Mountainbike: Alles, was du zur Angriffsposition wissen musst

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Die Mountainbike-Saison ist im vollen Gange! Sich „einfach so“ aufs Rad zu schwingen, ist aber leichtsinnig. Mountainbiking ist eine Sportart, die einiges an richtiger Vorbereitung und Wissen bedarf. Dieses unverzichtbare Wissen geben dir Brian Lopes und Lee McCormack in ihrem neu aufgelegten Standardwerk „Mountainbike – Alles, was du wissen musst“ an die Hand. Brian ist mehrmaliger ECI-Weltmeister, Lee einer der gefragtesten Fahrtechniklehrer. Hier verraten dir die beiden alles Wichtige über eine der Grundsäulen für erfolgreiches Mountainbiking: Die Angriffsposition.

So gehst du in die Angriffsposition

Obwohl Mountainbiking dynamisch ist (und auch sein soll), solltest du eine neutrale Grundposition haben, in der du starten und in die du wieder zurückkehren kannst. Wir nennen sie die Angriffsposition, denn aus ihr heraus greifst du den Trail an, statt ihn bloß zu überstehen.

Wenn du in die Angriffsposition gehst, kannst du schnell und übergangslos schieben und ziehen, in Schräglage gehen, um die Achse rotieren und es richtig krachen lassen. Je besser du zentriert bist, desto mehr Bewegungsfreiheit hast du in jede Richtung, und desto besser bist du in der Lage, den Trail in Angriff zu nehmen.

Die Schlüssel zu einer guten Angriffsposition

Je besser du den Hip Hinge, also die Beckenverlagerung nach hinten übst, desto eher funktioniert alles andere von ganz allein.

Gewicht auf die Pedale

Wie: In fast jeder Situation solltest du dein Gewicht entlang einer imaginären Linie vom Bauchnabel zum Tretlager hin verlagern. Während der Fahrt justierst du behutsam deine Position, damit deine Füße schwer und deine Hände leicht bleiben.

Warum: Dies ist der beste Weg, um eine perfekte Balance zwischen Front und Heck herzustellen. Es geht nicht darum, wie das Becken im Verhältnis zum Sattel und die Schultern im Verhältnis zum Lenker stehen. Das Einzige, was wirklich zählt, ist: Bringst du Gewicht auf die Füße und weg von den Händen?

Becken tief und weit hinten

Wie: Die Knie sind über den Füßen (idealerweise über dem Tretlager). Verlagere das Becken nach hinten und bringe den Kopf nach vorn und nach unten, um das Gewicht von den Händen zu nehmen. Je besser du die Verlagerung des Beckens nach hinten beherrschst, desto besser kümmern sich Knie, Oberkörper und Schultern um sich selbst.

Warum: Dies ist die allgemeine Position, in der sich der Mensch in Stellung bringt. Du bist im Gleichgewicht und hast Bewegungsspielraum. Du hast Kraft. Du bist bereit.

Oberkörper waagerecht und Schultern runter

Wie: Arbeite an der Beckenverlagerung! Je weiter du das Becken nach hinten streckst, desto tiefer kommen deine Schultern herab und dein Oberkörper in die Waagerechte. Becken und Wirbelsäule bilden eine Linie. Ein krummer Rücken bringt weniger Kontrolle und Kraft und verursacht leicht Schmerzen.

Warum: Je näher deine Schultern am Lenker sind (vorausgesetzt, dein Becken ist perfekt ausbalanciert), desto mehr Kontrolle hast du über dein Bike. Auf einem geschmeidigen Trail kannst du Energie sparen, indem du aufrechter fährst. Wenn ein Trail haarig wird, kannst du dich schonen, indem du eine niedrige Position einnimmst.

Ellenbogen neutral

Früher hieß es bei uns: Ellenbogen raus. Das hatte zur Folge, dass Tausende Mountainbiker versucht haben, wie Motocrosser auszusehen. Nachdem wir jetzt mehr über Bike-Kontrolle, menschliche Bewegung und schonende Schulterhaltung wissen, sagen wir: Ellenbogen in neutraler Position halten.

Wie: Vorausgesetzt, du hast einen Lenker in der passenden Breite, halt deine Ellenbogen locker in einer Linie mit den Griffen. Wenn du kräftig anziehst, bewegen sich die Ellenbogen tendenziell nach innen. Wenn du kräftig schiebst, bewegen sie sich eher nach außen. So soll es sein.

