Herzratenvariabilität Tracking mittels Smartwatches und Apps

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Herzratenvariabilität: Immer mehr Smartwatches und Apps versprechen Ausdauersportlern durch die Messung der HRV eine individuell zielgerichtetere Trainingsplanung. Dr. Peter Düking hat untersucht, inwieweit dies in der Praxis tatsächlich funktioniert.

Inhaltsverzeichnis

  1. Was sagt die Herzratenvariabilität aus?
  2. Was ist eine gute Herzratenvariabilität?
  3. Wann sollte man die HRV messen?
  4. Effekte von HRV-gesteuertem Training
  5. Limitationen

Was sagt die Herzratenvariabilität aus?

Sportlern stehen verschiedene Trainingsmethoden zur Verbesserung ihrer Ausdauerleistungsfähigkeit zur Verfügung, die in Trainingsdauer, -intensität oder -häufigkeit variieren. Bekannte Trainingsmethoden sind z. B. das umfangsorientierte hochvolumige Dauertraining, das hochintensive (Intervall-) Training und auch Mischformen dieser Trainingsmethoden, wie z. B. das Fahrtspiel. Im täglichen Trainingsprozess stellen sich Ausdauersportler oft die Frage, wie viel und welches Training angemessen ist, um optimale physiologische Adaptionen und Leistungsverbesserungen hervorzurufen.

Die Frage nach der optimalen Belastungsintensität wird häufig aufgrund von (Körper-) Erfahrung oder nach dem Bauchgefühl entschieden. Gleichzeitig kommen Ausdauersportler aber auch vermehrt mit Technologien wie z. B. Apps, Smartwatches oder anderen „Wearables“ in Kontakt, die bei der Intensitätsfindung und Belastungssteuerung Unterstützung versprechen. Die Technologien verwenden dabei unterschiedliche Sensoren und Algorithmen und greifen darüber hinaus auf unterschiedliche Körperparameter zurück. Einer der Parameter, der in diesem Zusammenhang häufig Anwendung findet, ist die Herzratenvariabilität (HRV).

Die HRV (genauer gesagt die Pulsratenvariabilität) wird mithilfe optischer Sensorik am Handgelenk mit Smartwatches oder am Finger mit „intelligenten“ Ringen während Ruhebedingungen gemessen und mithilfe verschiedenster Algorithmen analysiert und interpretiert. Letztlich unterstützt die HRV-Messung dabei, eine (Über-) Belastung zu beurteilen. Viele Geräte erfassen die HRV ohne aktives Zutun des Nutzers automatisch während der Nacht und geben am Morgen ein Feedback zu dessen Belastungszustand. Es wird daher auch für Breitensportler ohne hochqualifizierten Trainer immer einfacher, diesen Parameter zu erfassen und für das Training zu nutzen.

Was ist eine gute Herzratenvariabilität?

Parameter der Herzratenvariabilität erfassen Aspekte der Veränderung des autonomen Nervensystems (ANS), das sämtliche automatisierte Prozesse des menschlichen Körpers reguliert. Dazu zählen z. B. Herzfrequenz, Atmungsfrequenz und Körpertemperatur (Baynard, Goulopoulou, Sosnoff, Fernhall, & Kanaley, 2014; Vesterinen et al., 2016). Verändert sich das autonome Nervensystem, verändert sich auch die Herzratenvariabilität. Damit kann eine Beurteilung der körperlichen und mentalen Beanspruchung erfolgen. Dies wiederum kann zur Steuerung von Trainingsprozessen genutzt werden (Vesterinen et al., 2016).

In diesem Zusammenhang sei erwähnt, dass die Zeit zwischen zwei Herzschlägen im Millisekundenbereich variiert. Das individuelle Stress-bzw. Erholungslevel des Athleten beeinflusst, wie groß die Variation der Zeit zwischen zwei Herzschlägen ist. Kurz gesagt: Stress, wie z. B. eine hohe Trainingsbelastung, geringe Erholung, Alltagsstress, ein Infekt etc. (Koeneman et al., 2021), verringert die individuelle HRV. Entspannung führt zu einer individuell höheren HRV.

Wann sollte man die HRV messen?

