Fitnesstrend Crossfit – kritisch betrachtet

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Während oft über Crossfit euphorisch von der „wahren“ Fitness gesprochen wird, dürfen die negativen Aspekte dieses Fitnesstrends nicht verschwiegen werden.

In den letzten Wochen liest man in Tageszeitungen häufig von dem „neuen“ Trendsport „Crossfit“. Jedoch ist weder Crossfit selber neu – sondern wird bereits seit den 90er Jahren organisiert betrieben –, noch die Übungen, die Crossfitter in ihren Übungseinheiten durchführen. Diese erinnern eher an das altbekannte Zirkeltraining und klassische Krafftrainingsübungen, ergänzt um einige martialische Inhalte.

Sportler, die Crossfit trainieren, nennen ihre „Sporthalle“ Box. In diesen Crossfit Boxen erinnert nur wenig an ein klassisches Fitnesstudio: einige Langhanteln, Klimmzugstangen und Kettelbells gehören ebenso zur Ausstattung wie Kästen zum Draufspringen, schwere Taue zum „Schleudern“ und Medizinbälle zum Werfen. In zahlreichen Städten Deutschlands gibt es mittlerweile Crossfit-Boxen. Aber was genau steht hinter dieser Trainingsform? Ein Trend? Eine neue Trainingsmethode? Oder die einzig „wahre“ Fitness, wie es die Vertreter von Crossfit selbst nennen?

 

Crossfit – was ist das?

Wenn man sich die Übungen und den Trainingsaufbau der Crossfit Boxen anschaut, fühlt man sich intuitiv an die Berichte zum Spezialtraining von Felix Magath erinnert. Die dort abgehaltenen Stunden erinnern an eine Mischung aus „Trimm-Dich“ und dem Training für Soldaten, wie wir es aus Filmen wie „Ein Offizier und ein Gentleman“ kennen. Die Anlagen erinnern an alte, leerstehende Fabrikhallen, in denen die Ausrüstung aus Turnhallen und Kraftkammern zusammengetragen wurde: Ringe, Reckstangen, Medizinbälle aber auch Langhanteln und oft auch aufgemalte Bahnen einer Leichtathletikbahn. Die Trainingsinhalte bestehen aus Krafttrainingsübungen mit dem eigenen Körpergewicht, wie z.B. Klimmzügen oder Liegestützen, aus Übungen des Gewichthebens und aus Turnübungen bzw. Übungen der Leichtathletik. Die Übungseinheiten bestehen aus Techniktraining zu Beginn einer Stunde. Den zentralen Kern eines Trainings bildet ein kurzer und sehr intensiver Anteil mit wechselnden Trainingsinhalten. Der Ablauf ähnelt hier stark einem klassischen Zirkeltraining, bei dem Übungen, die Kraft und Ausdauer zum Ziel haben, ebenso miteinander kombiniert werden, wie Schnelligkeitsübungen, beispielsweise in Form von Kastensprüngen. Nach einem Aufwärmen und dem „Skill Development“, bei dem neben dem reinen Techniktraining auch das Durchführen von Krafttraining beinhaltet sein kann, erfolgt das beschriebene Zirkeltraining. Diese Einheiten werden „Workout of the day“ (WOD) genannt. Diese WODs bestehen aus verschiedenen Übungen, die aneinandergereiht werden und die in mehreren Durchgängen absolviert werden müssen. Dabei wird entweder eine Anzahl an Runden vorgegeben, die in möglichst kurzer Zeit durchgeführt werden müssen oder es sollen in einer vorgegebenen Zeit eine möglichst hohe Anzahl an Durchgängen absolviert werden. Die Workouts of the day werden entweder der Crossfit Webseite entnommen oder von zertifizierten Crossfit Trainern zusammengestellt.

 

Crossfit Inc.

