In der Trainingspraxis liegt heute in den meisten Ausdauerdisziplinen der Schwerpunkt auf dem Ausbilden einer möglichst hohen Grundlagenausdauer. Diese soll besonders über sehr lange und wenig intensive Trainingseinheiten ausgebildet werden.
Für Triathleten und Radsportler wird demnach sehr oft empfohlen lang, flach zu fahren und dabei nicht zu hart in die Pedale zu treten.
Innovation ist alles!
Es dominieren nach wie vor die sportartübergreifenden, konservativen Strukturen des Sports. Mit anderen Worten: Es wird nach dem „Weil-wir-das-schon-immer-so-gemacht-haben“-Prinzip trainiert. Veränderungen in den Trainingsmethoden scheuen Trainer und Sportler nicht selten wie der Teufel das Weihwasser. Viele Trainingsmethoden gelten als unantastbare Dogmen, reflektiert wird nur wenig. So wichtig die Erfahrung in der Trainingslehre auch ist, sei an dieser Stelle an den bekannten Schriftsteller Kurt Tucholsky erinnert, der zu bedenken gab: „Erfahrung ist gar nichts! Man kann Dinge auch 30 Jahre lang falsch machen.“ Wichtig ist also, Erfahrungen stets an der Zukunft zu messen. Wir dürfen niemals stehenbleiben, denn Erfahrung ist nichts wert, wenn Innovationen – und damit der Blick für das Wesentliche – fehlen!
Umdenken
Zurück zur Ausdauer und der Frage, ob hier die letzten Jahrzehnte richtig trainiert wurde. Was spricht gegen ein Intensivieren des Grundlagentrainings in der Vorbereitung? Um es kurz zu fassen: Nichts! Im Gegenteil. Für ein erfolgreiches Gestalten des Trainings sollte man sich frei machen von alten Dogmen und mit wachem Geist etablierte Trainingsmethoden hinterfragen. Hier hilft ein Blick auf wissenschaftliche Erkenntnisse, die leider viel zu oft nicht durch die konservativ verkrustete Schale der Sportpraxis dringen. Auch im Wintertraining ist ein intensives und abwechslungsreiches Ausdauertraining durchaus erlaubt und zu empfehlen! Interessanterweise hat sich dieser Blick in der Praxis nicht behauptet, obwohl die Sportwissenschaft genau diese These stützt! Gerade wenn Sie ein hohes Trainingsalter haben und bereits viele Grundlagenkilometer absolviert haben, müssen Sie Ihr Training umstellen und intensiver trainieren. Andernfalls droht Stagnation und schlimmstenfalls ein Leistungsrückgang, da Ihr Körper sich an die gleichförmigen Reize gewöhnt. Ihr Trainingsfortschritt ist gefährdet, wenn das monotone Ausdauertraining keinen trainingswirksamen Reiz mehr darstellt!
Ohne Sinn geradeaus
Früher konnte das Wintertraining mit sinnentleertem und monotonem Kilometerfressen auf flachen Strecken gleichgesetzt werden. Eine individualisierte Trainingsgestaltung sieht heute anders aus und sollte ein Optimum aus wichtiger Qualität (Intensität) und nötiger Quantität (Umfang) darstellen. Ein abwechslungsreiches Grundlagenausdauertraining in bergigem Gelände ist genauso zweckdienlich, wie ein gezieltes Intervalltraining unter verschiedensten Bedingungen. Und das gilt auch für Langstreckentriathleten, die in Ihrem Wettkampf eher weniger mit intervallartigen Belastungen konfrontiert werden. Besonders im Langzeitausdauerbereich ist ein Stagnieren der Leistung häufig mit einem Fehlen nötiger Trainingsintensitäten verbunden.
Mehr Intensität
Auch ein mehrstündiges Fahrtspiel mit vermehrt intensiven Anteilen dient dem Verbessern der Grundlagenausdauer, da es energetisch immer noch zum größten Teil über den Fettstoffwechsel abgedeckt werden muss. Wie Achten und Kollegen(1) zeigen konnten, ist die Fettoxidationsrate über einen großen Intensitätsbereich sehr hoch. Die Zone der maximalen Fettverbrennung liegt zwischen 55 und 72 % der maximalen Sauerstoffaufnahme, wobei mit steigender Intensität auch die Fettverbrennung zunimmt. Erst beim überschreiten der oberen Grenze der Zone nimmt der Anteil der Fettverbrennung wieder deutlich ab.(1) Kindermann(2) gibt an, dass ein Training mit einer Intensität von 90 % der anaeroben Schwelle mithin auch zu einer maximalen Fettverbrennung führt und diese erst oberhalb der anaeroben Schwelle deutlich abnimmt.