Warum: Diese neutrale Ausrichtung ist hilfreich, um statt mit den kleinen Schulter- und Armmuskeln mit den großen Brust- und Rückenmuskeln zu schieben und zu ziehen. Du kannst härter und schneller fahren, und für die Schultergelenke ist es deutlich angenehmer.

Kopf hoch und Blick nach vorn

Wie: Den Kopf anheben. Stelle dir vor, dein Kinn geht voraus. Den Blick möglichst weit nach vorn. Leicht gesagt, aber es ist das Wichtigste – und das Erste, was du vergessen wirst.

Warum: Erstens bleibst du in der Balance. Wenn du den Blick nach unten auf den großen Felsen richtest, verlagert sich das Gewicht nach vorn – was nie gut ist und vor allem dann nicht, wenn man auf einen großen Felsen zusteuert.

Zweitens bringt es dir Selbstvertrauen. Du klopfst nicht zaghaft an – du gehst in Stellung! Drittens hast du so mehr Voraussicht. Je weiter du nach vorn blickst, desto bessere Daten lieferst du deinem Leitsystem und desto mehr Zeit bleibt dir, um auf das Gelände zu reagieren. Das ist einer der Schlüssel, um ohne Bruchlandung schneller zu fahren.

Perfektion in der Praxis

Diese Haltung fühlt sich zunächst merkwürdig an und du wirst erleben, dass Schultern, Rücken, Hüften, rückseitige Oberschenkelmuskulatur und Waden nicht so kräftig und biegsam sind, wie du dachtest. Finde dich damit ab. Konzentriere dich immer nur auf einen Körperteil. Mit der Zeit geht dir die Angriffsposition in Fleisch und Blut über und du wirst so schnell rippen wie nie zuvor. Wenn du unterwegs bist, halt dir die gängigen Fehler vor Augen.

Typische Fehler auf dem MTB

Zu hohe Sitzposition. Du meinst, du würdest tief sitzen, aber dem ist nicht so. Runter mit dem Sattel!

Zu steif und statisch. Dies ist nur deine Grundhaltung. Wenn du einen Trail fährst, gehst du immer über die Angriffsposition in andere Positionen über. Bleib in neutraler Haltung, aber locker und beweglich.

Zu weit vorn oder hinten. Du stützt dich auf den Lenker oder hängst regelrecht drüber, oder? Dachten wir uns schon. Egal, was passiert, achte darauf, dass deine Hände immer ganz neutral auf dem Lenker ruhen.

Gesäß über dem Sattel. Es wirkt immer so, als wäre gut zwei Zentimeter hinter dem Sattel eine gläserne Wand. Strecke dein Becken nach hinten! In der ausgeloteten Angriffsposition mit waagerechtem Oberkörper befindet sich dein unterer Rücken immer ein kleines bisschen hinter dem Sattel. So ist es perfekt.

Knie vorn. Wenn du bei REVO Physiotherapy and Sports Performance in Boulder, Colorado, beim Kreuzheben deine Knie nach vorn bewegst, hast du die Bewegung falsch gemacht und kriegst einen Anpfiff vom Muskeltherapeuten (so ergeht es zumindest Lee). Wenn deine Knie vorkommen, schaltet sich dein Gesäß aus und dein Quadrizeps übernimmt. Deine Schultern ziehen sich tendenziell nach oben, und deine Beine fangen möglicherweise an zu brennen.

Hast du auf einer langen Downhill-Strecke schon mal ein Brennen in den Oberschenkeln verspürt? Aha: Wahrscheinlich waren deine Knie und dein Gesäß zu weit vorn. Eine gute Angriffsposition mit neutraler Haltung ist der beste Schlüssel zum guten Fahren. Wenn du mal einen schlechten Tag hast, gehe einfach deine Checkliste noch einmal durch:

  • Schwere Füße, leichte Hände
  • Exquisiter Hip Hinge (das heißt Beckenverlagerung nach hinten)
  • Ellenbogen neutral
  • Kopf hoch und Blick nach vorn

 

Extratipp: Egal, was du machst oder wie langsam du fährst, mit einer guten Angriffsposition wirkst du in jedem Fall schneller! Braaap!

