Sie ist mehrfache Deutsche Meisterin, hat die Europäischen Jugendspiele gewonnen und gilt als eines der größten Nachwuchstalente Deutschlands im Judo. Der folgende Artikel geht auf Szaundra Diedrichs bisherigen Weg, ihre Zukunftspläne und ihren Trainingsalltag ein.
Aufgewachsen ist die bald 20-Jährige in einem kleinen Dorf. Mit Judo hat sie in einem kleinen Verein begonnen. Judo gefällt ihr, weil in dieser Sportart jeder auf seine Weise mit seinen Stärken gewinnen kann und deshalb auch keiner unterschätzt werden darf. „Um zu gewinnen, müssen viele Komponenten zusammenspielen, so garantieren zum Beispiel gute Kraftwerte alleine keinen Erfolg“, so Szaundra.
Mit 16 Jahren hat sie einen mutigen Entschluss gefasst und ist nach Köln ins Sportinternat gezogen. Aktuell steckt sie mitten im Abiturstress, trainiert etwas reduziert, doch die sportlichen Pläne und Ziele für dieses Jahr sind trotzdem hoch gesteckt. Und wer Szaundra kennt, der traut ihr zu, dass sie diese auch erreichen wird. Szaundra ist motorisch sehr talentiert, gehört jedoch auch zu der Kategorie „Gewinnertyp“ – und das ist ihre stärkste Waffe, meint ihr Trainer Martin Drechsler. Sie hat einen ausgeprägten Willen und ihre Erfolge sind keine Zufälle. Dieser starke Wille ist jedoch im Trainingsalltag nicht immer nur einfach, darauf muss sich ein Trainer auch einstellen können. Und Szaundra muss lernen, noch professioneller und so optimal wie möglich zu trainieren, auch wenn ihr der Kopf mal nicht danach steht.
Warum Internat?
Vor 4 Jahren war Szaundra bereits im Nachwuchskader des deutschen Judobundes. Beim Blick auf den Jahresplan wusste sie, dass sich etwas an ihrem Umfeld ändern musste, wenn sie den leistungssportlichen Weg einschlagen wollte. Zuhause würde sie dieses Programm nicht schaffen. Im Rahmen verschiedener Lehrgänge kam sie immer wieder in Kontakt mit Athleten, die bereits in einem Sportinternat wohnten und trainierten. So wusste sie in etwa, was auf sie zukommen würde. Und doch ist dieser Schritt, von zu Hause wegzugehen, für jeden anders. Und die Erfahrung hat auch gezeigt, dass nicht alle damit umgehen können. Gerade zu Beginn war es auch für Szaundra nicht einfach. Doch die besseren Strukturen und Trainingsmöglichkeiten und eine aus ihrer Sicht optimale Förderung sind eindeutige Vorteile und haben Szaundra nie an ihrem Entschluss zweifeln lassen.
Der Alltag im Internat
Szaundra trainiert 2-mal täglich mit kompetenten Trainern. Wie kriegt sie Schule, die hohe Trainingsbelastung und die vielen Wettkämpfe unter einen Hut? Im Sportinternat wird von der schulischen Seite her alles für den Athleten geregelt. Die Schulen wissen von vorne herein, auf was sie sich mit einem Schüler oder einer Schülerin aus dem Internat einlassen. Das ist ein nicht zu unterschätzender Faktor, der für ein Internat spricht. Für Szaundra bedeutete dies im Alltag viel weniger Stress und Druck.
Seit 10 Jahren besteht nun schon das Sportinternat in Köln und keiner der bisherigen Athleten hat sein schulisches Ziel verfehlt. Alle Athleten haben die Möglichkeit, im schulischen Bereich Nachhilfe zu erhalten und die jüngeren Athleten müssen in einer 1. Phase an einer Hausaufgabenbetreuung teilnehmen. Schüler mit guten schulischen Leistungen und Schüler, die den Alltag selbst gut organisieren können, kriegen automatisch mehr Freiheit bei der Gestaltung des Tagesablaufs. Martin Drechsler, Judotrainer am Sportinternat Köln, weist auf die hohe soziale Verantwortung des Internats hin – natürlich immer in Verbindung mit Leistungssport. Es wird kein Athlet aufgegeben, wenn er oder sie sich während der Internatszeit gegen den Leistungssport entscheidet. In solchen Fällen, die schon mal vorkommen, wird verantwortungsvoll nach einer Lösung gesucht.
Jedoch nicht nur die schulische Betreuung und die pädagogische Arbeit am Internat hilft den Athleten, sondern auch die leistungssportliche Struktur um den Stützpunkt herum ist ein enormer Vorteil, betont Martin Drechsler. Zu nennen sind die Laufbahnberatung, die trainingswissenschaftliche Betreuung, aber auch die medizinische Unterstützung bei Verletzungen oder Krankheit mit spezialisierten Ärzten, die Physiotherapie vor Ort, kompetente Reha-Trainer usw. Diese Struktur kann kein anderes Internat in der Region gewährleisten.
