Achtsamkeitstraining im Sport – Leistung steigern und Stress reduzieren

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Achtsamkeitstraining: Franziska Manicke erklärt, wie Trainer das Achtsamkeitsprinzip in ihr Angebot integrieren, es authentisch vermitteln und für ihre Kunden nutzbar machen können. Auch der achtsame Umgang von Coachs mit ihren Klienten ist Thema des Artikels.

Warum ist Achtsamkeitstraining heute besonders wichtig?

Mit WhatsApp, Instagram, Facebook, Netflix und Co. gehört eine ständige Reizüberflutung mittlerweile zu unserem Alltag. Tagtäglich strömt eine Flut von Informationen auf uns ein. Dazu kommt der steigende Druck, permanent verfügbar sein zu müssen. Um damit fertig zu werden und stressbedingten Erkrankungen vorzubeugen, wird bei vielen Menschen der Wunsch nach Ausgleich, innerer Ruhe und Entspannung immer präsenter. Achtsamkeitsbasierte Verfahren im Fitnesstraining sind in Zeiten zunehmender Digitalisierung gefragter denn je.

Was versteht man unter Achtsamkeit?

Unter Achtsamkeit versteht man die Fähigkeit, seine Aufmerksamkeit auf den gegenwärtigen Moment zu lenken, ohne die aufkommenden Gedanken oder Gefühle zu bewerten. Seinen Weg in die westliche Welt fand das aus dem Buddhismus stammende Achtsamkeitsprinzip durch den Molekularbiologen Jon Kabat-Zinn. Unter dem Namen „Mindfulness-based stress reduction“ (MBSR) entwickelte er ein achtsamkeitsbasiertes Behandlungsprogramm gegen Stress und chronische Schmerzen.

Eine achtsame Haltung soll helfen, Stress zu reduzieren und die Gesundheit zu fördern. Auch in der Fitnesswelt, in der Apps und Smartwatches Training und Gesundheit zunehmend digital verwalten, bietet Achtsamkeitstraining die Möglichkeit, zu einem echten und bewussten Erleben seines eigenen Körpers zurückzukehren. Durch Achtsamkeit im Training sollen die notwendige Erholung, die Stressbewältigung, die Förderung der physischen und mentalen Gesundheit sowie eine Leistungssteigerung im Sport herbeigeführt werden.

Wie kann Achtsamkeitstraining im Sport genutzt werden?

Doch wie können Trainer das Achtsamkeitsprinzip in ihr Angebot integrieren und für Kunden nutzbar machen? Zunächst sei darauf hingewiesen, dass die Forschung zu achtsamkeitsbasierten Verfahren im Sport noch recht jung ist. Daher ist ein sorgsamer Umgang mit dem Thema geboten. Derzeit boomt das Angebot an Achtsamkeit beinhaltenden Übungsformen und Kursformaten. Das wirft die Frage auf, ob hier tatsächlich von achtsamkeitsbasierten Methoden die Rede sein kann oder ob nur der Hype werbewirksam genutzt wird. Tatsächlich gehören Yoga, Tai-Chi und Qigong zu den bewegungsbasierten Achtsamkeitsverfahren. Allerdings praktiziert nicht automatisch jeder, der zum Yogakurs geht, gleichzeitig auch Achtsamkeit.

Wie werde ich Achtsamkeitstrainer?

Da es sich bei Achtsamkeit nicht um eine Auswahl von Techniken und Übungen handelt, täuscht der Eindruck, dass deren Vermittlung relativ einfach erscheint. Entscheidend sind die besondere innere Haltung und die Lenkung der Aufmerksamkeit auf die aktuelle Wahrnehmung. Außerdem auch die bewusste Auseinandersetzung mit Denk-, Handlungs- und Bewertungsmustern. Nur so kann man die oben genannten positiven Effekte von Achtsamkeit im Sport erzielen.

Für einen Trainer, der Achtsamkeitsmethoden in sein Angebot integrieren möchte, bedeutet dies, dass er bereits über eigene Erfahrungen in diesem Bereich verfügen sollte. Im besten Fall hat er eine entsprechende Ausbildung zum Achtsamkeitstrainer absolviert hat. Je mehr Erfahrung ein Trainer selbst mit Achtsamkeitsmethoden hat, je mehr er selbst experimentiert und versucht, Achtsamkeitsübungen in das eigene Training zu integrieren, umso besser und authentischer kann er die Prinzipien vermitteln und auch während des Coachings achtsam im Umgang mit seinen Kunden sein.