 

Und jetzt raus aus der Angriffsposition

Nun ja, so ganz auch wieder nicht, aber die folgenden Grundgedanken müssen wir uns jetzt deutlich vor Augen halten:

  • Mountainbiking ist – wenn es Spaß machen soll – dynamisch. Trails bestehen aus ständig wechselnden Winkeln und Richtungen.
  • Wenn du immer dieselbe Position einnimmst, ist es vermutlich oft die falsche.
  • Die Herausforderung des nächsten MTB-Levels liegt in der Beherrschung nicht nur der Angriffsposition, sondern aller Positionen rundherum. Auf dieser Lernstufe geht es bei uns weniger um einzelne Positionen als vielmehr um Dynamik. Es gilt, die folgenden drei Positionen bestens zu beherrschen und flüssig und kraftvoll zwischen ihnen hin- und herzuwechseln:
  1. Aufrecht stehend
  2. Beckenverlagerung in der hohen Position (High Hinge)
  3. Beckenverlagerung in der tiefen Position (Low Hinge)

Ganz richtig: Wir arbeiten wieder ohne Bike. Was du zu Hause auf dem Teppich nicht hinkriegst, dürfte dir auf Pedalen bergab bei hoher Geschwindigkeit erst recht schwerfallen.

Aufrecht stehend auf dem MTB

Die aufrechte Haltung ist hilfreich im Supermarkt, beim Spazierengehen und wenn du die volle Kraft zum Pedalieren und Pushen brauchst. Strebe eine gerade Linie an, durch die Mitte des Fußes und weiter durch Knie, Hüfte, Schulter bis zum Ohr. Becken und Wirbelsäule bilden eine Linie und bleiben zusammen, egal, was kommt. Je besser du aufrecht stehst, desto besser kriegst du auch alles andere hin.

Beckenverlagerung in der hohen Position (High Hinge)

Wenn du als Straßen-, Cyclocross- oder Cross- Country-Fahrer auf einer hohen Sitzposition bestehst, bekommst du dein Bike nur in dieser Position unter Kontrolle. Du verlagerst dein Becken nach hinten (während du dich vom Sattel bewegst) und senkst die Schultern herab, sodass du Kontrolle bekommst.

Auch mit niedrigem Sitz ist diese Position sinnvoll, wenn es nämlich sanft bergab geht oder du kraftschonend fahren willst. Wann immer du vom Pedalieren zum Handling des Bikes übergehst, ist dies die passende Haltung. Das Becken wird nach hinten verlagert und gleichzeitig nach vorn gekippt. Der Oberkörper kommt in die Waagerechte. Die Knie sind einigermaßen gestreckt. Der Oberkörper ist so weit gebeugt, wie es angenehm ist.

Je tiefer die Schultern kommen, desto mehr Armfreiheit hast du zum Bremsen, für Richtungswechsel und Steilabfahrten. Für diese Position braucht man gelockerte Beinbizepse. Diese sind bei den meisten Fahrern verspannt, sodass tiefe Schultern für sie eine Herausforderung sind.

Beckenverlagerung in der tiefen Position (Low Hinge)

Bei niedrigem Sitz kannst du eine tiefere Position einnehmen. Damit hast du maximale Kontrolle beim Runtershredden.

  • Das Becken wird weit nach hinten verlagert und gleichzeitig nach vorn gekippt. Der Oberkörper kommt in die Waagerechte.
  • Die Knie sind deutlich gebeugt.
  • Becken und Oberkörper bewegen sich weiter in Richtung Füße (und Tretlager). Wenn du deine Schultern in Beckenhöhe bringen kannst, ist das großartig. Denke daran: Je tiefer die Schultern (in gerader Linie) sind, desto mehr Armfreiheit hast du zum Shredden.

Drei auf einmal

Übe diese Positionen einzeln. Wenn sie gut klappen, übe den Übergang von einer zur nächsten.

  1. Aufrecht stehen, Beckenverlagerung in hoher Position, Beckenverlagerung in tiefer Position Beckenverlagerung in hoher Position, aufrecht stehen …
  2. Position 1, 2, 3, 2, 1 …
  3. Und immer wieder und wieder und wieder – beim Zähneputzen oder wenn du dir MTB-Videos anguckst…

Verinnerliche diese Muster und das damit verbundene Feeling. Wende diese dynamischen Abläufe bei deiner nächsten Fahrt an.

Autoren: Brian Lopes und Lee McCormack

 

Unser Tipp aus der Trainingsworld-Redaktion

Mountainbike – Alles, was du wissen musst

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Mountainbike - Alles, was du wissen musst | Angriffsposition

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Über den Autor

Niklas Nowak

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