Das Unternehmen Crossfit finanziert sich im Wesentlichen durch Kursgebühren und Lizenzgebühren für Trainer. Die Trainer sind dabei selbständige Lizenznehmer, die für eine Jahresgebühr von 3000 $ eine offizielle Crossfit Box eröffnen. Allerdings müssen diese Lizenznehmer auch über das höchste Trainerzertifikat verfügen, das über Crossfit Inc. zu absolvieren ist. Auch hierfür fallen Gebühren an. Außerdem verdient Crossfit Inc. Geld mit Abonnements für Videos mit wechselnden Übungen. Gegründet wurde Crossfit bereits Mitte der 90er Jahre von Greg Glassmann, so dass die Idee und das Konzept im Grunde genommen nicht neu sind. Erst die enorme Verbreitung über das Internet und über soziale Netze führte zum aktuellen Erfolg. Reebok unterstützt das Konzept als weltweiter Partner mit Werbung. Die Adidas-Tochter hat sich recht früh in der Entstehungsgeschichte von Crossfit im Umfeld positioniert und wird von der „Szene“ akzeptiert. Die Mitarbeiter bis hin zum Firmenchef betreiben zudem am Firmensitz an der amerikanischen Ostküste auch Crossfit Training in einer eigens dafür vorgesehenen Box. Reebok unterstützt auch die auf der Grundidee basierenden Crossfit-Games, bei denen unter Wettbewerbsbedinungen WODs absolivert werden. Die Siegerpreise für die Crossfit Games stiegen mittlerweile von 25.000 € auf 250.000 €.

 

Training für Spezialkräfte?

Im Selbstverständnis von Crossfit wird immer wieder betont, dass Spezialkräfte von Feuerwehr, Militär und Polizei Crossfit betreiben. Tatsächlich gibt es in Berlin eine Crossfit Box, die von Feuerwehrleuten der Berliner Feuerwehr betrieben wird. Auch in den USA trainieren viele Einheiten von Polizei und Militär Crossfit, weshalb dieser Sport in der Darstellung mit Soldaten und Polizisten sowie den intensiven Trainingsübungen wirbt. Diese maratilischen Darstellungen auf der einen Seite und der breite Fitness-Markt auf der anderen Seite sollen sich jedoch nicht gegenseitig ausschließen. Crossfit wirbt gerade damit, dass neben dem Elite-Soldaten eben auch die Hausfrau trainieren kann, da die Trainingsübungen zwar identisch sind, die Intensitäten jedoch angepasst werden.

 

Übungsauswahl: Getestet und für gut befunden!

Schaut man sich die im Crossfit ausgeübten Übungen an, handelt es sich selbst bei kritischer Betrachtung der Crossfit-Szene um sehr gute und sehr effektive Übungen! Kniebeugen, Reißkniebeugen, Klimmzüge und auch die Olympischen Hebetechniken gehören zu den Übungen, die sowohl im leistungsorientierten Training als auch unter präventiven und rehabilitativen Gesichtspunkten jede für sich als sehr gut einzuschätzen sind. Zumindest so lange beim Sportler keinerlei Einschränkungen im Sinne von Verletzungen oder Erkrankungen bekannt sind, bei denen die genannten Übungen auszuschließen sind. Ansonsten handelt es sich bei den Kernübungen um freie und komplexe Bewegungsabläufe, die in keinem Trainingsprogramm fehlen sollten (sie kommen auch im funktionellen Training vor), sofern es keine Einschränkungen gibt.

 

Periodisierung und Abstimmung auf Ihre Ziele?

