Das richtige Training für den Halbmarathon

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Der Marathon begeistert die Massen, das zeigen die Starterfelder der großen Läufe in Deutschland. Allerdings darf bei all der Euphorie nicht vergessen werden, dass derart große Belastungen auch Risiken bergen. Anfänger sollten einen Marathon erst nach gründlicher Vorbereitung antreten.

Der Halbmarathon erfreut sich zunehmender Beliebtheit. Neben vielen eigenen Veranstaltungen wird der kleine Bruder des Marathons teilweise sogar in die großen Läufe integriert. Grundsätzlich ist der Halbmarathon die ideale Vorbereitung für Einsteiger, um sich an längere Wettkämpfe zu gewöhnen und Marathonis können auf der halben Distanz gezielte Reize mit höherer Intensität setzen. Hinzu kommen in den Startfeldern oftmals Triathleten, die solche Läufe zur Vorbereitung auf ihre eigenen Zielwettkämpfe nutzen.

 

Lassen Sie sich Zeit!

Von 0 auf 42 ist ein oft verwendetes Motto. Die bekannten Projekte und Trainingspläne, bei denen Anfänger in 12 Monaten oder weniger auf einen Marathon vorbereitet werden sollen, dürfen aber eher nicht als gutes Beispiel für sinnvolles Wettkampftraining genutzt werden. Kein Mensch muss die Vorbereitung in so kurzer Zeit absolvieren, allerdings verursachen solche Programme oftmals Druck bei Anfängern. Statt Leistungsdruck sollten die Freude und die Lust am Laufen im Vordergrund stehen. Allerdings kann die Teilnahme an einem solchen Wettkampf auch zu einer echten Herausforderung werden. Das liegt hauptsächlich daran, dass ein regelmäßiges Training im großen Umfang unumgänglich ist. Vor allem, wenn man Verletzungen und Überlastungen vermeiden möchte, sollte das Training zielgerichtet gesteigert und dem eigenen Belastungsvermögen angepasst werden. Einsteigern empfehle ich, bis zum 1. Start lieber etwas zu warten und nicht zu früh an einem Marathon teilzunehmen. Mindestens 15–24 Monate sollten Sie regelmäßig trainieren, bevor Sie ihren 1. Marathonstart anpeilen.

 

Der Halbmarathon als Einstiegsszenario

Der Halbmarathon bietet sich hingegen an, als erstes Kräftemessen oder als eigentliches Ziel wesentlich mehr Läufer anzusprechen als die doppelte Distanz. Angesichts geringer Trainingsumfänge und schmaler Zeitbudgets ist es eine Entscheidung der Vernunft, sich auf die Halbdistanz zu konzentrieren, bevor man sich der größeren Herausforderung des Marathons stellt. Wenn Sie den Halbmarathon sicher bewältigen, ist das Streben nach mehr oft nur eine Frage der Zeit und die Vorbereitung dann auch ausreichend. Die Gefahr gesundheitlicher Schäden ist gerade bei den Stadtläufen nicht zu unterschätzen. Das liegt daran, dass der Bewegungsapparat durch das Laufen auf Asphalt sehr hohen Belastungen ausgesetzt ist.(1) Verletzungen des Bewegungsapparats, wie Ermüdungsbrüche, aber auch entzündliche Vorgänge könnten Ihnen dann für eine sehr lange Zeit den Spaß am Laufen vermiesen.(2)

 

Laufen hält jung!

Für Sie als Sportler kann sich das lange Training jedoch lohnen. Studien zeigen, dass sich die Marathonendzeiten von Sportlern im Alter von 20–55 Jahren nicht voneinander unterscheiden.(3) Das bedeutet, dass junge wie alte Läufer gute bis sehr gute Zeiten – oder eben auch weniger gute Zeiten – laufen. Das Alter entscheidet also nicht über die Endzeiten und somit auch nicht über die Leistungsfähigkeit! Diese Ergebnisse unterstützen die These, dass ein regelmäßiges Lauftraining mit dem Ziel, an Läufen über lange Distanzen teilzunehmen, die Leistungsfähigkeit in jedem Alter beeinfl ussen kann. Das Laufen scheint uns also wirklich jung halten zu können. Selbst bei kritischer Betrachtung der Studie lassen sich aus den Studienergebnissen positive Wirkungen vom Langstreckenlaufen auf das Alter herauslesen.(3)

 

Mit welchen Belastungen müssen Sie rechnen?

Der Halbmarathonlauf wird von einer Vielzahl von Faktoren beeinflusst. Die meisten davon sind physiologischer Art und somit durch das Training steuerbar.(4) So ist die Ökonomie des Fettstoffwechsels ein wichtiger Bestandteil der Leistungsvoraussetzungen. Eine weitere wichtige Größe in der Ausdauerleistungsfähigkeit, bezogen auf das Laufen, ist die maximale Sauerstoffaufnahme (VO2max). Allerdings ist diese nur bedingt durch das Training zu verändern, da genetische Faktoren einen großen Einfluss auf die VO2max haben.

