Viele engagierte Sportler erhöhen während der Saison sowohl ihr Trainingsvolumen als auch die -intensität zur Leistungssteigerung. Tun sie dies jedoch, bevor ihr Körper diese Anhebung bewältigen kann, oder halten sie keine angemessenen Erholungsphasen ein, so geht diese Trainingsstrategie u. U. nach hinten los. Statt zu einer Leistungssteigerung kommt es am Ende zu chronischer Müdigkeit und zu einem Leistungsabfall.
Wenn Sportler solche Phasen reduzierter Leistungsfähigkeit erleben, spricht man davon, dass sie „stale“ (wörtlich: abgestanden) sind. „Staleness“ bzw. Übertraining ist keiner bestimmten Sportart vorbehalten. Radsportler, Basketball-Spieler, Boxer, Läufer, Schwimmer, Gymnasten, Ruderer, Ringer und eine ganze Reihe anderer Sportler sind gleichermaßen von dieser Krankheit betroffen. Ein beträchtliches Forschungsvolumen ist bereits in die Früherkennung von Übertraining investiert worden – identifizierbare physiologische „Warnsignale“, die schon auftauchen, bevor es zum eigentlichen Übertrainingssyndrom kommt. Mit Hilfe dieser Signale könnten Sportler ihr Training rechtzeitig zurückfahren, bevor sie übertrainiert sind.
Bis zum heutigen Tag war diese Forschung nicht besonders erfolgreich. Einige Forscher zeigten an, dass Veränderungen der morgendlichen Herzfrequenz, Herzfrequenzwechsel während des Trainings, Anstieg des Blutdrucks oder Veränderungen im Enzym- bzw. Hormonhaushalt geeignete Signale für ein drohendes Übertraining sein könnten. Leider scheinen diese Indikatoren keine wirklich zuverlässigen Indikatoren für Übertraining zu sein. Teilweise tauchen Sie erst auf, wenn das Übertrainingssyndrom schon eingesetzt hat. Es ist auch schwierig, diese Indikatoren für den einzelnen Sportler zu überwachen. So sinkt z. B. im Anfangsstadium eines Übertrainings der Sexualhormonspiegel oft, während der Kortisolspiegel gleichzeitig steigt. Wie viele Sportler haben jedoch die Zeit – oder die Möglichkeit – täglich ihren Sexualhormon- und Kortisolspiegel zu messen?
Wie australische Schwimmer sich selbst beurteilen
Forscher der Universität von Queensland in Australien, haben nunmehr einen einfachen und augenscheinlich zuverlässigen Weg gefunden, um Übertraining frühzeitig zu erkennen. In ihrer Studie haben sie 14 Elite-Schwimmer (5 männliche und 9 weibliche) über die 6-monatige Trainingssaison hinweg beobachtet. Während der Saison absolvierten die Schwimmer wöchentlich 10 – 12 Trainingseinheiten; der Sonntag diente der vollständigen Ruhe. Die Forscher aus Queensland ließen die Schwimmer über die gesamte Saison hinweg ein Trainings-Logbuch führen; die Einträge sollten jeweils morgens nach dem Aufwachen vorgenommen werden. Die Schwimmer mussten ihre Schlafqualität, Müdigkeit, Stress und Muskelschmerzen auf einer Skala von 1 – 7 jeweils subjektiv bewerten. Eine Bewertung von 1 war dabei sehr positiv und zeigte an, dass der Sportler extrem gut geschlafen hat und keine bzw. kaum Stress, Schmerzen und Müdigkeit empfand. Am anderen Ende der Skala war die 7 eine sehr schlechte Bewertung und spiegelte eine furchtbare Schlafqualität, hohen Stress und extreme Müdigkeit sowie Muskelschmerzen wieder.
Mehrere Schwimmer waren im Laufe der Saison übertrainiert. Ihre Zeiten wurden um bis zu 4 % schlechter, und auch ihre Logbuch-Einträge differenzierten sich stark von den Einträgen der nicht übertrainierten Testpersonen. So verzeichneten die übertrainierten Schwimmer im Vergleich zu den gut austrainierten Schwimmern schon früh in der Saison erhöhte Werte für Muskelschmerzen und Stress. Diese Werte lagen für die nicht betroffenen Schwimmer zwischen 3 und 4 (auf der 7-Punkte-Skala), während sie für die Schwimmer, die schließlich übertrainiert waren, zwischen 5 und 6 lagen.
Gegen Mitte der Saison war die Sache dann etwas anders gelagert. In dieser Phase wurden die Werte für die Schlafqualität und Müdigkeit die vorherrschenden Signale für drohendes Übertraining. Wiederum bewegten sich die Schlafwerte für nicht übertrainierte Schwimmer um die 3, stiegen für die übertrainierten Testpersonen jedoch auf fast 5. Auch die Müdigkeitswerte blieben für Schwimmer mit hoher Leistung unter 4, während sie für die Sportler, die einen Burnout erlitten, auf über 5 anstiegen. Gegen Ende der Saison wurde dann Stress zum besten Indikator; für die übertrainierten Sportler stiegen die Werte auf fast 6, während die anderen unter 4 blieben.
Es gab auch einige andere, eher überraschende, Hinweise auf drohendes Übertraining. Zu Beginn und auch am Ende der Saison, während der Regenerationsphase, war die Anzahl der Neutrophile im Blut ein wichtiger Hinweis für Übertraining (Neutrophile sind eine Hauptspezies innerhalb der weißen Blutkörperchen und können mit Hilfe von Routine-Blutuntersuchungen gezählt werden). Hohe Blut-Adrenalinwerte (Epinephrine) waren früh und spät in der Saison ebenfalls ein Hinweis auf bevorstehendes Übertraining. Jedoch ist es zeit- und kostenaufwändig, geeignete Blutproben zu sammeln und diese auf ihr Adrenalin hin zu bestimmen.
Bleiben Sie im „3-er Bereich“
Wie lautet Quintessenz des Ganzen? Sportler können ihr Übertrainingsrisiko vermindern, indem Sie ihre Schlafqualität, Müdigkeits- und Stressempfinden sowie Muskelschmerzen auf einer 7-stufigen Skala täglich eintragen. Normalerweise liegen diese Werte über die Saison hinweg bei unter 4 – wenn der Sportler gute Erholungsphasen verzeichnet und kein Übertrainingssyndrom droht. Sollte einer dieser Werte über mehrere Tage jedoch um 5 oder darüber liegen, so wäre es klug, die Trainingsaktivitäten zurückzufahren bis der Wert sich wieder im 3-er Bereich befindet. Eine Rückkehr zu Werten unter 4 ist ein gutes Zeichen dafür, dass der Sportler sich von dem vorangegangenen harten Training gut erholt hat und jetzt auch wieder ernsthaft trainieren kann.
Des Weiteren gehen die Forscher aus Queensland davon aus, dass erhöhtes Müdigkeitsempfinden und Abnahme der Schlafqualität vor allem gegen Mitte der Saison zu verlässige Anzeichen für drohendes Übertraining sind. Diese Anzeichen machten sich bei Schwimmern sogar schon EINIGE WOCHEN vor dem eigentlichen Eintreten des Übertrainingsyndroms bemerkbar. Dadurch hatten die Sportler, die ihre Schlafqualität und Müdigkeit beobachteten, genügend Zeit, ihr Training zu reduzieren, bevor sie übertrainiert waren.
Owen Anderson
Quellenangaben:
„Markers for Monitoring Overtraining and Recovery“, Medicine and Science in Sports and Exercise, Bd. 27(1), S. 106-112, 1995