Wenn Sie starke Schmerzen im Rückenbereich verspüren, die über die Halswirbelsäule oder Lendenwirbelsäule bis in die Arme und/oder Beine ausstrahlen, dann leiden Sie womöglich an einem Bandscheibenvorfall.
Erfahren Sie alles Wissenswerte über den Bandscheibenvorfall
Trainingsworldexpertin und Physiotherapeutin Angi Peukert klärt Sie über Symptome, Vorkommen und die Behandlung auf und erläutert, warum man einen Bandscheibenvorfall leicht verwechselt.
Rückenschmerzen
Rückenschmerzen sind die am häufigsten beklagten Symptome eines Bandscheibenvorfalls, dennoch müssen sie nicht zwingend ein Krankheitsbild wiedergespiegeln. Degenerative Veränderungen und der damit verbundene Schmerz sind alterstypisch. Die Bandscheibe besteht aus einem äußeren Ring – Angulus fibrosus – und einem inneren Gallertkern – Nucleus pulposus.
Im Laufe der Jahre kommt es zu einer Wassergehaltsreduktion, was zu Rissen im äußeren Ring führen kann. Dieser Vorgang der Rissbildung wird durch schlechte Haltung und daraus resultierender einseitiger Belastung und oft damit einhergehender schlecht ausgeprägter Tiefenstabilität durch ein schwaches Muskelkorsett unterstützt. Die Rissbildung und die dazu gehörige Höhenminderung der Bandscheibe – Chondorse – führt zu Instabilität in den betroffenen Segmenten. Außerdem kann das Bandscheibengewebe austreten und im Intervertebralraum Druck auf die Nervenwurzeln ausüben. 90% aller lumbalen Bandscheibenprobleme sind im Bereich L 4/5 oder L 5/S1 zu lokalisieren.
Der empfundene scharf stechende Schmerz wird als Lumbago bezeichnet, die ausstrahlenden Beschwerden ins Bein werden als Ischalgie betitelt. Die Ischalgie zeigt meist schon, welches Segment betroffen ist, da jede Nervenwurzel ein bestimmtes Versorgungsgebiet hat. Reflexminderung, abgeschwächte Muskelarbeit, Sensibilitätsstörungen bis hin zu Lähmungen sind von Segment zu Segment unterschiedlich.
Bandscheibenvorfall im Lendenwirbelbereich
Im Lendenwirbelbereich gibt es folgende Symptome:
- L 2/3: Dieses Segment ist eher selten betroffen. Der Schmerz lokalisiert sich in der Leistengegend bis auf die Innenseite des Oberschenkels. Die Beinhebung kann eingeschränkt sein.
- L 3/4: Der Schmerz zieht von der Oberschenkelvorderseite bis zur Kniescheibe. M. Quadriceps ist meist sehr schwach, es besteht die Gefahr beim Treppensteigen zu stürzen. Es kann auch zu Sensibilitätsstörungen an der Vorderseite des Oberschenkels kommen.
- L 4/5: Die Schmerzausstrahlung geht über das Gesäß an die Außenseite des Oberschenkels, die Vorderseite des Unterschenkels bis zum Fußrücken. Der Fersengang ist nicht möglich, Sensibilitätsstörungen an der Außenseite des Oberschenkels und Unterschenkels sowie der Vorderseite sind möglich.
- L 5/S 1: Der Schmerz zieht sich über den „Generalstreifen“, also der Ober- und Unterschenkel-Außenseite bis zur Hinterseite des Unterschenkels, sowie der Ferse. Der Zehenspitzengang ist gestört, Sensibilitätsstörungen sind an der Hinterseite des Ober- und Unterschenkel bis zur Ferse evtl. deren Außenseite möglich.
Zusätzlich kann es bei Vorfällen im Bereich der Segmente L5 und S1 zu Kompression der Cauda equina führen und somit unwillkürlichen Stuhl- und Harnabgang provozieren. Außerdem kann es zu Sensibilitätsstörungen im Genitalbereich kommen (Reiterhosen).
Bandscheibenvorfall im Halswirbelbereich
Im Halswirbelbereich kommt es zu folgenden Symptomen:
- C 4/C 5: Schulterschmerzen, Sensibilitätsstörungen im Bereich M. Deltoideus, Schwäche beziehungsweise Lähmung der Armhebung.
- C 5/C 6: Schmerzen und Sensibilitätsstörungen vom Schulter-Nacken-Bereich über die Arminnenseite bis zum Daumen und Zeigefinger. Schwäche beziehungsweise Lähmung des M. biceps brachii (Beugung Unterarm).
- C 6/C 7: Schmerzen und Sensibilitätsstörungen im Zeige-, Mittel- und Ringfinger sowie Unterarm und Mitte des Handrückens. Schwäche beziehungsweise Lähmung des M. triceps brachii (Streckung Unterarm).
- C 7/Th 1: Schmerzen und Sensibilitätsstörungen an der Außenseite des Unterarms bis zum Kleinfinger, Schwäche beziehungsweise Lähmung des M. triceps brachii.
Auftreten
Bandscheibenvorfälle im Lendenwirbelbereich treten wesendlich häufiger auf als in der Halswirbelsäule. Vorfälle der Lendenwirbelsäule treten vermehrt im Alter von 30-50 Jahren und der Halswirbelsäule im Alter von 40-60 auf. Vorfälle der Brustwirbelsäule sind sehr selten. Vorwölbungen treten auch früher auf.
