Marathon-Legende Jörg Peter im Interview

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Fast 30 Jahre hielt Jörg Peter den deutschen Rekord über die 42,195 Kilometer. Er siegte unter anderem zwei Mal beim Hamburg-Marathon und nahm 1980 für die DDR im 10.000-Meter-Lauf an den Olympischen Spielen teil. Im Gespräch mit Trainingsworld spricht er über sein Training, die aktuelle Läufer-Generation und woran es dem modernen Lauftraining mangelt.

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Trainingsworld: Herr Peter, zunächst ein Blick in die Gegenwart: Was machen Sie aktuell und wie viel trainieren Sie noch pro Woche?

Jörg Peter: Beruflich bin ich gelernter Maschinenbauingenieur, 1989 habe ich von meinem Vater den Fuhrbetrieb übernommen, der sich mit Abfallbeseitigung beschäftigt. Sportlich gesehen laufe ich in der Woche noch zwei bis drei Mal jeweils zehn bis 15 Kilometer.

Trainingsworld: Zum Vergleich, wie viel haben Sie in Ihrer aktiven Zeit trainiert?

Jörg Peter: Hier muss man differenzieren. In den Anfangsjahren war ich ja 5.000- und 10.000-Meter-Läufer. Da waren meine Umfänge bei rund 180 bis 220 Kilometern pro Woche. Dabei hatten wir immer ein Training in Blöcken von jeweils drei Wochen. Die vierte Woche war immer zur Regeneration und Erholung, in der nur zwei Drittel des Umfangs trainiert wurde – also statt 200 rund 130 Kilometer. Später bin ich dann auf die Marathonstrecke umgestiegen, da habe ich dann etwas mehr trainiert.

Welches Pensum ist heute zeitgemäß?

Trainingsworld: Bei Ihrer Vorbereitung auf den Tokio-Marathon sind Sie in 14 Tagen elf mal 30 Kilometer gelaufen. Ist so ein Pensum noch zeitgemäß? 

Jörg Peter: Das habe ich füher oft gemacht. Ich glaube, ich würde das auch heute noch so machen, wobei die Trainingswissenschaft natürlich weiter voran geschritten ist.

Der fast 30 Jahre währende Rekord

TrainingsworldMit Ihrer in Tokio 1988 aufgestellten Zeit von 2:08:47 Std. waren Sie fast 30 Jahre deutscher Marathon-Rekordhalter (Anm. d. Red.: Diesen Rekord unterbot Arne Gabius am 25. Oktober 2015 bei den Deutschen Marathonmeisterschaften in Frankfurt mit einer Zeit von 2:08:33 Std.). Woran liegt es, dass dieser Rekord so lange Bestand hatte?

Jörg Peter: Die Zeiten haben sich geändert, vor allem mit der Wiedervereinigung Deutschlands. Die ganzen guten, ausgebildeten Trainer, die es in der DDR gab, haben sich irgendwo verstreut. Einige wenige sind Trainer geblieben, die meisten haben sich neu orientieren müssen. Sport wurde in der DDR ja sehr wissenschaftlich betrieben – das findet heute ja nicht mehr statt. Ich will es mal so sagen: Wie viele gute Langstreckentrainer haben wir denn in Deutschland? Ich kann nicht viele aufzählen, zumindest sind sie mir nicht bekannt. Heute gibt es vielleicht eine Handvoll, in der DDR hatten wir 20, 30 gute Trainer.

Dennoch sollte man zugeben, dass der Laufsport in der jüngeren Vergangenheit einen Schritt vorangekommen ist und es mittlerweile viele neue Erkenntnisse gibt. Unser Training ist daher sicherlich nicht mit dem zu vergleichen, was beispielsweise die Äthiopier und die Kenianer heute machen. Die haben ganz andere Voraussetzungen als wir. Ich könnte mir gut vorstellen, dass talentierte Läufer heutzutage auch mit weniger Kilometern hinkommen. Dennoch glaube ich nicht, dass ein Marathonläufer, der weniger als 200 Kilometer in der Woche läuft, in die Weltspitze vordringen kann. Ein gewisses Pensum ist ganz einfach notwendig, da sich durch das Ausdauertraining auch das Herz dementsprechend vergrößert und der Herzmuskel trainiert wird. Das ist ja ganz entscheidend für die Ausdauerleistung.

Das erste Grundproblem sind die Trainer, das zweite die Athleten

Trainingsworld: Liegt es auch an den Läufern oder nur an den Trainern? Und wie schätzen Sie die aktuelle Generation der deutschen Top-Läufer ein? 

Jörg Peter: Die Trainer sind das erste Grundproblem, das zweite aber natürlich die Athleten. In meinen Marathon-Zeiten war ich in Magdeburg bei Klaus Kegel in einer Trainingsgruppe von zehn, zwölf Marathonläufern. Wir haben täglich zusammen trainiert. Die langen, langsamen Läufe kann man zusammen laufen, das ist kein Problem. Aber bei den Intensitäten gab es natürlich Unterschiede. Da musste der Trainer dann Gruppen bilden – eine schwache, eine mittlere und eine starke. Trotzdem sind wir immer in der Gruppe zusammen gewesen. Dabei hat jeder versucht, bei den intensiven Einheiten der Beste zu sein.

