Atemtraining: Wie atmet man richtig und was verrät die Atmung über einen Trainierenden? Erik Strupat stellt einfache Übungen und Tests vor, mit denen deine Kunden ihre Atmung gezielt kontrollieren und trainieren können.
Wann ist Atemtraining sinnvoll?
Anhand der Atmung kann jeder Trainer erkennen, in welchem Zustand sich sein Kunde während des Trainings gerade befindet. Wie sagte der israelische Star-Coach Ido Portal: „Wenn du nicht atmen kannst, ist die Übung zu schwer.“ Denn die Atmung reguliert u. a. das Zusammenspiel zwischen Anspannung und Entspannung, also dem sympathischen und dem parasympathischen System. Für Trainer ist es wichtig, darauf zu achten, dass die Balance zwischen Anspannung und Entspannung vorhanden ist bzw. wiederhergestellt wird. Nur so kann langfristig eine verbesserte Fitness und Gesundheit bei Kunden erzielt und auch gehalten werden.
Wie beeinflusst Atmung die Bewegung?
Es gibt zwei Möglichkeiten zu atmen: entweder durch den Mund oder durch die Nase. Da die Mundöffnung größer ist als der Naseneingang, können wir hier mehr Luft aufnehmen, was z. B. beim Sport helfen kann. Die Nasenatmung gilt allgemein allerdings als „gesünder“, da die kleinen Härchen und die Schleimhäute in der Nase die Luft filtern, erwärmen und befeuchten, bevor sie über die Luftröhre in die Lungen gelangt. Jede Atembewegung wird bewusst oder unbewusst über das Gehirn innerviert, genau genommen über den Nervus phrenicus (Zwerchfellnerv), der aus dem 3. bis 5. Halssegment entspringt. Je größer der Spielraum des Zwerchfells ist, desto freier und effizienter ist die Atmung. Eine zu hohe oder zu geringe Spannung oder Aktivität im Zwerchfell kann zu Muskelverspannungen im ganzen Körper führen, wie zum Beispiel Nacken- und/oder Rückenschmerzen. Trainer können den Einfluss der Atmung auf die Bewegungsqualität bei ihren Kunden ganz einfach testen.
Gebe deinem Kunden folgende Anweisungen:
- Mache beim Ausatmen einen Zischlaut.
- Mache das so lange wie du kannst, bis du das Gefühl hast, dass alle Luft aus deinen Lungen entwichen ist. Dabei nicht pressen!
- Zum Schluss den letzten Rest Luft ausstoßen.
Mache davor mit dem Kunden einen Beweglichkeitstest (z. B. „toe touch“) und absolviere nach der Übung den Test noch einmal. Schau, was sich verändert hat. Diese Übung kann zur Entspannung des Zwerchfells beitragen. Möglicherweise werden sich die nächsten Atemzüge viel volumenreicher und tiefer anfühlen als sonst.
O2 und CO2 durch Atemtraining ins Gleichgewicht bringen
Eine effiziente Atmung ist vor allem in unserer heutigen, oftmals stressgeplagten Gesellschaft unverzichtbar. Sie transportiert überlebenswichtigen Sauerstoff mithilfe der roten Blutkörperchen in unseren gesamten Körper. Zudem benötigen wir Sauerstoff, um unsere Nahrung zu verstoffwechseln. Dieser Prozess wird auch Zellatmung genannt; er dient allen Vitalfunktionen des Körpers, unter anderem der Aktivierung der Muskulatur. Ohne genügend Sauerstoff kann keine Zelle in unserem Körper existieren. Unser Körper benötigt Sauerstoff, um überhaupt zu existieren und zu funktionieren.
Kohlendioxid ist ein Abfallprodukt der Zelloxidation, das wieder vom Blut aufgenommen wird. Beim Ausatmen wird es dann über die Alveolen aus dem Körper entfernt und abgeatmet. Bei effizienter Atmung entsteht ein Gleichgewicht zwischen O2 und CO2. Bei einem Ungleichgewicht kann es langfristig zu starken Verspannungen, Schmerzen oder sogar Krankheiten kommen. Das beste Beispiel, was passieren kann, wenn zu wenig Sauerstoff im Organismus ist, ist ein ischämischer Schlaganfall. Hier wird die Sauerstoffzufuhr zum Gehirn unterbrochen, was schwere Auswirkungen haben kann, die noch Jahre später zu spüren sind.
Test: Wie effizient ist deine Atmung?
