Wenn Sie Sportler sind, hat Sie Ihr Trainer bestimmt schon oft zur Konzentration angehalten und Sie haben Ihr Bestes getan. Aber worauf konzentrieren Sie sich? Die häufigste – und ehrlichste – Antwort ist die, dass Sie sich darauf konzentrieren sich zu konzentrieren – was für die Sache in gewisser Weise kontraproduktiv ist. Psychologen haben sich bemüht, eine Definition von Konzentration und Aufmerksamkeit zu erarbeiten, um von einer gemeinsamen Ausgangsbasis aus zu agieren.
Dabei wurde klar, dass beide Begriffe untrennbar miteinander verbunden sind.(1)
Robert Nideffers Buch Attention Control Training (A.C.T. 1976) ist als Meilenstein in der Entwicklung der Aufmerksamkeitsforschung zu sehen. Nideffer setzt als gegeben voraus, dass sich der Aufmerksamkeitsfokus eines Individuums jederzeit in eine von 4 Kategorien einordnen lässt, die durch Weite (weit/eng) und Richtung (nach innen gerichtet/nach außen gerichtet) des individuellen Fokus bestimmt werden. Im Folgenden möchte ich kurz den Aufmerksamkeitsprozess beschreiben, der bei allen von Nideffers Kategorien zur Anwendung kommt.
Justieren der Körperhaltung
Ein enger, nach innen gerichteter, Fokus ist ein auf innere und kinästhetische Aspekte der Leistung gerichteter Fokus, den man auch als Bodycheck bezeichnen kann. So überprüft z.B. der Turmspringer seine Körperhaltung in der Luft, oder der Läufer seine Erschöpfung während eines Sportevents. Die Position der Gliedmaßen im Raum ist ein wichtiges Ziel der Aufmerksamkeit, das vor allem für Turmspringer oder Turner von Bedeutung ist, da ihre Sportarten nach technischen Gesichtspunkten bewertet werden. So wird der Turner vor der Ausführung seiner Barrenübungen kontrolliert Atmung und Herzfrequenz anpassen. In der Bewegung werden dann beide Sportler ihre Körperhaltung justieren, um so viele Punkte wie möglich auf der Richtertafel zu erzielen. Zum Schluss werden sie (unbewusst?) einen weiteren Check im Hinblick auf lokale Erschöpfung und die üblichen physiologischen Erregungsparameter wie Schwitzen etc. durchführen, die als Indikatoren für die wahrnehmbare Anstrengung gelten.
Wichtig: Strategieentwicklung
Ein weiter, nach innen gerichteter, Fokus ist unumgänglich für analytische Gedanken und Strategieentwicklung und somit extrem wichtig für fast jeden Sport. Selbst Langstreckenläufer, deren Aktionsablauf während des Laufens extrem begrenzt ist, entwickeln eine Art Strategie, um die bestmögliche Leistung zu erzielen. Auf Fußballer trifft das in besonderem Maße zu, obwohl es hauptsächlich zum Aufgabenbereich des Managers gehört, nicht nur die Rolle des einzelnen Spielers, sondern die des gesamten Teams auszuarbeiten.
Radfahrer und Golfspieler
Ein enger, nach außen gerichteter, Fokus ist nötig für die Verlagerung der Aufmerksamkeit auf einen bestimmten Punkt im äußeren Umfeld. So kann z.B. der Radfahrer, der im Rennen den 2. Platz einnimmt, seine Aufmerksamkeit auf das Hinterrad des führenden Radfahrers richten, um die richtige Zeit zum Überholen abzuschätzen. Ein noch offensichtlicheres Beispiel ist der Ballspieler, der fast das ganze Spiel über auf den Ball konzentriert ist.
Ein weiter, nach außen gerichteter, Fokus impliziert die Einschätzung des angrenzenden Umfelds. Ein Golfspieler macht sich dies zunutze, um die vorherrschenden Wetterverhältnisse, die Struktur des Lochs, mögliche Risiken usw. zu beurteilen. Ein Hockeyspieler dagegen macht davon Gebrauch, indem er die relative Position seiner Mitspieler und Gegner einschätzt, um seinen bestmöglichen Platz auf dem Spielfeld zu bestimmen.
Fokuswechsel
Unterschiedliche Leistungssituationen erfordern unterschiedliche Aufmerksamkeitsgrade. So müssen z.B. der oben angeführte Golfspieler ebenso wie der Hockeyspieler immer wieder zwischen einem weiten und einem engen, nach außen gerichteten, Fokus umschalten – jedoch mit unterschiedlicher Geschwindigkeit und unterschiedlicher Häufigkeit. Ein guter Golfspieler wird bei einer Runde Golf seinen Fokus auf diese Weise ungefähr 66 x verändern – oder auch weniger häufig, wenn er zu den Tiger Woods dieser Welt gehört. Und zwar verändert er ihn bei jedem Schlag, indem er erst die Bedingungen einschätzt, sich dann auf das Fähnchen konzentriert (eng, nach außen gerichtet) und anschließend auf den Ball. Das Umfokussieren der Aufmerksamkeit erstreckt sich hier über ungefähr 4 Stunden. Der Hockeyspieler ist hingegen gezwungen, seinen Fokus schneller und häufiger von scharf sehen auf zielen umzuschalten.
Geschlossene und offene Fertigkeiten
Die oben angeführten Sportarten beleuchten noch eine andere wichtige Komponente des Sports: die Art der erforderten Fertigkeit. Bei Sportarten wie Golf und Laufen spricht man von geschlossenen Fertigkeiten: Es handelt sich um Aktivitäten in einem selbstbestimmten Tempo und in einer (relativ) vorhersehbaren, stabilen, sich nicht verändernden Umgebung. Im Gegensatz dazu spricht man bei Sportarten wie Fußball und Hockey von offenen Fertigkeiten, da das Tempo fremdbestimmt und die Umgebung wechselnd und instabil ist – mit anderen Worten: Die Leistung des Individuums wird von den Leistungen der Teamkameraden und der Gegner mitbestimmt.