Von afrikanischen Läufern lernen
Für ein deutliches Steigern der Trainingsintensität sprechen auch die Ergebnisse der Untersuchung von La Torre und Kollegen(3), die sich mit der momentanen Dominanz afrikanischer Läufer beschäftigt. Demnach scheint die Fähigkeit der afrikanischen Läufer, höhere Prozentsätze der VO2max im Wettkampf halten zu können, einer der Schlüsselfaktoren für den Erfolg zu sein. Da spezifische Reize auch spezifische Adaptationen zur Folge haben, ist anzunehmen, dass diese höhere einhaltbare Fraktion der VO2max durch das schwerpunktmäßig auf Intensität ausgerichtete Training der schwarzen Läufer verursacht wird.
„Das Hauptziel der afrikanischen Läufer besteht einfach darin, im Laufen eine maximale Schwierigkeit zu überwinden und eine größtmögliche Ermüdung zu ertragen. Sicher ist jedenfalls, dass derjenige, der im Training gewohnheitsmäßig in ausgeprägtere Ermüdungsgrade gelangt, nicht nur fähig wird, höhere Leidensgrade mental besser zu vertragen, sondern vor allem auch im eigenen Organismus größere Adaptionen bewirkt als der, welcher nie über eine bestimmte Ermüdung hinausgekommen ist.“(3)
All diese Informationen sprechen klar für ein angemessenes Erhöhen der Trainingsintensität im Grundlagenausdauertraining. Ein zum größten Teil niedrigintensives Training im Bereich der aeroben Schwelle, wie es häufig empfohlen wird und in der Trainingspraxis der Langzeitausdauerdisziplinen hierzulande meist im Mittelpunkt steht, kann als zu einseitig und nicht ausreichend reizwirksam betrachtet werden. Vielmehr sollte für ein Verbessern der gesamte aerob-anaerobe Übergangsbereich flexibel ausgenutzt werden. Grundlagenausdauer darf nicht automatisch mit „lang und langsam“ in Verbindung gebracht werden. Ihren Fettstoffwechsel und Ihre Grundlagenausdauer können Sie ebenso mit intensivem Training und Intervallen steigern.
Nicht selten unterfordert
Die gebetsmühlenartig wiederholte Warnung vor zu hohen Intensitäten, wie sie sich in der deutschsprachigen Literatur findet, hat dazu geführt, dass sich die meisten Ausdauersportler im Training chronisch unterfordern. Im Wintertraining gipfelt dies geradezu in einem Detraining. Die Form, die Sie sich im Sommer mühsam erarbeitet haben, wird durch das monotone Grundlagenausdauertraining stark verringert.
Bei einem Aufrechterhalten des für die Disziplin nötigen Grundvolumens, dem Einhalten angemessener Regenerationszeiträume und einer der Belastung angepassten Ernährung besteht kaum eine Gefahr der Überforderung. Dafür bietet sich die Möglichkeit, durch ein Erhöhen der Trainingsqualität (Intensität) effektiver zu trainieren und die verfügbare Trainingszeit optimal zu nutzen. Intensives Training kann durch reduzierte Umfänge wertvolle Zeit sparen.
Fazit
Eine Sportlerweisheit besagt, dass Rennen im Winter gewonnen werden. Wer im Frühjahr vorne dabei sein möchte, dem ist im Winter daher wärmstens zu empfehlen, mit mehr Intensität zu trainieren. Wenn ein Trainingslager geplant wird, gerne dort, wo sich dem Sportler bei einem milden Klima Berge in den Weg stellen. Diese bringen wertvolle Trainingsintensität und begünstigen ein erfolgreiches Ausbilden der Grundlagenausdauer. Setzen Sie lieber ausgeruht einen intensiven Reiz in Ihrem Training, statt mit der lockeren Dauermethode nur im Mittelmaß zu trainieren. Ergo: Gipfel stürmen – auch im Grundlagenausdauertraining! Sie müssen Ihr Training jedoch mit Köpfchen planen und darauf achten, die richtige Mischung aus Intensität und Umfang, passend zu Ihrem Leistungsstand zu finden!
Es ist unangebracht, von einem Extrem in das andere zu fallen und nun ausschließlich intensives Training zu praktizieren. Letztendlich macht die richtige Mischung aus umfangsorientiertem Training und den notwendigen Intensitäten den erfolgreichen Sportler aus. Achten Sie darauf, ganzjährig abwechslungsreich zu trainieren und die jeweiligen Komponenten Ihrer Zielleistung intelligent zu mischen! Dabei sollten Sie daran denken, dass der Schlüssel zum Erfolg Ihre Regenerationsfähigkeit ist und die notwendigen Anteile intensiven Trainings auch von Ihrem Trainingsalter abhängig sind. Wichtig ist, dass Sie als Sportler lernen auf Ihren Körper zu hören und die entsprechenden Inhalte einbauen!
Lesen Sie auch: Wie ist der Fettverbrennungspuls?
Sebastian Mühlenhoff, Andreas Wagner, Dennis Sandig
Literaturangaben:
1. Med Sci Sports Exerc. 2002, Bd. 34(1), S. 92-97
2. Deutsche Zeitschrift für Sportmedizin, 2004, Bd. 55 (6), S. 161-162.
3. Leistungssport, 2006, Bd. 36 (3), S. 4-12