Kritisch betrachtet Martin Drechsler die aktuelle Alltagssituation am Sportinternat. Vieles hat sich seit der Gründung zum Positiven entwickelt, Jahr für Jahr konnten verschiedene Bereiche verbessert werden, doch die tägliche Belastung ist noch immer extrem hoch, da die schulische Situation noch nicht optimal geregelt ist. Die Schulen sind zwar auf Leistungssportler und auf viele Fehlstunden eingestellt, trotzdem müssen die Athleten das normale Pensum in der Schule absolvieren. Um 2 Trainingseinheiten pro Tag zu schaffen, ist das Tagesprogramm sehr dicht gedrängt. Aus Erfahrung verzichtet der Internatstrainer deshalb lieber mal auf eine Trainingseinheit, um die Regeneration der Athleten zu gewährleisten. Geplant sind in Zukunft 2 Trainingseinheiten morgens – während der Schulzeit -, damit am Nachmittag etwas mehr Raum für Nachhilfe, Hausaufgaben oder auch mal die Entspannung bleibt. „Schule und Sport müssen unbedingt im Gleichwicht sein, sonst würde das Internat sein Ziel verfehlen“, bekräftigt Martin Drechsler.
„Neues Sportinternat“
Vor etwa einem Jahr ist das Sportinternat Köln umgezogen. Szaundra hat den ganzen Wechsel mitgemacht und kann vergleichen. Im „alten“ Internat wohnten die Athleten des Sportinternats im Turm des Bundesleistungszentrums. Die Atmosphäre war vielleicht etwas persönlicher und familiärer, allein schon durch die Doppelzimmer, die kleinere Anzahl an Athleten und die engen Räumlichkeiten. Doch insgesamt sehen Szaundra und auch ihr Trainer das neue Gebäude und den nun weiteren Weg zum Training als Gewinn.
Früher mussten die Judokas nur ein paar Treppen tiefer gehen, um auf die Trainingsmatte zu gelangen, was nicht immer nur von Vorteil war. Viele Athleten kamen verschlafen zum Training oder der Kopf war noch bei den Hausaufgaben. Die Konzentration und die Trainingseinstellung waren nicht immer optimal, dies hat sich laut Trainer durch die örtliche Distanz deutlich verbessert.
Im Vergleich zu Vorher hat Szaundra nun ein Einzelzimmer und teilt sich mit 3 weiteren Athleten einen Aufenthaltsraum. Zusammen haben sie alle eine Küche und einen Essensraum. Szaundra findet, dass sie nun mehr Privatsphäre hat und dass dies gerade für die schon etwas älteren Athleten ganz angenehm ist. Die neue Unterkunft bietet insgesamt mehr Freiräume und Möglichkeiten sowohl für die Athleten als auch die Pädagogen. Morgens und abends versorgen sich die Athleten mit Hilfe der Pädagogen selbst. Durch Kooperationen des 1. FC Köln mit einem Sushi-Restaurant und einer Bäckerei wird das Internat regelmäßig mit Leckereien beliefert. Mittags treffen die Athleten auf ein vielseitiges Angebot in der Kantine der Sporthochschule. „Neben einer besseren Unterkunft hat sich auch die Ernährungssituation enorm verbessert“, bestätigt auch Szaundra.
Der 1. FC Köln ist der alleinige Träger des „neuen“ Sportinternats, welches sich jedoch von der Idee und vom Konzept her nicht vom „alten“ Internat unterscheidet. Noch immer sind Athleten aus verschiedenen Sportarten im Internat vertreten, dies ist einzigartig für ein Projekt eines Bundesligisten. Im Gegensatz zu früher, als die Trägerschaft aus mehreren Teilen bestand, verläuft heute einiges einfacher und professioneller. Probleme können schneller gelöst, Entscheidungen schneller gefällt werden, nicht zuletzt aufgrund der professionelleren Strukturen und der besseren finanziellen Möglichkeiten. Und die Sportart Judo kann enorm von diesen Strukturen profitieren. Aber auch der FC gewinnt natürlich bei der ganzen Sache. Diese Synergien zwischen Fußball und olympischen Sportarten werden deshalb auch von mehreren Seiten gefördert.
Szaundras Zukunft
In den nächsten zwei, drei Jahren will Szaundra international den Anschluss im Frauenbereich schaffen. Und natürlich träumt sie von den Olympischen Spielen, sie hat nicht umsonst, diesen Weg gewählt… Zunächst muss Szaundra allerdings ihr Abitur erfolgreich hinter sich bringen und danach steht die Grundausbildung der Bundeswehr auf dem Programm. Während dieser Periode bleibt sie noch im Internat wohnen und genießt jeweils montags das gelieferte Sushi.
Karin Ritler Susebeek