Egal, ob Sie Anfänger oder Profi sind, Sie sollten bei der Planung in erster Linie darauf achten, dass Sie Ihr Training an Ihrem aktuellen Leistungsstand orientieren, um Überlastungen zu vermeiden. Auch die Zielbelastung muss bei der Trainingssteuerung berücksichtigt werden. Dazu müssen Sie sich die Belastungsstruktur des Laufs ansehen, an dem Sie gerne teilnehmen möchten. Je nach ihrer jeweiligen Dauer sind die Wettkämpfe in unterschiedliche Ausdauerkategorien eingeteilt. Sie unterscheiden sich in der Stoffwechsellage, die den Schwerpunkt bei der Energiebereitstellung bildet. Der Halbmarathon unterscheidet sich dabei nur marginal von den Grundlagen des Marathonlaufs. Zwar sind die Intensitäten hier höher und die Laufgeschwindigkeit entsprechend schneller, was sich jedoch primär in der aktuellen Belastung und weniger in der Zusammensetzung der Trainingsintensität niederschlägt.

Grundsätzlich sind die Laufgeschwindigkeiten während eines Halbmarathons eher gleichmäßig und ohne große Tempowechsel. Bei den Spitzenathleten kann es hingegen schon zu taktischen Tempoverschärfungen kommen. Die Laktatkonzentration liegt im Halbmarathon bei Langstreckenläufen in der Regel um 3–5 mmol/l während diese beim Marathon etwas geringer ist. Die Energiebereitstellung läuft beim Halbmarathon zwar primär über aerobe Stoffwechselwege ab und dem Fettstoffwechsel kommt eine große Bedeutung zu. Die Laufbelastung liegt in einem Bereich von ca. 80–90 % der VO2max.(5) Im Vergleich zum Marathon werden jedoch größere Anteile im Mischstoffwechsel, also im aerob/anaeroben Übergang, absolviert.

 

Der aerobe Kohlenhydratstoffwechsel

Der ökonomischste, gleichzeitig aber auch langsamste Weg, um Energie zu erzeugen, ist die aerobe Verbrennung von Glukose und Sauerstoff (O2) zu Kohlendioxid (CO2). Man nennt diesen Prozess die oxidative Phosphorylierung. Beim Laufen spielt diese Art der Energiebereitstellung die größte Rolle, da so über lange Zeiträume hinweg Energie erzeugt werden kann. Der wichtigste aerobe Brennstoff ist die Glukose – ein einfaches Kohlenhydrat. Sie ist das Endprodukt aus Spaltprozessen der komplexen Kohlenhydrate. Stark vereinfacht läuft der energieliefernde Prozess wie folgt ab: Die Glukose wird unter Zugabe von Sauerstoff in Wasser und Kohlendioxid gespalten. Dabei entsteht der wirkliche Energieträger des Körpers, das ATP, das somit als Muskeltreibstoff weiter zur Verfügung steht. Diese Reaktionen laufen innerhalb der Muskelfasern ab. Hier sind kleine „Kraftwerke” – die Mitochondrien – die Kessel, in denen Glukose einem Brennstoff gleich verheizt wird.

 

Der aerobe Fettstoffwechsel

Auch Fettsäuren können auf aerobem Wege verstoffwechselt werden. So kann dem Körper auch langfristig Energie bereitgestellt werden, da die Fettspeicher für nahezu mehrere Marathonbelastungen ausreichen würden. Die Fettsäuren werden bei dem Prozess der aeroben Kohlenhydratverbrennung eingeschleust. Dort werden sie gemeinsam mit der Glukose verbrannt. Die Fette stehen nur dann als Brennstoff zur Verfügung, wenn auch Kohlenhydrate verbrannt werden. Weil ihre Verbrennung sehr viel Sauerstoff benötigt, sind Fettsäuren vor allem bei geringer Intensität von Bedeutung. Allerdings liefern Fette, bezogen auf die Menge, einen höheren Brennwert. So kann mit 9,3 kcal zu 4,1 kcal nahezu doppelt so viel Energie aus Fetten im Vergleich zu der aus Kohlenhydraten gewonnen werden. Ein gut trainierter Fettstoffwechsel hat die Eigenschaft, Kohlenhydrate einzusparen, so dass diese dem anaeroben Stoffwechsel bei höheren Belastungen zur Verfügung stehen. Hinzu kommt, dass Fette im Körper nahezu unerschöpflich zur Verfügung stehen, während die Kohlenhydrate nur sehr begrenzt verfügbar sind.

 

So kombinieren Sie verschiedene Trainingsmethoden miteinander

Das Training für einen Halbmarathon ist hochkomplex. Die richtige Mischung aus intensiven Intervallen und der dazugehörigen Basis aus Grundlagenausdauertraining ist für den Erfolg von großer Bedeutung. Trainierte Sportler werden allein über das Grundlagentraining kaum noch Fortschritte erzielen können und Verbesserungen sind dann nur mit intensiven Trainingseinheiten wie Tempodauerläufen und einem ausgewogenen Intervalltraining zu schaffen.

