Wearables in Form von Uhren oder Armbändern sind aus dem Alltag vieler nicht mehr wegzudenken. Die kleinen Geräte versprechen eine genaue und verlässliche Erfassung von Fitness- und Gesundheitsparametern. Doch halten sie wirklich das, was die Hersteller versprechen?
Was ist ein Wearable?
Wer seinen Fitness- und Gesundheitszustand im Blick haben möchte, greift oftmals zu sogenannten Wearables. Unter „Wearables“ versteht man kleine Geräte wie Uhren, Armbänder oder Anhänger, in die in der Regel verschiedene Sensoren zur Ermittlung der körperlichen Aktivität, der Herzfrequenz und/oder des Energieverbrauchs integriert sind.
Allein im Jahr 2019 wurden weltweit 225 Millionen solcher Geräte verkauft. Studien zufolge nutzt in Australien und Kanada etwa ein Drittel der Bevölkerung aktiv ein Wearable. Auch in der Fitnessindustrie spielt das Thema eine bedeutende Rolle – in einer jährlich vom ACSM‘s Health & Fitness Journal durchgeführten weltweiten Befragung zu aktuellen Fitnesstrends führten Wearables im Jahr 2020 das Ranking an. Es ist davon auszugehen, dass sie auch im Jahr 2021 eine Spitzenposition einnehmen werden.
Wie genau sind die Wearables?
Verlockend: Ein Klick auf das Gerät und schon werden einem die heutige Schrittzahl, die aktuelle Herzfrequenz, der Kalorienverbrauch und weitere Parameter angezeigt. Nicht nur aus wissenschaftlicher Sicht, sondern auch für die Nutzer selbst ist es wichtig, dass die angezeigten Daten genau und verlässlich sind. Treibt eine Person mehr Sport und senkt dadurch ihre Ruheherzfrequenz, soll das Wearable dies auch entsprechend abbilden. Verfälschtes Feedback kann dabei schnell zu fehlerhaften Schlüssen oder zur Aufgabe des aktiven Lebensstils seitens der Nutzer führen.
Der Frage nach der Genauigkeit und Verlässlichkeit von Wearables ging nun eine Gruppe kanadischer und US-amerikanischer Wissenschaftler auf den Grund. Hierfür nahmen sie eine Vielzahl wissenschaftlicher Studien genau unter die Lupe. Die dazu entstandene systematische Übersichtsarbeit wurde kürzlich im Fachblatt JMIR mHealth and uHealth veröffentlicht¹. Solche Übersichtsarbeiten besitzen aus wissenschaftlicher Sicht die höchste Aussagekraft, da sie unter Beachtung von Qualitätskriterien einen objektiven Blick auf den Forschungsstand zu einer bestimmten Fragestellung werfen.
Was sagen wissenschaftliche Untersuchungen?
Die Forscher werteten in ihrer Arbeit 158 Studien mit insgesamt 5 934 Teilnehmern über die gesamte Lebensspanne aus (Altersbereich: 4–87 Jahre). Nach absteigender Häufigkeit wurden Modelle folgender Hersteller untersucht: Fitbit, Garmin, Apple, Polar, Misfit, Withings, Samsung, Mio und Xiaomi. In den meisten der herangezogenen Studien trugen die Teilnehmer das Wearable am Handgelenk oder im Bereich der Hüfte, während Geräte, die am Oberkörper oder am Bein getragen werden, seltener untersucht wurden. Etwa drei Viertel der Untersuchungen fanden unter Laborbedingungen statt, der Rest war als Alltagsstudie angelegt. Für weitere Analysen legte die Forschergruppe ihren Schwerpunkt auf die Parameter Schrittzahl, Herzfrequenz und Energieverbrauch.
Wie hoch ist die Genauigkeit bei der Schrittzählung und Herzfrequenz?
