Mit Kniebeuge werden die Beugung und anschließende Streckung der Kniegelenke im aufrechten Stand und die dafür notwendigen Ausgleichs- bzw. Stabilisationsbewegungen des Körpers bezeichnet. Obwohl im Übungsnamen die Wortsilbe „beuge“ betont wird, ist die größte Kraft beim Strecken der Beine aufzubringen.
Die Königin der Kraftübungen
Die Kniebeuge mit Hantellast wird mitunter als „Königin“ der Kraftübungen bezeichnet. Diesen Titel trägt sie vor allem deshalb, weil sie eine Vielzahl von Muskeln beansprucht und den Einsatz hoher Lasten ermöglicht. Der Hantelkniebeuge kann ein Ganzkörpertrainingseffekt zugeschrieben werden. Sowohl die Hüft- als auch die Kniestreckmuskulatur ist aktiv am Streckvorgang beteiligt. Beim Ausführen der Kniebeuge müssen zudem zahlreiche Muskeln Halte- und Stabilisationsarbeit leisten.(7)
Varianten
In der Praxis gibt es diverse Ausführungsvarianten der Kniebeuge: z.B. Parallel-, Front-, Reiß-, Sprung, Sitz-, Schritt- und Einbeinkniebeuge. Die zentrale Rolle nimmt dabei die Parallelkniebeuge ein. Hierbei stehen die Füße in etwa schulterbreitem Abstand parallel zueinander. Der beidbeinige Stand begünstigt Stabilität und Sicherheit. Dies ermöglicht den Einsatz hoher Zusatzlasten und damit eine hohe muskuläre Beanspruchung mit entsprechenden Anpassungseffekten. Übungen wie z.B. Einbeinkniebeugen stellen höhere Anforderungen an Koordination und Gleichgewicht. Durch das einbeinige Ausführen können jedoch nur deutlich geringere Trainingsgewichte eingesetzt werden, was die Trainingsintensität mindert.(4,7)
Keine halben Sachen – tiefe Kniebeugen machen stark!
Tiefe Kniebeugen trainieren die Muskeln der unteren Extremitäten besonders effektiv. Beim Ausführen der Kniebeuge mit einer tiefen Hockposition müssen die Muskeln über eine längere Kontraktionstrecke arbeiten. Dies erhöht die Reizdauer und wirkt damit positiv auf einen Kraft- und Muskelaufbau. (s.auch: Was ist Krafttraining) Bei der tiefen Ausführung steht in der Hockposition die Oberkante der Oberschenkel etwa parallel zum Boden, dies entspricht einem Beugewinkel im Kniegelenk von mindestens 70°.
Beugetiefe und Kniegelenksbelastung
Die „Königin“ der Übungen ist eine z.T. sehr umstrittene Würdenträgerin. Der Kniebeuge wird immer wieder eine hohe Belastung für die Kniegelenke nachgesagt. Besonders beim Ausführen mit tiefer Hockposition. Für viele überraschend: Die Belastungen für das Kniegelenk sowie den Stütz- und Bewegungsapparat fallen bei Tiefkniebeugen geringer aus als bei halben Kniebeugen. Dies liegt u.a. daran, dass bei tiefen Kniebeugen nur deutlich weniger Last bewältigt werden kann. Die ungünstigen Winkelverhältnisse in der tiefen Hocke verlangen eine hohe konzentrische Kraft, um die Hantellast zu überwinden. Die Maximallast für tiefe Kniebeugen wird von Autoren erfahrungsgemäß mit ca. 30–50% unter der Maximallast für halbe Kniebeugen beziffert.(2,5)
Unbestritten ist, dass beim Beugen des Kniegelenks die Spannung der Patellasehne und der Anpressdruck, der die Kniescheibe (Patella) auf den Oberschenkelknochen (Femur) drückt, steigen. Untersuchungen konnten jedoch aufzeigen, dass sich die femoropatellaren Druckkräfte bei einem Beugewinkel unter 80–90° nicht erhöhen.(1) Auch Erfahrungen aus der Praxis sprechen für eine tiefe Hockposition. Gewichtheber berichten vor allem bei tiefen Kniebeugen über keinerlei gesundheitliche Probleme. Wohingegen bei halben Kniebeugen eine unphysiologische Abbremsbewegung betont wird, die in Serie zu Überlastungen der Patellasehne führen kann –besonders am Ansatzes des Schienbeins.(4)
