Spezielles Training für Frauen – nutzen Sie die natürlichen Hormonschwankungen

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Frauen bringen in vielerlei Sportarten eine herausragende Leistung, und international bestimmen die deutschen Sportlerinnen oft die Weltspitze: vom Gewichtheben bis zum Marathonlauf, vom Triathlon bis zum Radsport oder vom Fußball bis zum Feldhockey. Frauen haben einen erheblichen Anteil an den Medaillenspiegeln des Deutschen Olympischen Sportbundes. und stellen Ihnen einen großen Unterschied zwischen Männern und Frauen vor, der sehr relevant für die Leistung sein kann.

Viele Frauennationalmannschaften werden von männlichen Bundestrainern trainiert. Dasselbe gilt auch im Freizeitsport. Sportlerinnen, die bei einem Triathlon oder Marathon mitmachen wollen, suchen sich gerne einen professionellen Trainer. Das sind in den seltensten Fällen Frauen. Dazu möchten wir mit der etwas überspitzten Frage einsteigen, was Trainern zum Thema Sport und Menstruation einfällt. Wir glauben, dass die wenigsten Trainer von Frauen sich ernsthaft mit diesem Thema auseinandergesetzt haben. In persönlichen Gesprächen mit Trainern – bis hin zum Bundestrainer – fällt einem immer wieder auf, dass kaum einer diesen physiologischen Unterschied mit seinen Sportlerinnen thematisiert. Und doch ist es schon rein theoretisch wahrscheinlich, dass durch die hormonellen Veränderungen im Laufe eines weiblichen Zyklus Training und Leistung der Sportlerinnen beeinflusst werden. Von mangelnder Leistungsfähigkeit an bestimmten Tagen, bis hin zu einer besseren Trainierbarkeit an anderen sind viele Varianten denkbar. So gesehen sollten die Trainer ein großes Interesse daran haben, mehr über die Funktionszusammenhänge der hormonellen Schwankungen mit der Trainierbarkeit zu erfahren. Im Grunde genommen sollte es sogar selbstverständlich sein, dass sporttreibende Frauen einen Zykluskalender führen und diesen mit einem Trainingstagebuch in Verbindung bringen. Wir wollen Ihnen hier anhand von Untersuchungen und aktuellen Diskussionen dieses Thema näherbringen und Sie als Sportlerin bzw. als Trainer dafür sensibilisieren.

Vor allem im osteuropäischen Raum gibt es interessante Studien zum Thema Trainingsplanung unter Berücksichtigung des weiblichen Zyklus. Dabei wurden Sportarten wie das Gewichtheben, Fußball oder auch der moderne Fünfkampf untersucht. Eine Studie zeigte dabei, dass ein bestimmtes Gen mit Bezug zur Skelettmuskulatur in der Follikelphase verstärkt aktiv wurde.i Es wird im Allgemeinen davon ausgegangen, dass Östrogen vorrangig anabol – also aufbauend – wirkt, während das Progesteron diese Wirkung eher hemmt. Diese beiden Hormone verändern ihre Konzentration im Verlauf des Zyklus. Es stellt sich also die Frage, ob die Berücksichtigung solcher Veränderungen in der Hormonkonzentration das Trainieren mit unterschiedlichen Schwerpunkten im individuellen Verlauf des ovulatorischen Zyklus effektiver macht.(2)

 

Wann welches Training?

