Spezifisches Krafttraining bei Tänzern (Teil III): Kraftausdauer

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Um „hohe Beine“ zu haben und langsame, fließende Bewegungen ausführen zu können, reicht die alleinige Beweglichkeit der Hüft- und Beinmuskulatur nicht aus. Diese passive Beweglichkeit muss auch aktiv kontrolliert und gehalten werden. An dieser Stelle kommt die Kraftausdauer eines Tänzers ins Spiel.

Wie es bereits im Anforderungsprofil eines Tänzers beschrieben wurde, gehört ein ausreichend großes En dehors als eine der wichtigsten Voraussetzungen zu einem Tänzer. Neben der Hüft- und Beinbeweglichkeit sollten diese Strukturen auch genug Kraftvermögen aufweisen.

 

Spezifische Bewegung: Développé, Fendu, gehaltenes Bein

Sportliche Absicht: langsame und schmelzende Bewegungen ausführen; Kraftausdauer für mehrere Sekunden im Hüftbeuger, Adduktoren und Oberschenkel; Beweglichkeit der hinteren Beinkette (siehe Beweglichkeitstraining bei Tänzern)

 

Definition der lokalen Kraftausdauer

Die Kraftausdauer stellt eine komplexe motorische Fähigkeit in der Strukturierung der Kraft dar. Es ist die Ermüdungswiderstandsfähigkeit des Muskels und damit die Fähigkeit des neuromuskulären Systems möglichst große Impulssummen gegen höhere Lasten zu produzieren.(1) Diese lang andauernden wiederholenden Belastungen kommen in zahlreichen Sportarten vor, wie Geräteturnen, Rudern, Leichtathletik, aber auch dem klassischen Tanz, um einige wenige zu nennen. Die Kraftausdauerfähigkeit wird durch zwei Merkmale beeinflusst: Einerseits durch die Höhe des bereits vorhandenen Maximalkraftniveaus und andererseits durch die Leistungsfähigkeit des Stoffwechsels. Wenn weniger als 1/7 bis 1/6 der Gesamtmuskulatur an der sportlichen Leistung beteiligt ist und die Energiegewinnung aerob erfolgt, spricht man von einer lokalen Muskelkraftausdauer.(2,3) (Die Kraftausdauer im Sport – zwischen Trainingsmythos und Sportpraxis)

  

Anpassungen bei lokaler Kraftausdauer

Die adaptiven Prozesse bei der lokalen Kraftausdauer entstehen in erster Linie nicht wie beim Maximalkrafttraining auf der neurologischen, sondern auf der biochemischen Ebene. Schlussfolgernd lässt sich sagen, dass das Training mit steigender Belastungsintensität zu einer ausgeprägten Hypertrophie von 32 bis 37 % in der Arbeitsmuskulatur führt. Des Weiteren werdeb eine verstärkte Vermehrung der Mitochondrien und des kontraktilen Materials sowie zusätzliche morphologische Veränderungen der Myofibrillen und der sarkoplasmatischen Proteine festgestellt.

Laut Studien konnte nachgewiesen werden, dass nach einem Training im Bereich der Kraftausdauer primär die ST-Fasern eine Hypertrophie als Adaptationsprozess erfahren haben, aber auch nur die Muskulatur, die direkt an der Arbeit beteiligt war. Eine Zunahme der Mitochondrien, eine verbesserte Mikrozirkulation, mit der direkten Folge der Steigerung der Durchblutung um das 40-fache, Vermehrung der Enzymkapazität und Vergrößerung der Konzentration an energiereichen Phosphaten sind weitere adaptive Prozesse, die in der Muskulatur zu beobachten sind.

 

Trainingsmethoden zur Erhöhung der Kraftausdauer

Die Trainierbarkeit der Kraftausdauer setzt sich aus zwei Komponenten zusammen: Zum einen aus der Entwicklung der Maximalkraft und zum anderen aus der energetischen Ermüdungsresistenz. Die Energiebereitstellung bei der Kraftausdauermethode ist im überwiegenden Maße anaerob.