In der Trainingspraxis wird angenommen, dass ein „gestresster“ Athlet (niedrige HRV) eine Regenerationspause oder zumindest eine Reduktion des Trainings benötigt. Anders ausgedrückt: Erscheint der Sportler erholt (angezeigt durch eine individuell erhöhte HRV), ist er bereit für (intensive) Trainingseinheiten. Die individuelle HRV kann also als Indikator angesehen werden, ob „Gas geben“ oder „Pause machen“ im Trainingsprozess angesagt ist. Demnach kann man eine individuell erniedrigte HRV als Indikator für „Pause machen“ und eine individuell erhöhte HRV als Indikator für „Gas geben“ interpretieren.

Effekte von HRV-gesteuertem Training

Verschiedene Forschungsgruppen sind in den letzten Jahren der Frage nachgegangen, wie effektiv ein Training, das mithilfe der HRV gesteuert wird, im Vergleich zu einem „vorgefertigten“ Trainingsplan in verschiedenen Ausdauersportarten ist. (Javaloyes, Sarabia, Lamberts, & Moya-Ramon, 2018; Javaloyes, Sarabia, Lamberts, Plews, & Moya-Ramon, 2019; Nuuttila, Nikander, Polomoshnov, Laukkanen, & Hakkinen, 2017). Mittlerweile geben auch systematische Reviews und Metaanalysen einen vergleichenden Einblick in die derzeitige Studienlage. Bemerkenswerterweise zeigen mehr Studienteilnehmende eine höhere Responderrate nach einem HRV-gesteuerten Ausdauertraining. Als Grundlage für diese unterschiedlichen Anpassungen wird in der Literatur derzeit ein individuell günstigeres Timing von Belastung und Erholung im Trainingsprozess diskutiert. (Javaloyes et al., 2018; Javaloyes et al., 2019; Kiviniemi, Hautala, Kinnunen, & Tulppo, 2007).

Limitationen

Trotz dieser vielversprechenden Studienlage ist bei der Verwendung von Wearables wie Smartwatches oder „intelligenten“ Ringen zur Steuerung des Trainingsprozesses anhand der HRV in der Praxis noch Vorsicht geboten. Es ist zu berücksichtigen, dass die HRV nur einer von vielen Parametern ist, anhand derer ein optimaler Trainingsreiz bestimmt werden kann. In der Trainingspraxis sollte je nach Sportart, Trainingsschwerpunkt und Umweltbedingungen die HRV mit anderen Informationsquellen (beispielsweise subjektiven Parametern) zur Entscheidungsfindung verknüpft werden. Zudem ist die derzeitige Studienlage ist noch unzureichend – es fehlen weitere Studien zu den langfristigen Effekten eines HRV-gesteuerten Trainings.

Darüber hinaus können bei Weitem nicht alle Wearables die HRV reliabel und valide erfassen. (Düking, Fuss, Holmberg, & Sperlich, 2018; Düking, Hotho, Holmberg, Fuss, & Sperlich, 2016). Wir empfehlen nachdrücklich, nur Wearables oder Smartphone-Apps zu verwenden, die – wissenschaftlich nachgewiesen – die HRV verlässlich erfassen können. Dazu zählen z. B. die App „HRV4training“ (Plews et al., 2017) oder die Elite-HRV-App (Chhetri, Shrestha, & Mahotra, 2022). Zu den Smartwatches, die mithilfe ausreichender Validität die HRV erfassen können, zählen z. B. Modelle der Firma Polar Electro Oy (Nuuttila, Korhonen, Laukkanen, & Kyrolainen, 2021). Darüber hinaus sollten Sportler bei der Wahl des Wearables auf den Tragekomfort (insbesondere beim Schlafen) sowie die Batterielaufzeit des jeweiligen Geräts achten. Trägt man das Gerät nicht, weil es den Schlaf behindert, oder kann das Gerät aufgrund einer nicht geladenen Batterie keine Daten erfassen, kann man den Trainingsprozess folglich auch nicht optimal steuern.

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Autor: Peter Düking

Der Sportwissenschaftler arbeitet als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für integrative und experimentelle Trainings- und Bewegungswissenschaft am Institut für Sportwissenschaft der Julius-Maximilians-Universität Würzburg.

www.uni-wuerzburg.de

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Über den Autor

Peter Düking

Der Sportwissenschaftler arbeitet als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für integrative und experimentelle Trainings- und Bewegungswissenschaft am Institut für Sportwissenschaft der Julius-Maximilians-Universität Würzburg.

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