Um die Genauigkeit der von den Wearables angezeigten Daten zu überprüfen, wurden diese mit wissenschaftlich anerkannten Referenzmethoden abgeglichen. Im Fall der Schrittzahl war dies das manuelle Zählen von Schritten und der Einsatz von Beschleunigungsmessern, die i. d. R. an der Hüfte getragen werden. Generell konnte in den durchgeführten Studien eine hohe Genauigkeit der von den Wearables erfassten Schrittzahl festgestellt werden, die in den Laborstudien nochmals etwas höher war als in den Alltagsstudien. In knapp der Hälfte der im Labor durchgeführten Studien lag der Messfehler der Wearables in einem Bereich von ± 3 Prozent. Wenn Ungenauigkeiten in den Daten erkennbar waren, so lag i. d. R. eine Unterschätzung vor, d. h., die Schrittzahl der Wearables lag unter jener der Referenzmethoden.
Welche Fitnesstracker sind am besten?
Die höchste Messgenauigkeit zeigten die „Apple Watch“ sowie Modelle der Hersteller Fitbit und Samsung. Jedoch gab es auch zwischen den Modellen eines Herstellers Abweichungen. So überschätzte die „Fitbit Classic“ die Anzahl an Schritten leicht, während die „Fitbit Charge“ zu einer Unterschätzung neigte. Eine durchgängig niedrigere Schrittzahl im Vergleich zu den Referenzmethoden wurde bei Modellen der Hersteller Withings und Misfit festgestellt.
Die Genauigkeit der angegebenen Herzfrequenz wurde mithilfe von EKG, Brustgurt und Pulsoxymetrie (Messung der Lichtabsorption der Haut) als Referenzmessung überprüft. Unter Laborbedingungen konnte für mehr als die Hälfte der untersuchten Wearables eine hohe Messgenauigkeit festgestellt werden. Alltagsstudien lagen nur in begrenzter Zahl vor, sodass aussagekräftige Daten nur für wenige Hersteller gewonnen werden konnten. Die genauesten Ergebnisse lieferten hier die Wearables von Apple, gefolgt von Fitbit und Garmin. Modelle von Fitbit tendierten hierbei dazu, je nach Intensität der ausgeübten Aktivität eine niedrigere Herzfrequenz als die jeweilige Referenzmethode anzuzeigen.
Wie genau sind die Kalorienangaben bei Wearables?
Neben der Herzfrequenz und der reinen Schrittzahl interessiert viele Personen auch, wie viel Energie sie beispielsweise beim Sport verbraucht haben. Zu den Referenzmethoden für den Energieverbrauch bei einer bestimmten Aktivität zählt u. a. die Analyse von Atemgasen. Die analysierten Studien zeigen klar, dass die Wearables bei der Schätzung des Energieverbrauchs die größten Probleme haben. Neun von zehn im Labor angesiedelte Untersuchungen kommen zu einem Messfehler von mehr als ± 3 Prozent, wobei der Energieverbrauch von den Wearables in der Regel unterschätzt wird.
Ähnlich wie bei der Erfassung der Herzfrequenz wichen auch hier die Schätzungen zwischen verschiedenen Modellen desselben Herstellers voneinander ab. Beispielsweise ging mit einer deutlichen Unterschätzung des Energieverbrauchs mittels „Fitbit Classic“ eine Überschätzung der per „Fitbit Charge HR“ angezeigten Werte einher. Zwar beschreibt die Übersichtsarbeit die Fitbit-Modelle als insgesamt am genauesten, jedoch kann auch hier nicht von einer angemessenen Genauigkeit der angezeigten Werte ausgegangen werden.
Ein weiterer Schwachpunkt in diesem Bereich ist, dass die Hersteller nur sehr selten die verwendeten Algorithmen veröffentlichen. So sind Überprüfung und Weiterentwicklung derselben eingeschränkt. Einige der untersuchten Modelle beziehen zusätzlich die Herzfrequenz in die Schätzungen des Energieverbrauches ein. Ein Hinweis auf eine höhere Messgenauigkeit mit diesem Ansatz ist in den entsprechenden Studien jedoch nicht zu finden.
Wie wird die Verlässlichkeit der Parameter untersucht?