Eine Studie aus Kalifornien von M.C. Jensen zeigt, dass bei 98 beschwerdefreien Personen die MRT- Bilder eine Pathologie aufweisen. 52 % der Untersuchten hatten eine Vorwölbung, 27 % einen Vorfall und 38 % wiesen Abnormalitäten an mehreren Wirbeln auf. Pathologische Bandscheibenveränderungen führen also nicht zwangsläufig zu Schmerzen und anderen Symptomen.
Sehen Sie hier unser Video zum Thema: Vorbeugung und Ursache von Bandscheibenschäden
Einteilung
Man unterscheidet drei Schweregrade:
- Protrusion: Vorwölbung des Anulus fibrosus und des hinteren Längsbands
- Prolaps: Austritt des Bandscheibengewebes aus dem Anulus fibrosus
- Sequester: Austritt des Gewebes und Verlust der Verbindung zur Bandscheibe
Bildgebende Verfahren sollten neben diverser Tests Klarheit über die Herkunft der Rückenschmerzen schaffen. Die Röntgenaufnahmen sind dafür nicht immer geeignet, viel mehr helfen hier das MRT und das CT.
Andere Erkrankungen mit ähnlichen Symptomen
Krankheitsbilder wie das Piriformissyndrom, Blockierungen des Iliosakralgelenks, tumoröse und entzündliche Veränderungen, Polyneuropathie und der Hexenschuss können ebenfalls die Symptome des Bandscheibenvorfalls hervorrufen. Diese Ausstrahlung wird als pseudoradikulär beschrieben, da sie nicht wie beim Bandscheibenvorfall auf ein Segment und deren komprimierte Nervenwurzel zurückzuführen ist, sondern wie beim Piriformissyndrom durch eine Engpassbildung auf Höhe des Gesäßes den Nerv einengt.
Lesen Sie auch: Piriformis-Syndrom: erkennen, behandeln, vorbeugen
Behandlung
Ob der Vorfall konservativ oder operativ versorgt wird, entscheiden hauptsächlich die Stärke und Dauer der Symptome der Verletzung. Zunächst wird mit Physiotherapie und Krankengymnastik am Muskelkorsett gearbeitet. Der betroffene Bereich soll durch Traktionen, Stufenbettlagerung, Muskellockerungen und manualtherapeutischen Techniken entlastet werden. Wenn die Beschwerden sehr heftig sind und die Lähmungserscheinung anhalten, wird dies als Indikation für eine Operation gewertet, ansonsten bleibt es bei der konservativen Versorgung.
Angi Peukert
Unser Tipp aus der Trainingsworld-Redaktion, von uns für euch!
DER WEG ZU EINEM GESUNDEN RÜCKEN
Mittlerweile ist klar nachgewiesen, dass Rückenpatienten Übungsprogramme durchführen sollten: Aktiv statt passiv!
Langes Sitzen und schlechte Haltung sind eine der Hauptursachen für Rückenschmerzen. Ein bewegungsarmer Alltag und falsche Bewegungsabläufe führen zu großen Belastungen auf die Wirbelsäule. Dies führt zu Verschleiß und muskulär-faszialen Verspannungen und Verkürzungen.
Eine Therapie durch herkömmliche Rehabilitationsmaßnahmen in Form von Medikamenten und Physiomaßnahmen ist häufig nicht ausreichend für eine dauerhafte Lösung. Sie bekämpft zwar die Symptome, aber nicht die Ursachen. Mit Katharina Brinkmanns Programm erzielen Sie eine ideale Ausgangsbasis für mehr Beweglichkeit, Kraft und Ausdauer.
Es verleiht Ihnen mehr Energie und optimiert die innere und äußere Haltung: zurück zu einem körperlichen und seelischen Gleichgewicht.
Dieses Programm ist als Schritt-für-Schritt Anleitung konzipiert, mit der Sie Ihren Rücken in Topform bringen!
Die Therapie ist für alle, die Ihre Schmerzen leid haben und endlich wieder schmerzfrei leben möchten. Von der Hausfrau bis hin zum Profisportler. Wenn Sie dieses Programm absolviert haben, werden Sie verstehen, auf welchen Kriterien Ihre Rückenbeschwerden beruhen und welche Techniken Sie selbst einsetzen können.
Quellenangaben
- http://www.ejk.de/fileadmin/user_upload/Neurochirurgie/EJK_Broschuere_Bandscheibenvorfall_DAX_13.pdf
- http://www.dr-gumpert.de/html/bandscheibenvorfall.html
- Hochschild, Jutta: Strukturen und Funktionen begreifen. Funktionelle Anatomie- Therapierelevante Details. Stuttgart: Thieme, 2002
- Bant, Harald et al.: Sportphysiotherapie. Stuttgart: Thieme, 2011
- Zalpour, Christoff: Anatomie Physiologie. 2. Auflage, München/Jena: Urban & Fischer
- Diemer, Frank et al.: Praxis der medizinischen Trainingstherapie 1. Lendenwirbelsäule, Sakroiliakalgelenk und untere Extremität. 2. Auflage, Stuttgart: Thieme, 2011
- Hüter-Becker, Antje et al.: Physiotherapie in der Orthopädie. 2. Auflage, Stuttgart: Thieme, 2009