Kritisch zu sehen, ist, dass beim Crossfit Intensität und Ausbelastungen im Vordergrund stehen. Die Übungsausführung hingegen ist entsprechend oftmals eher kritisch zu sehen. Inhaltlich kann das Kombinieren von Krafttrainingsübungen in Zirkeltrainingsform und das Durchführen von zeitgestützten Durchgängen als uneffektiv gesehen werden, wenn es um das optimale Trainieren der Kraft und der Schnellkraft geht1! Gerade die wichtigen neurophysiologischen Krafttrainingsanpassungen erfordern, dass Übungen konzentriert und erholt ausgeführt werden. Die Ermüdungen in Zirkeltrainingsformen führen dazu, dass müde im Mittelmaß trainiert wird, wohingegen optimales Krafttraining erfordert, dass ausgeruht intensive Reize gesetzt werden.(2)

 

Ausbelastung: ein Risikofaktor für Einsteiger

Gerade Freizeitsportler sollten Crossfit nicht als Einstiegstraining nutzen. Sicher kann bei guten Trainern auch Crossfit für Einsteiger bei entsprechendem Interesse begonnen werden. Grundlegend passen sich Muskeln und die energieliefernden Systeme sehr schnell an. Ihre Muskeln, Sehnen und Bänder haben aufgrund ihres langsamen Stoffwechsels jedoch einen zeitlichen Anpassungsrückstand. Studien zum Verletzungesgeschehen bzw. zur Auftretenshäufigkeit von Überlastungsschäden gibt es derzeit leider noch keine, so dass Zahlen zu den Risiken derzeit nicht vorliegen.

 

Studienlage: Mangelware

Studien zu den Wirkungen von Crossfit insbesondere zur Effektivtät bezogen auf die Kraftentfaltung im Vergleich zu klassischen Krafttrainingskonfigurationen gibt es keine. Aussagen, dass es sich bei Crossfit um eine effektivere oder bessere Trainingsmethode handelt, sind deshalb allein als Marketing zu sehen. Das im Crossfit proklamierte gleichzeitige Steigern von Kraft und Ausdauer kann nicht funktionieren. Zirkeltraining führt in das Mittelmaß und nicht zur optimalen Leistungsentwicklung. Im Frühjahr 2013 erschien eine erste Studie zum Crossfit3. Allerdings handelte es sich nicht um eine Vergleichsstudie, bei der das Crossfit einer anderen Trainingsmethode gegenübergestellt wurde. Stattdessen wurden gesunde Teilnehmer eines Crossfit Trainings über einen Zeitraum von 10 Wochen beobachtet. Es zeigte sich, dass sowohl die männlichen, als auch die weiblichen Probanden im Verlauf des Trainings an Kraft zunahmen und Körperfett abbauen konnten3. Da es sich bei den Probanden z. T. um Trainingseinsteiger handelte, ist dieses Ergebnis jedoch wertlos, da erwartbar. Wenn Sie trainieren, werden Sie stärker und nehmen ab.

 

Fazit

Crossfit ist weder neu, noch eine besonders effektive Trainingsform. Wem diese Trainingsform Spaß macht und wer sich gerne auslastet, ohne auf eine optimale Kraftentwicklung wert zu legen, ist beim Crossfit sicher gut aufgehoben, wenn gute Trainer vorhanden sind. Ohne eine zielgerichtete Perisodisierung oder individualisierte Trainingsinhalte ist der sehr hohe Preise von 75-100 €/Monat kritisch zu sehen. 

 

Lesen Sie auch: Crossfit: Fitness neu definiert?

  

Dennis Sandig

 

Literaturangaben:

1. Deutsche Zeitschrift für Sportmedizin, 2010, Bd. 61 (7-8), 151–152.

2. Wagner, A. Mühlenhoff, S., Sandig, D. (2012). Krafttraining im Radsport. München: Elsevier.

3. Journal of Strength and Conditioning Research. 2013 Feb 22. [Epub ahead of print]

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Über den Autor

Dennis Sandig

Dennis Sandig arbeitete als Sportwissenschaftler am Institut für Sportwissenschaften der Julius-Maximilians Universität in Würzburg. Aktuell ist er bei der Deutschen Triathlon Union als Wissenschaftskoordinator und Referent für Bildung zuständig, sowie für das umfassende Aus- und Fortbildungsprogramm für Coaches im Triathlon.

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