Bruce Tulloh, selber Hochleistungssportler, erklärt aus seiner ganz eigenen, praktischen Perspektive, wie seiner Meinung nach eine gesunde und effektive Sporternährung aussehen sollte.
Der Bedarf eines durchschnittlichen Mannes mit sitzender Lebensweise kann mit 2500 Kalorien täglich gedeckt werden – dagegen kann ein Läufer, der 16 km täglich zurücklegt, mindestens weitere 1000 Kalorien täglich konsumieren. Ich sage „mindestens“, weil das Laufen Ihren Stoffwechsel nach dem Sport derart beschleunigt, dass Sie weiterhin, auch im Ruhezustand, schneller Nährstoffe verbrennen können.
Ich glaube nicht, dass die Ernährung viel mit der athletischen Leistung zu tun hat. „Du bist, was du isst“ ist viel weniger wahr als „du bist, was du tust“. Der Beweis dafür ist, meines Erachtens nach, dass Sie bei einem internationalen Wettkampf, wie bspw. den olympischen Spielen, irgendeine Sportart wählen können und dort Leute aus sehr unterschiedlichen Kulturen und mit enormen Unterschieden in ihren Ernährungsgewohnheiten finden. Die Unterschiede bei Ihren Leistungen aber werden in Bruchteilen eines Prozentpunktes gemessen.
Ich glaube also auch nicht, dass irgendetwas, das man essen kann, Sie schneller laufen lässt. Aber ich akzeptiere, dass eine Ernährung, der ständig gewisse Vitamine und Mineralstoffe fehlen, Ihre Leistung begrenzen wird. Einer der Nebeneffekte, wenn man große Mengen isst, ist, das es sehr unwahrscheinlich ist, an Spurenelement-Mangelernährung zu leiden. Vom Standpunkt des Elite-Athleten aus möchte ich mir nun nachfolgend anschauen, wie wir gewisse praktische Probleme bewältigen können.
Die regelmäßige Tagesernährung
Wenn Sie bei Ihrer Ernährung ein breites Spektrum an Nahrungsmitteln berücksichtigen, sollten Sie alle notwendigen Vitamine abgedeckt haben. Dann liegt das Problem womöglich nur darin, am Tag genug zuzubereiten und zu essen, um die nötigen Kalorien zu bekommen.
Meine Regeln sind:
– Bei jeder Mahlzeit sollte entweder frisches Obst oder Salat oder beides dabei sein.
– Zu jeder Mahlzeit sollte eine größere Quelle für Kohlehydrate gehören, die auch bei Bedarf noch hinzugefügt werden können.
– Unmittelbar nach jeder Trainingssitzung sollte Wasser getrunken und so schnell wie möglich etwas gegessen werden.
Der hart trainierende Athlet braucht vielleicht 4000 Kalorien pro Tag. Und weil mehr als die Hälfte davon aus Kohlehydraten kommen sollte, sollte er oder sie mehr als 500 g Kohlehydrate pro Tag zu sich nehmen – dabei versorgt ihn ein großer Teller Reis bzw. Nudeln mit ca. 150 g. Der Athlet muss diese Menge also 4 bis 5 mal pro Tag essen, abhängig davon, wie groß er oder sie ist und wieviel Training absolviert wird. Wenn wir im Trainingscamp sind, sieht das tägliche Menü wie folgt aus:
- Frühstück: Fruchtsaft oder frische Mango/Ananas/Papaya, Porridge mit Milch und Honig, Toast und Marmelade. Dazu wahlweise eine Banane, Tee oder Kaffee.
- Mittagessen: Suppe mit viel Brot, Nudeln mit einer einfachen Soße, Kopfsalat oder Krautsalat, Brot und Käse. Bei Bedarf frisches Obst.
- Abendessen: Fisch-, Hähnchen- oder Fleischmahlzeit mit großen Mengen Reis, Kartoffeln oder Nudeln und einem grünen Gemüse, Fruchtsalat bzw. Reispudding, Tee oder Kaffee.
Zusätzlich dazu nehmen wir oft eine Tasse Tee und etwas Brot oder Kuchen direkt nach dem Training zu uns. Die meisten Läufer trinken nach jeder Trainingssitzung mindestens einen Viertelliter Wasser oder verdünnten Saft. Wenn wirklich viele Kilometer gelaufen wurden, trinken sie Drinks mit hohem Kohlehydratanteil, wie High Five oder Leppin, wo man das Pulver mit Wasser mischt.
Ich habe hier den Fasergehalt nicht speziell erwähnt, weil wir durch den Verzehr von viel frischem Obst und Gemüse alle nötigen Fasern bekommen. Dasselbe gilt für Proteine, weil es zusätzlich zu den Proteinnahrungsmitteln des Hauptgangs eine beträchtliche Menge Protein im Brot, den Kartoffeln und den Nudeln gibt.
Ein Rezept für die Katastrophe
Ich war kürzlich auf einem Trainingscamp bei einem sehr vielversprechenden, jungen britischen Athleten. Er lief im Training umwerfende Zeiten, aber seine Essgewohnheiten waren für mich der reine Horror. Im Prinzip sah sein „Tagesmenü“ wie folgt aus:
– Frühstück: Zuckergefrostete Cornflakes, Tasse Tee
– Mittagessen: In der Mikrowelle aufgewärmte Kartoffeln mit Soße, Chips, Cola
– Abendessen: Burger und Pommes zum Mitnehmen oder Fisch und Pommes, Cola
Zusätzliche Energie bezog er aus Schokoriegeln und weiteren Pommes. Er aß selten Obst und niemals Salat oder Gemüse. Trotzdem war seine Leistung im letzten Winter hervorragend. Zeigt das, dass es Zeitverschwendung ist, sich über die Ernährung Gedanken zu machen? Meiner Meinung nach zeigt es, dass kurzfristig Talent und Training am wichtigsten sind. Ebenso bin ich mir aber sicher, dass seine Wettbewerbskarriere durch Verletzungen und Krankheiten unterbrochen werden wird, wenn er seine Ernährung nicht verbessert.