Für die Untersuchung der Verlässlichkeit der Daten bediente man sich zweier Vorgehensweisen. Zum einen wurde dieselbe Messung (z. B. 30 Minuten Joggen bei 10 km/h) mit demselben Wearable mehrmals wiederholt und die Ergebnisse miteinander verglichen. Zum anderen wurden während einer Messung mehrere Geräte desselben Wearables gleichzeitig an den Testpersonen angebracht und die Ergebnisse dieser Geräte analysiert.
Im zweiten Fall konnte für alle drei Parameter eine zufriedenstellende Verlässlichkeit der Wearables ermittelt werden. Speziell für die Herzfrequenz produzierte die „Fitbit Charge 2“ nur bei einzelnen Aktivitäten verlässliche Daten, während die „Garmin Vivosmart HR+“ unabhängig von der Tätigkeit (z. B. Joggen und Alltagsbewegungen) eine hohe Verlässlichkeit an den Tag legte.
Vergleichsweise wenige Studien wurden bisher publiziert, in denen dieselbe Messung mit demselben Wearable mehrmals durchgeführt wurde, weshalb hier nur Ergebnisse zur Schrittzahl vorliegen. Da die Studien zu teilweise deutlich voneinander abweichenden Resultaten kommen – von einer sehr geringen bis zu einer sehr hohen Verlässlichkeit –, können hier derzeit noch keine finalen Schlüsse gezogen werden.
Wo stoßen Wearables an ihre Grenzen – und wo werden sie weiterentwickelt?
Wie bereits beschrieben, lagen zu den einzelnen Wearables unterschiedlich viele Untersuchungen vor. Ein Grund hierfür könnte den Autoren zufolge der Preis sein: Während die „Fitbit Charge HR“ (ca. 120 Euro) Gegenstand zahlreicher Studien war, wurde die „Fenix“-Reihe von Garmin mit einem etwa dreimal so hohen Anschaffungspreis kaum untersucht. Ebenso ist kritisch anzumerken, dass durch die fortschreitende technologische Entwicklung einige Wearables schon wieder veraltet sind, bevor überhaupt eine wissenschaftliche Überprüfung dazu stattgefunden hat. Hier fordern die Autoren eine stärkere Zusammenarbeit zwischen den wissenschaftlichen Institutionen. Sie rufen aber auch die Hersteller der Wearables zu mehr Transparenz hinsichtlich der verwendeten Algorithmen auf. So ermöglicht man eine unabhängige und rasche Überprüfung der Geräte.
Fazit
Gute Nachrichten liefert die Übersichtsarbeit für diejenigen, die mithilfe ihres Wearables ihre Schrittzahl und ihre Herzfrequenz tracken möchten. Wer besonderen Wert auf die Schrittzahl legt, dem sei laut Studien ein Modell von Apple, Fitbit oder Samsung empfohlen. Die Herzfrequenz lässt sich am genauesten mit Apple-, Garmin- und Fitbit-Modellen erfassen. Dabei war beim letztgenannten Hersteller allerdings eine Tendenz zur Unterschätzung der Herzfrequenz erkennbar.
Wer sich eine genaue Erfassung seines Energieverbrauchs wünscht, muss wohl noch auf die Entwicklung verbesserter Sensoren und Algorithmen warten, da die Wearables in dieser Kategorie am schlechtesten abschnitten. Abschließend halten die für die Übersichtsarbeit zuständigen Wissenschaftler fest, dass auch innerhalb der einzelnen Modelle eines Herstellers mit Unterschieden in der Genauigkeit und Zuverlässigkeit zu rechnen ist und es daher derzeit nicht das eine Wearable gibt, das man als Goldstandard für alle untersuchten Parameter bezeichnen kann.
Autor und Sportexperte: Stefan Altmann
Stefan Altmann ist Leiter der Leistungsdiagnostik am Institut für Sport und Sportwissenschaft des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) sowie Koordinator Sportphysiologie & Wissenschaft der TSG ResearchLab gGmbH.
stefan.altmann@kit.edu
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