Sportarten mit geschlossenen Fähigkeiten erfordern in der Regel auch einen nach innen gerichteten Aufmerksamkeitsfokus. Obwohl die nach außen gerichteten Fokusse des Golfspielers von mir angeführt wurden, ist seine Konzentration vor allem auf Strategieentwicklung (weit, nach innen gerichtet) und Bewusstheit der Körperhaltung im Raum (eng, nach innen gerichtet) fokussiert. Vor allem bei der Strategieentwicklung handelt es sich um einen kontrollierten Prozess (d.h. langsam, nachdenklich und beschwerlich), während bei der Bewusstheit von einem automatischen Prozess die Rede ist (schnell, instinktiv und effizient). Bei Sportarten mit offenen Fähigkeiten ist dagegen die Aufmerksamkeit des Individuums auf das äußere Umfeld gerichtet.
Kognitive Strategie
Ein anderer Aspekt von Nideffers Aufmerksamkeitskontrolltraining ist der, dass Aufmerksamkeitsfertigkeiten Qualitäten offenlegen können, die mit Charakterzügen vergleichbar sind, d.h. eine unterschwellige persönliche Disposition. Damit können sie bei der Vorhersage der individuellen Leistung nützlich sein. Dem Trainer oder dem ausführenden Sportler hilft das bei der Analyse des Gegners vor dem Wettkampf, um dessen Schwächen aufzuspüren. Elitesportler und Kinder mit ADS weisen Extreme in der Aufmerksamkeitsfunktion auf, die mit Charakterzügen vergleichbar sind. Solche Verhaltensweisen sind nur schwer veränderbar. Das kann jeder bestätigen, der einmal versucht hat, ein solches Verhalten zu therapieren. Umgekehrt können Aufmerksamkeitsfähigkeiten auch zustandsabhängig sein – mit anderen Worten, sie verändern sich von Situation zu Situation und sind deshalb modifizierbar. Die Ausprägung und Nutzbarkeit verschiedener Aufmerksamkeitsfokusse in unterschiedlichen Situationen sind für den sportlichen Erfolg von zentraler Bedeutung. Wissenschaftler haben nahegelegt, von einer kognitiven Strategie zu sprechen, wenn ein Aufmerksamkeitsfokus in einer vorgegebenen Richtung und einer vorgegebenen Weite eingesetzt und regelmäßig genutzt wird, um die Leistung zu verbessern. Viele alte Studien haben sich mit den von Ausdauersportlern, vor allem von Läufern, angewandten kognitiven Strategien beschäftigt. In einigen neueren Studien wird jetzt der Wert dieser Strategien bei anderen Sportarten wie Rudern und Schwimmen untersucht.
Vergleichbar mit Nideffers Aufmerksamkeitsfokussen sind die Konzepte von Assoziation und Dissoziation, die in der Literatur austauschbar mit den Begriffen interner Fokus und externer Fokus gebraucht worden sind. Bei der Anwendung assoziativer Leistungsstrategien konzentriert sich der Anwender auf die innerkörperlichen Symptome (d.h. auf körperliche Wahrnehmungen wie Muskelspannung und Atem), die mit der sportlichen Leistung verbunden sind, und/oder auf externe, die sportliche Leistung betreffende, Informationen wie Schlagtempo, Kadenz, zurückgelegte Entfernung (z.B. mittels eines Hodometers) und Rennposition. Dissoziation ist nützlich, um die Aufmerksamkeit von schmerzhaften Begleiterscheinungen während der Leistung – wie der lokalen muskulären Erschöpfung – abzulenken. Dies kann durch Fantasien (innerlich) oder den Blick in die Umgebung (äußerlich) erreicht werden, um nur 2 Beispiele zu nennen. Die ältere Forschung hat sich bei der Entscheidung, welche assoziativen oder dissoziativen Strategien sowohl für Elitesportler als auch für Freizeitsportler am besten geeignet sind, als wenig hilfreich erwiesen. Eine neuere Studie von 4 kanadischen Wissenschaftlern hat an 9 Ruderanfängern einer Universität 3 Arten von kognitiven Strategien getestet.(2) Die Grundleistung jedes Ruderers/jeder Rudererin wurde bei einer 40-minütigen Ruderaufgabe getestet, die auf ein 15-minütiges Aufwärmen folgte. Die in dieser Zeit geruderte Entfernung stellte die Messvariable dar. Nach dem Grundtest wurden die Teilnehmer/innen willkürlich 3 unterschiedlichen Versuchsbedingungen zugeordnet: die eine Gruppe hörte ein Audio-Assoziationsband mit der Stimme des Teamsteuermanns, die aufgabenbezogene Instruktionen wie „fühl, wie es brennt“ und „hör auf deinen Atem“ erteilte; die zweite Gruppe hörte ein Musik-Dissoziations-Band mit 40 Tophits und die dritte Gruppe sah ein Dissoziations-Video, auf dem verschiedene Rennen von der Ruderweltmeisterschaft 1992 zu sehen waren. Und das Ergebnis? Die Gruppe, die das Auto-Assoziationsband hörte, zeigte – verglichen mit der Grundleistung – ein mehr als doppelt so gutes Ergebnis bezüglich der geruderten Strecke wie die beiden anderen Gruppen, die das Dissoziationsband bzw. das Dissoziationsvideo hörten bzw. sahen.
Daniel Bishop