Phil Jackson, einer der erfolgreichsten NBA-Basketballtrainer aller Zeiten, verfolgte einen ganzheitlichen Trainingsansatz, in den er Prinzipien der Achtsamkeit integrierte, wie er in seinem Buch „Eleven Rings: The Soul of Success“ beschreibt. Er war der Ansicht, dass die Spieler seine Anweisungen umso besser verinnerlichen und davon profitieren konnten, je mehr er selbst mit dem Herzen dabei war. Um den Fokus besser auf ein anstehendes Spiel lenken zu können, wendete er bei seinem Team Meditationsübungen und Atemtechniken an. Grundsätzlich gibt es zwei verschiedene Möglichkeiten, wie Trainer achtsamkeitsbasierte Methoden in das Fitnesstraining integrieren können:

  • Entweder sie bieten einen auf den Sportler zugeschnittenen Achtsamkeitskurs an oder
  • sie integrieren achtsamkeitsbasierte Elemente in den regulären Trainingsablauf.

Wie kann ein Achtsamkeitstraining aussehen?

Der große Vorteil eines eigenständigen Achtsamkeitskurses liegt darin, dass eine intensivere und nachhaltigere Auseinandersetzung mit dem Thema stattfindet. Demgegenüber steht die Notwendigkeit, zusätzliche Ressourcen für die Umsetzung zu schaffen – angefangen bei geeigneten Räumlichkeiten über die Bereitstellung von Übungsmaterialien bis hin zur schon beschriebenen fachlichen Qualifikation des Kursleiters. Achtsamkeitsprogramme umfassen in der Regel sechs bis acht Termine mit relativ langen Einheiten von zwei bis drei Stunden.

Eines der bekanntesten, bereits bestehenden Achtsamkeitsprogramme für Sportler ist das „Mindful Sports Performance Enhancement“ (MSPE), das im Rahmen von sechs Einheiten folgende Schwerpunkte in Theorie und Praxis vermittelt:

  • Einführung in die Grundlagen der Achtsamkeit (building mindfulness fundamentals
  • Stärkung der Aufmerksamkeit (strengthening the muscle of attention)
  • Die Grenzen des Körpers achtsam verschieben (stretching the body’s limits mindfully)
  • Annehmen „Was ist“ im Gehen und Laufen (embracing „what is“ in stride)
  • Verkörperung des achtsamen Sportlers (embodying the mindful performer)
  • Etablierung der Achtsamkeit im Sportalltag (ending the beginning)

Es ist sinnvoll, die einzelnen Einheiten nach einem einheitlichen Schema aufzubauen, um die Teilnehmer durch wiederkehrende Rituale und Abläufe abzuholen und einen vertrauten Rahmen für eine erfolgreiche Achtsamkeitspraxis zu schaffen. Hierzu bietet es sich an, jede Einheit mit einer Einführungsübung zu beginnen und mit der gleichen Übung abzuschließen. Nach der Einführungsübung, z.B. einer Atemmeditation, erfolgt eine kurze Wiederholung der letzten Einheit mit Austausch über Schwierigkeiten und Erfahrungen hinsichtlich der Achtsamkeitspraxis zu Hause. Anschließend erfolgt die Überleitung auf das Hauptthema der aktuellen Sitzung, das aus einem Mix aus Theorie und praktischen Achtsamkeitsübungen besteht.

Wie können achtsamkeitsbasierte Elemtente in das Training integriert werden?

Die zweite Möglichkeit, die Integration achtsamkeitsbasierter Elemente in das reguläre Training der Kunden oder in bestehende Kurse, ist sicherlich einfacher bzw. mit weniger Aufwand verbunden. Damit die gewünschten Effekte gewährleistet auch eintreten, sollte der Trainer seinen Kunden vor allem während der ersten Achtsamkeitsübungen deutlich machen, was Achtsamkeit eigentlich ist und inwiefern sie im Rahmen der Übungen umgesetzt wird. Zur Erinnerung: Ziel ist es, den Moment bewusst wahrzunehmen und die erfahrenen Sinneseindrücke, Gefühle und Gedanken zu akzeptieren, ohne sie zu bewerten oder verändern zu wollen.

