Ein Freund, der auf einer Krebsstation behandelt wurde, konnte aufgrund seiner Therapie 8 Wochen weder Nahrung noch Wasser zu sich nehmen. Er hing an einem Tropf und verlor während dieser Zeit über 19 kg an Gewicht. Viele andere Patienten starben um ihn herum; es war eine sehr deprimierende Zeit.
Als er gefragt wurde, wie er die Schläuche verkrafte, die in und aus seinem Magen sowie in seine Speiseröhre führten, antwortete er: „Ich sage mir jeden Morgen: Ich werde diesen Tag genießen, und dann frage ich mich: Wem kann ich heute helfen?“ Diese Philosophie sollten alle Sportler übernehmen.
Vor fast 40 Jahren brach der großartige australische Läufer Ron Clarke die Weltrekorde über 2,3 und 6 Meilen sowie 3.000 und 5.000 Meter und den Distanzlauf über 1 Stunde. Den 10.000-Meter-Weltrekord verpasste er jedoch viele Male. Während einer seiner Trainingsläufe am Strand grübelte er gerade über mögliche Gründe dafür nach, als er auf einmal aus einiger Entfernung fröhliches Rufen und Planschen aus einer Felsenbucht wahrnahm. Aus reiner Neugier ging er dorthin und entdeckte eine Gruppe Kinder, die auf dem Rücken im flachen Wasser lagen und sich einen Ball zuwarfen. Dann bemerkte er eine ganze Reihe von Klapprollstühlen. Die Kinder waren alle gelähmt. Er wandte sich von der Szene ab und brummte vor sich hin: „Wozu mache ich mir eigentlich Sorgen um den 10.000-Meter-Weltrekord?“ Sportliche Leistung sollte immer in die richtige Perspektive gerückt werden.Das englische Wort für Erholung (recreation) bedeutet wörtlich, Körper und Geist aufzufrischen. Wir sind dazu in der Lage, also sollten wir es auch tun. Wenn wir Spaß am Sport haben, werden wir ihn noch mehr genießen, wenn wir uns in unserer Sportart verbessern. Eine Leistungssteigerung hat auch immer etwas mit Zeiteinteilung zu tun. Unser Leben dreht sich rund um die 3 Achten – 8 Stunden Arbeit, 8 Stunden Schlaf, 8 Stunden Freizeit. Ein Teil der Freizeit wird für die Nahrungsaufnahme und für den Weg zur und von der Arbeit benötigt. So bleibt uns mindestens 1 Stunde pro Tag für unseren Sport. Wir haben die Wahl und können uns für diese 1 Stunde entscheiden.
Roger Bannister, ein Medizinstudent am St. Mary’s Hospital in Paddington, war weltweit der erste Läufer, der die Meile unter 4 Minuten gelaufen ist. Er entschied sich, während seiner 1-stündigen Mittagspause die 10 Minuten zur Paddington Laufbahn zu joggen. Dort lief er 10 x 440 Yards (400 Meter) in jeweils rund 1 Minute mit 2 Minuten Pause dazwischen. Dann lief er zurück zur Arbeit. Die ganze Prozedur dauerte genau 48 Minuten, so dass ihm noch Zeit für das Mittagessen blieb. Wenn Sie wirklich trainieren wollen, dann können Sie es immer irgendwie einrichten.Unser Körper bleibt ca. 5 Jahre auf dem Höhepunkt seiner sportlichen Leistungsfähigkeit, auch wenn wir auf die eine oder andere Art vielleicht 25 Jahre an Wettkämpfen teilnehmen. Daher sollten Sie jede Trainingseinheit – genau wie auch jeden Tag – als ein wertvolles Stück Ihrer Zeit betrachten. Sehen Sie es als Investition, die sich in der Zukunft auszahlen wird. Je mehr wir investieren, desto höher wird die Rendite sein.