Man hat sich dabei gegenseitig hochgeschaukelt. (…) Mein Verdacht ist, dass es diese Trainingsgruppen in der Form nicht mehr gibt. Nehmen wir als Beispiel Falk Cierpinski: Er hat mit seinem Vater eigentlich einen hervorragenden Trainer, der weiß wie es geht, weil er alles in der DDR durchlebt hat. Trotzdem gelingt es ihm nicht, seinen Sohn entscheidend vorwärts zu bringen. Ich möchte behaupten, das liegt daran, dass er zu viel alleine trainiert. Er hat keinen Partner im Training und er weiß nicht, an wem er sich messen soll. Das Anspruchsniveau geht ganz einfach verloren, wenn man keinen Gegner hat.

Der Stellenwert des Hamburg-Marathons

Trainingsworld: Jedes Jahr im April steigt mit dem Hamburg-Marathon einer der großen deutschen Marathons, den Sie ja auch zwei Mal gewonnen haben. Wie ordnen Sie dieses Rennen im Vergleich zu den anderen großen deutschen Marathons ein? 

Jörg Peter: Der Hamburger Marathon hat einen sehr hohen Stellenwert in Deutschland. Ich bin ja zwei Mal Streckenrekord gelaufen, aber diese Rekorde sind ja bereits um mehrere Minuten verbessert worden. Ich denke da beispielsweise an den Spanier Julio Rey, der mehrfach den Hamburg Marathon gewonnen hat und auch immer wieder die Streckenbestleistung verbessert hat.

„Ich finde es gut, wenn 20.000, 30.000 oder 40.000 Läufer am Start sind“

Trainingsworld: Auf welcher Strecke sind Sie als Profi am liebsten gelaufen? 

Jörg Peter: Das ist schwer zu sagen. Sicherlich zählen Hamburg und Berlin zu den Highlights meiner Marathon-Karriere. Ganz besonders gerne bin ich aber in Japan gelaufen. Was mich hier begeistert hat, war, dass über die ganze Strecke Zuschauer an der Strecke waren und mich als Europäer trotzdem mit meinem Namen angefeuert haben. Die Begeisterung, die in den 80er- und 90er-Jahren in Japan bei Marathonläufen geherrscht hat, hat mich schon beeindruckt. Aber auch in Deutschland steht heute ein Berlin- oder ein Hamburg-Marathon dem in nichts nach, vor allem, weil sich die Rennen ja mehr und mehr zu Massensport-Veranstaltungen entwickelt haben. (…) Ich finde es gut, wenn 20.000, 30.000 oder 40.000 Läufer am Start sind. Bei den Läufen, die ich in Japan gemacht habe, waren ja maximal 200 Läufer am Start – und das waren alles Profis.

Tipps für Marathon-Einsteiger

Trainingsworld: Was würden Sie ambitionierten Freizeitsportlern raten, die ins Marathontraining einsteigen wollen? 

Jörg Peter: Das kommt auf die Ausgangssituation an, was der Sportler bislang gemacht hat. Ist er ein völliger Anfänger oder ist er schon über 15 oder 20 Kilometer Wettkämpfe gelaufen? Ebenso müsste man wissen, welche Ziele sich der Läufer gesetzt hat. Wenn es sich um einen jungen Athleten handelt, der die Zielsetzung hat, auch mal Olympiasieger zu werden, dann muss man ihm natürlich sagen, dass er dafür hart trainieren muss – und wenn er Olympiasieger werden will, muss er alles dem Sport unterordnen. Dann steht beispielsweise auch über die Weihnachtsfeiertage Training auf dem Programm, dann muss man für die Sache leben.

Ist die Vormachtstellung der Afrikaner in Stein gemeißelt?

Trainingsworld: Ist es denn aus Ihrer Sicht denkbar, dass die Vormachtstellung der Afrikaner irgendwann durch andere Nationen gebrochen werden kann? 

Jörg Peter: Eigentlich ist das denkbar. Es gab beispielsweise Anfang der 90er-Jahre sehr gute Mexikaner, die in der Weltspitze mitgelaufen sind. Das verwundert mich ein bisschen, dass man von dort nichts mehr hört. Immerhin haben die Mexikaner auch die Möglichkeit, in 3.000 bis 4.000 Metern Höhe zu trainieren. Es gibt aber auch noch andere Länder und Regionen, aus denen man das vielleicht erwarten könnte, wo es aber vielleicht an Trainern und am Trainingswissen mangelt. Möglich ist aber auch, dass beispielsweise ein Europäer im Hochland sehr gut trainiert – ähnlich wie die Afrikaner – und dann ebenfalls in die Weltelite vorstößt. Das ist alles machbar, wird aber, so wie es momentan aussieht, dann auch eher ein Einzelfall bleiben.

 

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