Achtsamkeitsbasierte Methoden als Ergänzung zum Fitnesstraining

Atemmeditation: Die gegenwärtige Aufmerksamkeit schrittweise auf den Atem lenken und dort zentrieren. Diese Verankerung im Atem dient als Ausgangsbasis für jegliche weiterführende Übung. Sie soll vor anstehenden Herausforderungen die Aufmerksamkeit und den Fokus verbessern. Dabei ist es völlig normal, dass die Aufmerksamkeit oder die Gedanken immer mal wieder abschweifen können. Wichtig ist nur, dies wahrzunehmen und den Fokus immer wieder zum Atem zurückzulenken. Die Übung dauert drei bis vier Minuten und kann im Sitzen, Liegen, Stehen oder während einfacher Körperübungen durchgeführt werden. Sie hilft beim Ankommen und Fokussieren zu Beginn eines Trainings oder dient als Ausklang danach, um den Körper in die Regenerationsphase zu bringen. Im Internet finden sich zahlreiche Übungstexte, die vom Trainer angeleitet oder als Audiodatei zur Verfügung gestellt werden können.

Gehmeditationen: Achtsames Gehen ist eine der ältesten Meditationsformen aus dem frühen Buddhismus und für einige Menschen leichter zugänglich als die Meditation im Sitzen. Der meditative Charakter ist je nach Umgebung und Gehgeschwindigkeit mehr oder weniger vordergründig. Man kann mit verschiedenen Geschwindigkeiten bis hin zum achtsamen Laufen beliebig experimentieren. Eine Gehmeditation zu Beginn des Trainings im Rahmen des Aufwärmens, als Cooldown oder während Pausen verwenden.

Achtsamkeitstraining für eine bessere Körperwahrnehmung

Bodyscan: Der Bodyscan eignet sich besonders für Sportler, da die Aufmerksamkeit auf die körperliche Ebene gelenkt wird. Das Körpergefühl, die Bewegungseffizienz und die Leistungserbringung verbessern sich dadurch. Außerdem reduziert ein Bodyscan das subjektive Stressempfinden und fördert so Entspannung und Regeneration. Auch hier gibt es zahlreiche Anleitungen als Audiodateien zum Download, z. B. kostenlos bei einigen Krankenkassen. Im Optimalfall sollte der Trainer die Anleitung selbst vornehmen. Die Übung wird meist im Liegen durchgeführt, ist aber auch im Sitzen oder Stehen möglich. Die Aufmerksamkeit nacheinander auf einzelne Körperstellen richten. Diese können je nach Zielsetzung und zur Verfügung stehender Zeit (1–10 Minuten) variieren.

Achtsame Körperübungen: Hier können ausgewählte Elemente aus dem Yoga, Tai-Chi oder Qigong zum Einsatz kommen. Dabei ist es wichtig, dass die Übungen nicht zu komplex sind und langsam ausgeführt werden. So kann man sie leicht mit der Aufmerksamkeit verfolgen. Es lassen sich Übungsreihen zusammenstellen, bei denen die Verbesserung von Bewegungsbewusstsein und -ausführung im Vordergrund steht.

Effekte von Achtsamkeitstraining

  • Zunehmende Körperwahrnehmung
  • Mehr Wohlbefinden
  • Verletzungsprävention durch Vermeidung von Überlastung
  • Mehr Konzentration und Aufmerksamkeit
  • Leistungssteigerung
  • Reduktion und Prävention von Stress
  • Verbesserung des Immunsystems
  • Intensiveres Erleben

Mögliche Kontraindikationen

Werden diese Methoden regelmäßig praktiziert, können die mit einer gestärkten Achtsamkeit einhergehenden positiven Effekte erzielt und das Training optimiert werden. Abschließend sei darauf hingewiesen, eventuelle Kontraindikationen abzuklären, bevor Achtsamkeitstraining zur Anwendung kommt. Zu den Kontraindikationen insbesondere von Methoden, die Meditation beinhalten, zählen Borderline-Störungen, akute Depressionen, akuter Drogen-, Medikamenten- oder Alkoholmissbrauch sowie Suizidgefährdung. Bei psychotherapeutischer Behandlung sollte die Zustimmung des Therapeuten eingeholt werden.

Autorin und Sportexpertin: Franziska Manicke

Die Diplom-Sportwissenschaftlerin war viele Jahre in der Trainingstherapie tätig und arbeitet jetzt als Studientutorin bei der Deutschen Sportakademie. Sie beschäftigt sich insbesondere mit neuen wissenschaftlichen Ansätzen zur Leistungssteigerung und Rehabilitation nach Sportverletzungen.

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