Knieposition in der Hocke
Ein weiterer irrtümlicher Glaube ist, dass das Knie in der Beugung nicht über die Fußspitze geführt werden darf. Dies kann in der Rehabilitation zutreffend sein, um die Belastungen im Kniegelenk zu reduzieren – z.B. nach einer Kniegelenksoperation. Im sportlichen Training ist diese Annahme jedoch nicht entscheidend. Wird ein generelles „Verbot“ ausgesprochen, die Knie über die Fußspitzen zu führen, kann es sogar zu einem ungünstigen Verlagern der Belastungen kommen. Während der Druck im Knie abfällt, können die Belastungen für das Hüftgelenk und den unteren Rücken steigen. Es kann daher für den Sportler von Vorteil sein, die Knie leicht über die Fußsitzen zu führen, vor allem bei Sportlern mit langen Oberschenkeln. Bei diesen Personen ist verstärkt davon auszugehen, dass es zu einer ungünstigen Verschiebung der Belastung kommt. Die Sportler können die Vorgabe, das Knie nicht über die Fußspitze zu führen, nur erfüllen, wenn sie den Oberkörper weiter nach vorne Beugen und mit dem Gesäß nach hinten ausweichen. Dies sollte jedoch verhindert werden.(7)
Fazit
In den letzten Jahrzehnten wurde eine Vielzahl von Maschinen und Geräten zum Kräftigen der Muskulatur entwickelt. Die tiefe Parallelkniebeuge mit Hantellast ist aber nach wie vor die Schlüsselübung beim Aufbau maximaler Kraft und Muskelmasse der unteren Extremitäten.(7,8) Darüber hinaus zeigt sich die Kniebeuge für viele sportliche Bewegungsabläufe als eine relativ spezifische und damit äußerst wirkungsvolle Übung. Z.B. für den Sprintantritt und den vertikalen Sprung, welche ein zentrales Element vieler Sportarten darstellen.(3,6)
Video: Kniebeuge mit Langhantel
Andreas Wagner M.A.
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Quellenangaben:
1. Escamilla R. F., Fleisig G. S., Zheng, N., Barrentine S. W., Wilk, K. E. & Andrew J. R. (1998). Biomechanics of the knee during closed kinetic chain and openkinetic chain exercises. Medicine and science in sports and exercises, 30 (4), 556-569.
2. Gottlob, A. (2001). Differenziertes Krafttraining. Mit Schwerpunkt Wirbelsäule. München, Jena: Urban & Fischer.
3. Jesse, C., McGee, D., Gibson, J., Stone, M. & Williams, J. (1988).A comparison of Nautilus and free weight training.Journal of applied Sport Science Research, 3 (2), 59.
4. Killing, W. (2003). Kniebeugen in allen Variationen. Leichtathletiktraining, 14 (9/10), 49-55.
5. Pernitsch, H. & Brunner, F. (2006). Zur Kniebeuge. Technik-Methodik-Medizin-Biomechanik-Praxis. Zugriff am 18.03.2006 unter http://www.ssport.at/download/kniebeuge.pdf
6. Schlumberger, A. (2006). Sprint- und Sprungkrafttraining bei Fußballspielern. Deutsche Zeitschrift für Sportmedizin, 57 (5), 125-131.
7. Wagner, A., Mühlenhoff, S. & Sandig, D. (2010). Krafttrainingim Radsport. Methoden und Übungen zur Leistungssteigerung und Prävention. München: Urban & Fischer bei Elsevier. www.krafttraining-im-radsport.de
8. Zawieja, M. (2008). Leistungsreserve Hanteltraining. Handbuch des Gewichthebens für alle Sportarten. Münster: Philippka Sportverlag.