Bei der Betrachtung der Reizkonfiguration lassen sich folgende physiologische Anpassungen für den Körper ableiten: Aufgrund der Belastungsintensität von 50 bis 60 % des 1 RM wird in erster Linie, wie es dem Namen der Trainingsmethode schon zu entnehmen ist, Kraftausdauer aufgebaut.(4)

 

Reizintensität (Last in % des 1er Maximums)

50-60 %

Wiederholung pro Serie

20 bis 40

Serien pro Trainingseinheit (pro Muskelgruppe)

6 bis 8

Serienpause (in min)

0,5 bis 1

Kontraktionsgeschwindigkeit

langsam bis zügig

Tab. 1: Reizkonfiguration der Trainingsmethoden zur Entwicklung der Kraftausdauer nach Güllich/Schmidtbleicher(4)

 

Es werden 20-40 Wiederholungen und 6-8 Serien pro Trainingseinheit gewählt. Anhand dieses großen Trainingsvolumens wird es erst möglich, in den Bereich der anaeroben Kraftausdauer zu kommen. In diesem Zusammenhang ist ebenfalls die Bewegungsgeschwindigkeit ausschlaggebend. Wird die Bewegung schnell ausgeführt, stellt der Körper seine Energiegewinnung auf den anaeroben Bereich um.(2)

Die Serienpausen sind relativ kurz gehalten, nur maximal eine Minute, weil diese der unvollständigen Erholung, der so genannten „lohnenden Pause“, dient, um eine Reizhäufung zu erreichen. Dabei erholen sich die neuromuskulären Übertragungsstrukturen, sowie teilweise metabolische Vorgänge im Körper.(5)

 

Zusammenfassung

In der Domaine des Tanzes gilt an dieser Stelle zu beachten, für welche Muskelgruppen das Kraftausdauertraining eingesetzt wird. Grundsätzlich ist es richtig, bei einer häufig oder speziell angesprochenen Muskulatur an kontraktil-aktivem Muskelmaterial zuzunehmen. Jedoch muss die proportionale Körperzusammensetzung und damit ebenfalls die eventuelle Gewichtszunahme berücksichtigt werden.

 

Exemplarischer Trainingsplan

Développé nach vorn, zur Seite und nach hinten

Abb. 1: Développé en avant im klassischen Ballett

Abb. 1: Développé en avant im klassischen Ballett   © Marina Lewun/trainingsworld

Bei dieser Übung des Krafttrainings werden keine Zusatzgewichte benötigt. Der Bewegungsablauf sollte genauso wie aus dem klassischen Ballett bekannt ausgeführt werden.

Wenn Sie das Beim beim Développé komplett am höchsten Punkt ausgestreckt haben, folgen Sie der folgenden Reizkonfiguration:

Trainingsmethode

Serien

Wiederholungen

Reizdauer

Serienpause

Kraftausdauer

3

3

10 s

0,5-1 min

 

 

Marina Lewun

 

Literatur

1. Nicolaus, J. (1995). Kraftausdauer als Erscheinungsform des Kraftverhaltens. Köln: Sport u. Buch Strauß, Ed. Sport

2. Radlinger, L. (1987). Lokale Kraftausdauer. Diss.: Dt. Sporthochschule Köln

3. Rost, S. (2001). Lehrbuch der Sportmedizin. Köln : Deutscher Ärzte-Verlag GmbH

4. Güllich, A.; Schmidtbleicher, D. (1999). Struktur der Kraftfähigkeiten und ihrer Trainingsmethoden. Deutsche Zeitschrift für Sportmedizin 50 (7/8), S. 223-234

5. Schmidtbleicher, D. (1984). Strukturanalyse der motorischen Eigenschaft Kraft. Leichtathletik 35 (50), S. 1785-1792

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