Sowohl für den ambitionierten Breiten- als auch für den Leistungssportler können Übungen aus dem Pilates gezielt ausgewählt werden, um die Kraftentwicklung und Beweglichkeit im unteren Quadranten (Hüft-, Knie-, Sprunggelenke) und die Rumpfkraft und Stützleistung des Oberkörpers zu verbessern.
Neben der richtigen Einstellung des Fahrrads (Sattelhöhe, Lenker-Sattel-Abstand, Lenkerhöhe, Knie/Sprunggelenks-Lot), also einer guten Fahrrad-Ergonomie, ist ein unterstützendes Training, z. B. aus dem Pilates-Repertoire, entscheidend für den Erfolg und Spaß beim Radeln und für die Vermeidung von Verspannungen sowie Verletzungen.
Typische Schwachstellen
Die am stärksten durch Überlastung gefährdeten Bereiche des Körpers sind der Rücken bzw. die Wirbelsäule und die Knie. Die Rückenmuskulatur ist in der heutigen Sitzkultur meist unterentwickelt und die Kniegelenke sind wie kein anderes Gelenk auf eine stabilisierende und stützende Muskulatur angewiesen, um Abnutzungserscheinungen und eine möglicherweise daraus entstehende Arthrose zu vermeiden.
Der Rücken
Sind Sie nicht mit dem Holland-Rad unterwegs, das eine aufrechte Sitzhaltung beim Radeln ermöglicht, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass sich die Wirbelsäule sowohl im Brustwirbelsäulen-Bereich („Radfahrer-Buckel“) als auch im Lendenwirbelsäulen-Bereich rundet. Da der Blick nach vorn geht, überstreckt sich als Konsequenz der Nacken. Die Nackenextensoren verkürzen sich und Verspannungen stellen sich ein. Das Becken kippt aufgrund der Rundung des unteren Rückens leicht nach hinten, was wiederum eine Verkürzung der rückwärtigen Oberschenkel-Muskulatur (Ischiocrurale Muskulatur) begünstigt.
Um diesen Problemen aktiv zu begegnen, sind folgende Schwerpunkte im Pilates-Training wichtig:
– Übungen zur Mobilisierung der Wirbelsäule (schwerpunktmäßig in die Extension)
– Übungen zur Kräftigung der gesamten Rückenstrecker im Brust- und Lendenwirbelsäulen-Bereich
– Übungen zur Kräftigung der Schulterblattmuskulatur (schwerpunktmäßig in die Retraktion und Depression)
Beispielhafte Matten-Übungen mit/ohne Kleingeräte:
Cat Stretch, Ab Prep und Port de Bras mit dem Mini-Ball zwischen den Schulterblättern, Breast Stroke Preps, Spine Twist, Swimming, Swan, Double Leg Kick, sitzend mit dem Theraband unter den Füßen: Dumb Waiter (External Scapula Rotation), Plow, Airplane, Open Elbows, Triceps)
Der Bauch
Zu einer starken Rückenmuskulatur gehören immer auch gut trainierte Bauchmuskeln. Daher sollte das Pilates-Programm auch Übungen beinhalten, die auf die tiefe und schräge Bauchmuskulatur abzielen. Diese Anteile der Bauchmuskulatur stabilisieren die neutrale, aufrechte Wirbelsäulenstellung.
Zusätzlich wichtig ist, wie bereits erwähnt, die richtige Einstellung des Sattels. Denn dieser muss es technisch ermöglichen, dass sich das Becken leicht vorneigen kann. Nur so ist es möglich, eine Abrundung im unteren Rücken zu reduzieren. Nur in einer guten Wirbelsäulen- und Becken-Ausrichtung kann der Rücken ergonomisch korrekt arbeiten. Allerdings werden die Rennrad-Profis nicht ganz am runden Rücken während des Radelns vorbeikommen, denn im Leistungssport zählen Erfolge meist mehr als die Gesunderhaltung des Körpers.
Handgelenksprobleme beim Radeln resultieren aus der Rumpfschwäche
Durch eine Kräftigung der Rückenmuskulatur wird der Rumpf aktiver gehalten und die Last auf den Händen, die zu Schmerzen oder eingeschlafenen Fingern führen kann, wird reduziert.
Um die Stützkraft im Schulterbereich zu stärken, gilt es den Arm-Rumpfwinkel auf ungefähr 90 Grad zu bringen und die Muskulatur des Serratus Anterior zu kräftigen.
Gute Übungen für den Serratur Anterior (der auch als Sägemuskel bezeichnet wird und im Faserverlauf in die externen schrägen Bauchmuskeln mündet) sind alle Übungen in der Liegestützposition, wie Swimming Prep im Vierfüßlerstand, Leg Pull Front, Push Ups. Ein effektives Kleingerät für das Training des Serratus Anterior ist der Fitness Circle. Den Circle kann man beliebig oft während der Matten-Übungen in Rückenlage über der Brust halten und zusätzlich zur Anspannung der Bauchmuskeln leicht zwischen den Händen pressen.
Beweglichkeit und Kraft im unteren Quadranten
Beim Radfahren sind Hüft-, Knie- und Sprunggelenke gefordert – diese Gelenke werden beim Tritt ständig bewegt und die dort befindliche Muskulatur ist verantwortlich für die Kraftentwicklung.
Um die Muskulatur zu kräftigen, sollten Pilates-Übungen an Groß-Geräten durchgeführt werden, damit der Federwiderstand zur Erhöhung der Muskelkraft eingesetzt werden kann.
Die Matten-Übungen sind ideal für die Verbesserung der Beweglichkeit im unteren Quadranten. Vor allem die Verlängerung der ischiocruralen Muskulatur (Bizeps Femoris, Semintendinosus und Semimembranosus) und der Hüftbeuger-Muskulatur (Iliacus und Psoas Major) ist wichtig.
Beispielhafte Matten-Übungen zur Verlängerung der ischiocruralen Muskulatur:
Roll Up, One Leg Circle mit dem Fuß im Theraband, Single Leg Stretch, Scissors, Spine Stretch Forward, Shoulder Bridge, Roll Over, Side Kicks
Beispielhafte Matten-Übungen zur Verlängerung der Hüftbeuger-Muskulatur:
Shoulder Bridge, Single Leg Extension, Heel Squeeze Prone, One Leg Kick, Side Kicks, Swimming, Double Leg Kick, Rocking
Für beide Schwerpunkte ist eine Höherlagerung des Beckens z. B. auf dem Arc Barrel ideal, um dann die folgenden Mobilisationsbewegungen durchzuführen: Scissors, Bicycle, Leg Circles, Windmill, Shoulder Bridge
Übungsbeschreibung
Viele der genannten Übungen sind in den Büchern „Das große Pilates Buch“ sowie „Pilates mit dem Thera-Band“, erschienen im Gräfe und Unzer Verlag, Autorin Michaela Bimbi-Dresp, beschrieben. Denn Pilates unterstützt Ihr Training auch als Leistungssportler (Pilates – ein Training auch für Leistungssportler?)
Michaela Bimbi-Dresp