In jeder Minute atmen wir zwischen 6- und 20-mal. Es gibt sogar Menschen, die aufgrund unterschiedlicher Stressfaktoren bis zu 30 Atemzüge in der Minute benötigen. Im Durchschnitt atmen wir also 20.000-mal pro Tag und mehr als 7 Millionen Mal pro Jahr. Diese Zahlen verdeutlichen, warum eine effiziente Atmung so wichtig ist. Der nachfolgend beschriebene Atemzugtest kann auf einfache Art darstellen, ob ein Gleichgewicht zwischen O2 und CO2 vorhanden ist. Versuche, so realitätsnah wie möglich vorzugehen, und lass deinen Kunden dabei genauso atmen, wie er es im normalen Alltag auch macht.
- Lasse deinen Kunden mit aufrechter Wirbelsäule sitzen oder führe den Test im Stehen aus.
- Stelle einen Timer/eine Stoppuhr auf 60 Sekunden.
- Zähle ab dem ersten Einatmen die Atemzüge, die in 60 Sekunden erfolgen. Als ein Atemzug zählt Einatmen und Ausatmen.
- Achte als Coach darauf, dass die Atmung vor und nach dem Test normal und entspannt weiterläuft, d. h. ohne nach Luft zu schnappen.
Auswertung: Alles bis zu zwölf Atemzügen in 60 Sekunden ist gut. Je weniger, desto besser. Bei mehr Atemzügen beginnt die sogenannte Hyperventilation. Das bedeutet, wenn dein Kunde mehr als 12 Atemzüge benötigt, ist seine Atmung sehr flach.
Atemtraining zur Verbesserung der Atmung
Es gibt eine einfache Übung, die schnell dabei hilft, den O2- und den CO2-Haushalt zu verbessern und somit das Stresslevel der Kunden zu reduzieren: der „Air Hunger Drill“. Die Übung kann im Liegen, Sitzen oder im Stehen ausgeführt werden und wird folgendermaßen angeleitet:
- Lege deine Hände an die Rippenbögen.
- Atme dreimal durch die Nase tief ein und aus und spüre, wie sich deine Rippen beim Einatmen weiten und beim Ausatmen wieder zusammenziehen.
- Halte nach dem dritten Mal des Ausatmens die Luft so lange wie möglich an.
- Notiere dir bei Bedarf die Zeit, um deine Fortschritte kontinuierlich zu messen.
Sollte die Übung in den täglichen Trainingsplan integriert werden, empfehlen sich drei bis fünf Wiederholungen täglich für mindestens 21 Tage. Spätestens danach muss man die Resultate testen und nur bei weiterer Verbesserung sollte man die Übung beibehalten. Ich empfehle folgende Vorgehensweise:
- Atemzugtest
- Beweglichkeitstest deiner Wahl
- „Air Hunger Drill“
- Test wiederholen
Stressauswirkungen durch gezieltes Atemtraining reduzieren
Die Atmung ist eine der wichtigsten Aspekte für ein stressfreies und gesundes Leben, da ihre Aktivität vom Zusammenspiel zwischen Sympathikus und Parasympathikus reguliert wird. Der Sympathikus steuert unsere Anspannung und der Parasympathikus ist verantwortlich für unsere Entspannung. Beide zusammen bilden das autonome Nervensystem, das für die Interozeptionsfähigkeit verantwortlich ist. Als Interozeption bezeichnet man die Wahrnehmung des Körperinneren.
Durch die sogenannte Stressatmung (flache Atmung in den Brustraum) entsteht bei vielen Menschen ein sehr hoher Reiz auf den Sympathikus, der im Alltag kaum ausgeglichen wird, da der Parasympathikus wenig bis gar nicht genutzt wird. Durch diese resultierende Dysbalance im autonomen Nervensystem können viele Schmerzbilder oder aber auch Bewegungseinschränkungen entstehen. Genau hier können Trainer und Coaches ansetzen, um eine Besserung zu erzielen. Schlussfolgernd lässt sich sagen, dass jeder Trainingsplan, egal, welches Ziel dieser verfolgt, ein Atemtraining enthalten sollte. Um wirklich nachhaltige Veränderungen zu bewirken, sollte man täglich ein gezieltes Atemtraining von ca. 20 bis 30 Minuten absolvieren – vorausgesetzt, es ist mit dem alltäglichen Leben vereinbar.
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Autor: Erik Strupat
Schmerzcoach und Experte für Migräne; Gründer und Ausbilder von Painfree Fascia. Seine Devise: Verstehe die Verbindung zwischen körperlichen und emotionalen Ursachen bei Schmerzen.