Es herrscht wenig Klarheit darüber, welche Intensitätsstufen die günstigste Wirkung in der Halbmarathonvorbereitung versprechen. Dabei hat ein intensives Training über der anaeroben Schwelle wohl insgesamt positive Auswirkungen auf die aerob-oxidativen Fähigkeiten.(6) Den jeweiligen Umfang des Trainings müssen Sie beim Einsatz intensiver Intervallmethoden jedoch deutlich zurückfahren. Gerade wenn das Grundlagenausdauerniveau noch nicht ausreichend gut geschult ist, drohen Ihnen Überlastungen. Deshalb sollten Sie ganz gezielt regenerative Maßnahmen und eine aktive Erholung mit einplanen.

Zu empfehlen sind dabei vor allem Intervalle nach der HIT-Methode. Dieses hochintensive Intervalltraining (HIT) wird am besten auf einer Laufbahn durchgeführt. Je nach Trainingszustand empfehlen sich 400-m- oder 600-m-Intervalle. Grundsätzlich können aber auch kürzere und längere Intervallarten gewählt werden. Die Laufgeschwindigkeit für diese Intervalle ergibt sich aus den Testergebnissen der Leistungsdiagnostik. Zwischen den einzelnen Intervallen wird in Form der „lohnenden Pause“ locker getrabt, gejoggt oder gegangen. In die Pause der Intervallserien kann auch ein lockerer Grundlagenlauf eingebaut werden.

Die Schwierigkeit ist nun, die richtige Zusammensetzung aus intensiveren Trainingseinheiten und grundlagenorientierten Läufen zu finden. Dabei gibt es jedoch kein pauschales Schema, dass Sie verfolgen können. Anpassungsprozesse verlaufen immer unterschiedlich und deshalb kann es nur Rahmenempfehlungen geben. Wichtig ist, dass die Struktur in Ihrem Training insgesamt auf Sie abgestimmt ist. Sie sollten aber auf jeden Fall auch Intervalle in Ihr Training einbauen, wenn Sie die nötige Grundlagenausdauer aufweisen. So schulen Sie gleichzeitig Ihre Regenerationsfähigkeit. Das alles kann Ihnen dabei helfen, sich weitere Leistungsreserven zu erschließen und Phasen mit stagnierender Leistungsentwicklung leichter durchzustehen.

 

Trainingstipps

Trainieren Sie Ihre Basisfähigkeit mit langen Läufen bei niedriger Intensität.

– Bauen Sie intensive und extensive Intervalle erst dann in Ihr Training ein, wenn Sie eine gute Grundlage haben.

– Trainieren Sie im Blocksystem – nach 2–3 Trainingseinheiten kommt dann ein Ruhetag.

– Am Wochenende empfehlen sich längere Läufe.

– Kurz vor einem Wettkampf können Sie Ihre Leistung nochmal speziell steigern. (Richtige Wettkampfvorbereitung)

 

Dennis Sandig

 

Literatur

1. Clinical Journal of Sport Medicine. 2002, Bd. 12 (1), S. 18–23

2. Kleinmann, D. (2006). Laufnebenwirkungen. Köln: Deutscher Ärzte-Verlag

3. International Journal of Sports Medicine. 2009, Bd. 30 (5), S. 360–365

4. Sports Medicine. 1985, Bd. 2 (2), S. 83–99

5. Zintl, F. & Eisenhut, A. (2004). Ausdauertraining. München: BLV Verlag

6. Sports Medicine. 2002, Bd. 32 (1), S. 53–73

 

Fachsprache

VO2max – bezeichnet die maximale Sauerstoffaufnahme, sie gilt als Bruttokriterium der Ausdauerleistungsfähigkeit

Laktat – ist ein Stoffwechselzwischenprodukt, das beim anaeroben Stoffwechsel anfällt; steigt es zu stark an, muss eine Belastung abgebrochen werden

Mitochondrien – darin werden aus Kohlenhydraten und Fetten wieder energiereiche Phosphate (ATP) hergestellt; sie sind die Kraftwerke der Muskulatur

Aerobe Stoffwechsellage – Energiebereitstellung mit Sauerstoff aus Kohlenhydraten und Fetten

Anaerobe Stoffwechsellage – Energiebereitstellung ohne Sauerstoff aus Kohlenhydraten

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Über den Autor

Dennis Sandig

Dennis Sandig arbeitete als Sportwissenschaftler am Institut für Sportwissenschaften der Julius-Maximilians Universität in Würzburg. Aktuell ist er bei der Deutschen Triathlon Union als Wissenschaftskoordinator und Referent für Bildung zuständig, sowie für das umfassende Aus- und Fortbildungsprogramm für Coaches im Triathlon.

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