskulatur, wie zum Beispiel die tiefe Rückenmuskulatur. Durch die Spannungsreduktion auf den unteren Rücken fehlt es an Übertrag auf die Stabilität für die klassische Kniebeuge.

Die richtige Ausführung der Hackenschmidt-Kniebeuge

übungsanleitung: so führt man die hackenschmidt-kniebeuge richtig aus

1. Positioniere dich auf eine Erhöhung für einen stärkeren Knievorschub. Halte das Gewicht hinter dem Rücken.

übungsanleitung: so führt man die hackenschmidt-kniebeuge richtig aus

2. Schiebe deine Knie nach vorn und halte beim Absenken deinen Rücken gerade.

Für die Ausführung ist ein etwa hüft- bis schulterbreiter Stand zu empfehlen. Ob die Füße parallel oder leicht außenrotiert sind, macht keinen Unterschied (0 bis 30°). Es sollte der Winkel gewählt werden, der das beste Gefühl beim Beugen vermittelt und den bestmöglichen Knievorschub ermöglicht. Die Tiefe ist abhängig von der gewünschten Aktivierung der Muskulatur. Optimal ist es, etwas unter parallel zu beugen, um die Kniegesundheit aufrechtzuerhalten und dabei den Fokus auf Beinstrecker und Beinbeuger gleichermaßen zu legen.

Ein komplettes Absinken wie beim „Ass to Grass“-Squat (Gesäß bis zum Boden) ist nicht zu empfehlen, da in der maximalen Knieflexion die Spannung aus dem Beinstrecker verloren geht. Ein Absinken knapp unter 90° ist daher optimal. Ist das Ziel jedoch weniger die maximale Muskelfaserrekrutierung, sondern eher maximale Kniegesundheit über eine möglichst hohe Bewegungsamplitude, kann natürlich auch im vollem Bewegungsumfang trainiert werden. Hierbei ist zu beachten, dass auch in der tiefsten Position die Spannung gehalten werden sollte.

Hilfsmittel bei der Hackenschmidt-Kniebeuge

Eine Möglichkeit, die Spannung auf den Quadrizeps weiter zu erhöhen, ist die Verwendung von Gewichtheberschuhen. Durch den Keilabsatz erhöht sich die Aktivität der kniestabilisierenden Muskulatur. Häufig führt man die HSq auf einem erhöhten Keil aus. Dies erleichtert die optimale Ausführung, da der Keil (auch genannt „Squat Board“) einen erhöhten Knievorschub ermöglicht. Als Alternative kann man auch eine sogenannte Hackenschmidt-Maschine oder eine Multipresse nutzen.

Die meisten Hackenschmidt-Maschinen sind leider schlecht konstruiert, sodass eine Multipresse in der Regel zu bevorzugen ist. Der Vastus lateralis, der äußere Quadrizeps-Anteil, macht die größte Masse der Oberschenkelvorderseite aus. Besteht das Ziel darin, möglichst viel Fleisch auf die Beine zu packen, sollte man nur Teilwiederholungen (50°-Kniebeugung) durchführen. Zum einen kann man hierbei mehr Last bewältigen, zum anderen ist in der Teilwiederholung die EMG-Aktivität im Vastus lateralis am größten.

Häufige Fehler bei der Ausführung der Hackenschmidt-Kniebeuge

Bei der Hackenschmidt-Kniebeuge sollte man auf einen möglichst geraden Oberkörper achten (vor allem bei Ausführung in der Multipresse). Die Haltung des Oberkörpers hat ebenfalls einen Einfluss auf die Aktivität im Beinstrecker. Je aufrechter der Oberkörper, desto größer die Aktivität im Beinstrecker. Durch den starken Knievorschub ist es schwierig, den Oberkörper aufrecht zu halten. Abhilfe kann eine Fersenerhöhung schaffen, um bei steigernder Knieflexion den aufrechten Oberkörper gewährleisten zu können.

Dafür gibt es spezielle Keile, die man auf unterschiedliche Winkel einstellen kann. Je größer der Winkel, desto aufrechter kann man den Oberkörper halten. Je aufrechter der Oberkörper, desto höher ist die Aktivität im Quadrizeps. Streng genommen ist die Aktivität im Quadrizeps abhängig von dem Hüftwinkel, aus dem sich direkt die Oberkörperposition ergibt. Um die muskuläre Aktivität im Beinstrecker zu maximieren, sollte man einen möglichst großen Hüftwinkel anstreben.

Die Hackenschmidt-Kniebeuge mit der Langhantel

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Aufgrund der erschwerten Position tauchen auch in der Langhantelvariante der Hackenschmidt- Kniebeuge die meisten Fehler auf. Oftmals sieht man Athleten, die die Langhantel ohne Fersenerhöhung bis zum Boden komplett absetzen und dabei in eine starke Oberkörpervorlage gehen. Dies ist eine angepasste Form der HSq, die jedoch nichts mit der ursprünglichen Variante zu tun hat, wie sie zum Beispiel Steeve Reeves oder Larry Scott ausgeführt haben. Eine korrekte „Langhantel-Hackenschmidt-Kniebeuge“ besticht durch eine konstant senkrechte Oberkörperposition. Alles andere ist keine echte Hackenschmidt.

Je geringer die Mobilität im Sprunggelenk, desto eher braucht man einen Keil, um eine akzeptable Tiefe zu erreichen.

Folgendes Tempo ist bei der Hackenschmidt-Kniebeuge zu empfehlen

50×0 bei vollem Bewegungsumfang, 32×0 bei Teilwiederholung

Eine Pause von zwei Sekunden in der Teilwiederholung ist deshalb angebracht, weil in der Regel im höchsten Drehmoment gehalten wird.

Dadurch erhöht sich deutlich die Spannung in der Oberschenkelvorderseite. Durch den aufrechten Oberkörper nimmt die Spannung nicht nur am Ansatz des M. rectus femoris zu, sondern auch am Ursprung. Natürlich sind auch die anderen Anteile des Quadrizeps involviert, doch deutet ein Spannungsgefühl am Ursprung des M. rectus femoris auf eine saubere Technik hin.

Bei der kompletten Bewegungsamplitude ergibt sich in der tiefsten Position ein Spannungsverlust im Oberschenkel. Daher ist ein Halten in der tiefsten Position gleich einer Erholungspause. Auch wenn es zu einem Spannungsverlust kommt, sollte man dennoch die volle Ausführung in Betracht ziehen, da vor allem hierbei der Fokus auf die konzentrische Phase mit geradem Oberkörper gelegt werden sollte. Schwere Sätze sind nicht zu empfehlen.

Trainingstipps für die Hackenschmidt-Kniebeuge

Den Fokus sollte man auf ein volumenorientiertes Training legen. Das „German Volume Training“ eignet sich sehr gut als Ansatz für die HSq. Optimal ist die Verwendung der Hackenschmidt als abschließende Übung oder als B-Serie im Training. Nach einem intensiven Training der Beine mit freien Kniebeugen eignet sich somit die Hackenschmidt optimal im Sinne der Nachermüdung.

Autor und Sportexperte: Patrick Meinart

Patrick Meinart hat Psychologie und Sport in Köln studiert. Seit 2012 führt er das Ausbildungsinstitut RELEASE FITNESS, das schwerpunktmäßig Fortbildungen im Bereich Mobility und im neurozentrierten Training anbietet. Jährlich schult er bis zu 1000 Trainer in Seminaren und Vorträgen. Als Redner und Referent ist er europaweit tätig.

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