Klein anfangen – dann besser werden
Training muss Sinn und Zweck haben. Es handelt sich um eine Reise auf ein Ziel hin, einen Fixpunkt in unserem Geist. Die Endstation sollte erreichbar, gleichzeitig aber auch anspruchsvoll sein. Sagen wir einmal, das Ziel besteht darin, die Meile unter 4 Minuten zu laufen. Was muss man dafür tun? Erst einmal müssen Sie sich an das Tempo gewöhnen. 59 Sekunden für 400 Meter, nicht 60 Sekunden für eine Runde, was dann nur für eine 4:04-er Zeit reichen würde. Sie können dies schaffen, indem Sie Ihre Distanz in verschiedene Abschnitte einteilen und diese dann in der benötigten Geschwindigkeit laufen. Unter Umständen müssen Sie mit sehr kurzen Abschnitten wie z. B. 200 m starten, bis Sie das doppelte der eigentlichen Distanz, z. B. 16 x 200 m in 29,5 Sekunden laufen können. Diese Abschnitte sollten Sie alle in der vorgegebenen Zeit laufen, auch wenn es schwer fällt. Eine Erholungszeit vom Doppelten der Laufzeit reicht aus (59 Sekunden). Wenn Sie dies bewältigen, können Sie die Abschnitte um 100 m auf 300 m verlängern, bei gleicher Geschwindigkeit und gleich langen Erholungsphasen wie zuvor (59 Sekunden). Irgendwann werden Sie die 1.200 m non-stop in 2:57 laufen können, und dann sind Sie auf dem besten Wege!
Damit der Körper eine Zeit von 59 Sekunden für 400 m bewältigen kann, sollten Sie noch schneller trainieren: Sagen wir einmal 55 Sekunden für 400 m. Um das zu schaffen, müssen Sie quantitativ weniger, aber qualitativ bessere Leistung mit längeren Erholungsphasen erzielen, z. B. 4 x 400 m in 55 Sekunden mit 3–4 Minuten Pause. Wenn Sie dies gut beherrschen, können Sie die Erholungsphasen in Schritten von 15 Sekunden reduzieren, bis Sie die Wiederholungen mit nur der Hälfte der ursprünglichen Erholungszeit absolvieren können. Dies kann mehrere Wochen, Monate oder sogar Jahre dauern. Wichtig ist jedoch, dass Sie immer noch auf Ihr Ziel hinarbeiten. Die Reise mag lang und schwierig sein, Sie sollten jedoch auf Kurs bleiben.
Auch wenn die meisten von uns keine Heldentaten vollbringen werden – und ich habe hier natürlich die Zusammenhänge vereinfacht dargestellt – so sind Sie doch soeben Zeuge eines klassischen Bestandteils des progressiven Trainings geworden: Klein anfangen, dann besser werden.
Machen Sie mehr von dem, was Sie nicht mögen
Egal über welche Distanz ein Rennen geht, diese Entfernung nimmt viel – und oft übertrieben viel – Raum in unseren Gedanken ein. Dem 400-Meter-Läufer erscheint der 800-Meter-Lauf wie ein Marathon. Sportler müssen die Angst vor der Entfernung überwinden. Roger Bannister gelang dies, indem er 3 x 1,5 Meilen in einer langsameren Rundenzeit lief, als er für sein Ziel, die Meile in unter 4 Minuten, benötigt hätte. Wenn die Meile noch gewaltig erscheint, so wird sie dies nicht mehr, wenn Sie regelmäßig 2 Meilen laufen. Sie können vorsichtig anfangen, indem Sie z. B. 8 Runden hintereinander 10 Sekunden langsamer laufen, als in Ihrer Sollzeit für die Meile, z. B. 400 m in 69 Sekunden, Sie sollten dies so lange üben, bis Sie deutlich schneller werden.
Das ist keine reine Theorie: Als Neuling wusste Glen Cunningham nicht viel über Trainingsmethoden. Im Training und im Wettkampf lief er die Meile immer wieder, seine Leistung pendelte sich jedoch auf einem bestimmten Niveau ein. Dann lernte er einen Trainer kennen, der ihn ermutigte, 880 Yards (800 m), 2 Meilen und dann die Meile zu laufen. Er ermutigte ihn auch, in verschiedenen Geschwindigkeiten zu trainieren. Innerhalb eines Jahres brach er den Weltrekord für die Meile. Es gibt viele 800-Meter-Läufer, die den 1.500 Metern aus dem Weg gehen, und viele 1.500-Meter-Läufer, die die 3.000 und 5.000 Meter meiden. Viele ziehen auch nicht in Betracht, kürzere Distanzen zu laufen. Wie Cunningham auch bleiben Sie bei einer Distanz und stagnieren dort – auch leistungsmäßig. Sie haben Angst, nicht so gut wie in Ihrer Hauptdistanz abzuschneiden. Das bringt mich zu einer der wichtigsten Maximen zur Stärkung Ihrer Psyche: Was immer Ihnen im Training und im Wettkampf am wenigsten gut gefällt – machen Sie mehr davon!