 Auf den Proteinstoffwechsel wirkt vor allem das weibliche Sexualhormon Östradiol ein. Dessen anabolen Effekten entgegen wirkt das Progesteron. Die Phase von der Menstruation bis zum Eisprung bezeichnet man als Follikelphase (siehe Abb. 1). In diesem Zeitraum nimmt die Östrogenkonzentration bis kurz vor Ende der Ovulation erheblich zu. Währenddessen ist die Progesteron-Konzentration konstant schwach. In der Phase nach der Ovulation, bis hin zur Menstruation – der Lutealphase – kehrt sich dieses Verhältnis um. Es dominiert das Progesteron, und die Östrogenkonzentration nimmt ab. Wenn man nun davon ausgeht, dass vor allem anabole Stoffwechsellagen sich auf den Aufbau der Muskulatur, aber auch auf die Regenerationsfähigkeit des Organismus auswirken, müsste die Follikelphase eine Zeit der besseren Trainierbarkeit sein. Ermüdende Trainingseinheiten wie intensive Intervalle im Ausdauersport hingegen könnten in der Lutealphase zu erhöhter Beanspruchung im Vergleich zu der in der Follikelphase führen. Allerdings müssen wir festhalten, dass die empirische Datenlage zu diesen Annahmen noch nicht vollkommen abgesichert ist. Aber es gibt Hinweise – vorzugsweise aus Krafttrainingsstudien – darauf, dass entsprechende Effekte zu erwarten sind.

 

Warum Aktivität wichtig ist

Für die Zukunft ist es also wünschenswert, dass sich die Datenlage zum Thema „Training und Menstruation“ weiter festigt. Grundsätzlich ist zu betonen, dass Frauen und junge Mädchen auch während der Regelblutung trainieren dürfen und sollten. Vor allem im Schulsport sollten die damit verbundenen körperlichen Beschwerden nicht zu einer Befreiung vom Sportunterricht führen. Schmerzen im Bauch und Kopfschmerzen lassen sich akut durch die Gabe von Ibuprofen oder adäquaten Mitteln beeinflussen. Sport und körperliche Betätigung haben eher eine positive Wirkung auf das Beschwerdebild, und vor allem Verkrampfungen sind durch ein Ausdauertraining beeinflussbar.

Für das gezielte Training sollten Sie als Sportlerin darauf achten, sich stets etwas über Ihre subjektive Befindlichkeit zu notieren und Leistungsschwankungen anhand ihres Zykluskalenders im Auge zu behalten. Aber vor allem: Hören Sie auf Ihren Körper! Als Trainer sollten Sie immer auf die Intimsphäre Ihrer Sportlerinnen Rücksicht nehmen. Auch wenn die Datenlage noch recht dünn ist, empfehlen wir einen solchen Versuch. Sollten Sie beispielsweise in der Lutealphase ohnehin Schwierigkeiten haben, intensive Trainingseinheiten durchzuführen, kann ein Training der Maximalkraft oder von intensiven Intervallen durch moderates Training ersetzt werden. Hier sind Ihrer gestalterischen Phantasie keine Grenzen gesetzt. Probieren Sie es doch einfach mal aus!

 

 

Dennis Sandig M.A., Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Julius-Maximilians- Universität Würzburg und Doktorand an der Universität des Saarlandes; Mitbegründer der iQ athletik GmbH

Dr. Thomas Heddäus , Sportmediziner, Mannschaftsarzt beim FSV Frankfurt am Main, 2. Fußball– Bundesliga

 

 

Quellenangaben

1. Deutsche Zeitschrift für Sportmedizin (2003), Bd. 54 (7&8), S. 26

2. Leistungssport (2008), Bd. 38 (1), S. 26–30

3. Reis, E. (1996), Menstruationszyklusgesteuertes Krafttraining. Schorndorf: Hoffmann

 

Fachsprache:

Ovulatorischer Zyklus – anderer Begriff für den Menstruationszyklus

Follikelphase – liegt zwischen dem Eintritt der Menstruation und dem Eisprung

Lutealphase – liegt zwischen dem Eisprung und dem Beginn der nächsten Menstruation

anabol – muskelaufbauend ( Trainingsanpassunge kommen erst durch anabole Phasen zur Wirkung)

Weiterführende Artikel:

Gleiches Sprinttraining für Männer und Frauen?

Triathlon ist männlich – was ist anders für Frauen?

 

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About Author

Dennis Sandig

Dennis Sandig arbeitete als Sportwissenschaftler am Institut für Sportwissenschaften der Julius-Maximilians Universität in Würzburg. Aktuell ist er bei der Deutschen Triathlon Union als Wissenschaftskoordinator und Referent für Bildung zuständig, sowie für das umfassende Aus- und Fortbildungsprogramm für Coaches im Triathlon.

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