Derek Ibbotson hatte eine Abneigung gegen das Sprinten und unterlag daher in vielen Rennen im Endspurt. Dann entschied er sich, einen Winter lang zusätzlich zu seinem normalen Cross-Country-Trainingsprogramm am Sprinttraining seines Vereins teilzunehmen. Er wurde zu einem der schnellsten Läufer im Endspurt um die Meile. Auch er brach den Weltrekord für die Meile.
Die Willenskraft stärken
Professor McDougall, vor 40 Jahren ein berühmter Psychologe und Autor, behauptete, dass eine scheinbar sinnlose Übung, täglich alle Streichhölzer aus einer Streichholzschachtel herauszuholen und sie einzeln in eine lange Reihe auf dem Tisch anzuordnen, eine Übung zur Stärkung der Willenskraft sei. Im Sport hören wir nicht allzu viel vom Training der Willenskraft. Oft hören wir vom „Willen zu siegen“, aber woher kommt denn dieser Wille? Werden wir damit geboren, oder können wir ihn uns erarbeiten? Oscar Wilde beschrieb willenschwache Personen sehr treffend als er sagte: „Allem kann ich widerstehen, nur der Versuchung nicht.“
Sportler müssen gewissen exzessiven, aber allgemein akzeptierten, sozialen Verhaltensmustern widerstehen. Dies ist ein defensiver Umgang mit der Willenskraft. Aber können wir auch in die Offensive gehen? Ja, das können wir – und verbessern dabei sogar noch unsere Leistung. Eine Frau in mittleren Jahren fing mit dem Marathonlaufen an. Sie hatte sich in den letzten 25 Jahren in keiner Form sportlich betätigt. Sie sollte eine Minute laufen und jeden Tag eine Minute hinzufügen. Da sie extrem kurze Schritte machte, wurde ihre Beinkraft getestet. Hierfür sollte sie 25 m hüpfen. Für diese 25 m benötigte sie 22 Sprünge (Weltklasse-Mittelstreckenläufer benötigen 9). Nun sollte sie jeden zweiten Tag Sprungübungen absolvieren. Nach 100 Tagen lief diese Frau 100 Minuten am Stück und hatte die Anzahl ihrer Sprünge auf 15 reduziert.
Ihr Erfolgsgeheimnis lag darin, mit einer kleinen Herausforderung zu beginnen und darauf aufzubauen. Viele Leute haben zu ehrgeizige Ziele und geben dann auf, wobei der Wille einen ernsthaften Schlag versetzt bekommt.
9 bestärkende Tipps
Zusammenfassend finden Sie hier meine 9 Tipps zur mentalen Stärkung:
1. Beginnen Sie jeden Tag mit einer Absichtserklärung: „Ich werde diesen Tag genießen.“
2. Sie können laufen. Viele können dies nicht und werden es auch nie können. Einige Menschen konnten diese Erfahrung nie machen. Machen Sie das Beste daraus, solange Sie dazu in der Lage sind.
3. Sie können jeden Tag mindestens 1 Stunde trainieren. Es gibt keine Entschuldigung dafür, es nicht zu tun.
4. Haben Sie beim Training immer ein Ziel vor Augen.
5. Der Weg hin zu diesem Ziel beinhaltet immer Training und Hilfestellungen.
6. Wettkämpfe sollten nicht nur in Ihrer Lieblingsdisziplin absolviert werden, sondern auch andere Disziplinen, die Ihre Ausdauer und Schnelligkeit testen.
7. Stärken Sie Ihren Willen, indem Sie täglich Zeit in eine Aktivität investieren, die Ihnen beim Training am wenigsten gefällt, oder in eine Ihnen bekannte Schwäche.
8. Wenn Sie vernünftig und fleißig trainiert und Ihr Bestes gegeben haben, wird Ihr Wettkampf immer erfolgreich sein. Sie haben nur versagt, wenn Sie dies nicht getan haben.
9. Fangen Sie klein an, und bauen Sie darauf auf.
Frank Horwill