Reisen
Ein großes Problem für den modernen Athleten ist, dass er oder sie viel zu oft aus seiner stabilen Umgebung gerissen wird, wo eine angemessene Ernährung sichergestellt ist. Stattdessen ist er auf Reisen dazu gezwungen, auf Fast-Food zurückzugreifen. Damit Sie auch auf Reisen nicht auf ausgewogene Ernährung verzichten müssen, sollten Sie folgende Richtlinien beachten:
– Nehmen Sie ein abgepacktes Essen mit, so dass Sie das bekommen, was Sie wollen.
– Tragen Sie eine Wasserflasche mit Wasser oder verdünntem Saft bei sich, so dass Sie immer auf ausreichend Flüssigkeit zurückgreifen können.
– Nehmen Sie eine Reserve an Obst und Schokolade und/oder Müsliriegeln mit.
– Versuchen Sie, alle 3-4 Stunden eine kleine Mahlzeit zu essen, bevor Sie stundenlang hungern und sich dann, wenn Sie ankommen, „vollstopfen“.
Mahlzeiten vor dem Rennen
Hierbei sind sehr oft Fehler festzustellen, denn auch bei der Ernährung vor dem Rennen gilt es, die richtige Balance zu finden: Einige Athleten sind sehr nervös, so dass ihnen oft nicht zum Essen zumute ist. Andere essen viel zu zeitnah am Wettbewerb und stellen dann fest, dass sie ihr Essen nicht so schnell wie üblich verdauen.
Sie sollten Ihre Mahlzeit 3 bis 5 Stunden vor der Startzeit Ihres Rennens beendet haben. Wenn Sie beispielsweise um 8 Uhr frühstücken und Ihr Rennen ist, sagen wir um 13 Uhr, dann haben Sie alles richtig gemacht. Aber wenn Ihre Veranstaltung um 14.30 Uhr beginnt, würde ich Ihnen empfehlen, um 11Uhr einen Drink und einen kleinen Imbiss zu sich zu nehmen. Übrigens können Sie bis zum Start Ihres Rennens noch weiter trinken, und bei heißem Wetter würde ich Ihnen das auch empfehlen. Trinken Sie pures Wasser, ein Orangensaftgetränk oder einen isotonischen Drink, aber versuchen Sie, Kaffee und Tee wegen ihrer harntreibenden Wirkung zu meiden.
In diesem Stadium isst man am besten Dinge, die leicht verdaulich sind, keine Fasern beinhalten und einen hohen Kohlehydrat-Anteil aufweisen. Gerade faserhaltige Nahrung kann vor oder während einer Veranstaltung zu Magen- oder Darmproblemen führen, was sehr verunsichernd wirkt.
Empfohlene Nahrungsmittel sind:
– Weißbrot oder Toast
– reife Bananen
– Honigsandwiches
– Schokoriegel sowie Getreideprodukte, wie Cornflakes, die wenig Kleie enthalten.
Diese Nahrungsmittel sollte man meiden:
– Nahrungsmittel mit hohem Faseranteil, wie Müsli
– fettes Essen, wie Fisch und Pommes
– Milchshakes
– Eier.
Mahlzeiten nach dem Rennen
Nach großer Anstrengung ist Ihr Körper dehydriert, und den Muskeln fehlt Glykogen. Zuerst müssen Sie die Flüssigkeit ersetzen – dazu würde ich Ihnen einen isotonischen Drink empfehlen. Für den Fall, dass eine sehr lange Strecke gelaufen wurde, sollten Sie einen Drink mit hohem Kolehydrat-Gehalt zu sich nehmen.. Wenn Sie in der ersten Stunde nach dem Sport einiges verbrauchten Treibstoff wieder auffüllen können, werden Sie sich viel schneller erholen. Die Enzyme, die zum Aufspalten des Glykogens benutzt wurden, sind dieselben, die die Resynthese des Glykogens vollbringen, und sie sind unmittelbar nach dem Sport in hoher Konzentration in den Muskelzellen vorhanden. Deshalb sollten Sie, sobald Sie es vertragen, etwas Kohlehydrathaltiges essen.
Spezielle Veranstaltungen
Wenn Sie einen Marathon laufen oder an einer Veranstaltung teilnehmen, die mehrere Stunden dauert, haben Sie etwas andere Bedürfnisse. So ist es ratsam, mit der ersten Mahlzeit des Tages etwas Fleisch zu sich zu nehmen – vorausgesetzt, Sie haben genügend Zeit, es zu verdauen. Außerdem ist es förderlich, alle 1 ½ Std. eine Kleinigkeit zu essen, so dass Ihre Glykogen-Vorräte nachgefüllt werden können. Zusätzlich ist es sehr wichtig, weiterhin zu trinken – hier kommen die kommerziellen Ersatzdrinks zum Einsatz. Dabei sollten Sie darauf achten, dass der Drink Ihrer Wahl ein Gleichgewicht zwischen Wasser und Salzen aufweist, gleichzeitig aber genug Kohlehydrat enthält, um Ihren Energiebedarf zu decken (aber nicht soviel, dass er Ihre Verdauung durcheinander bringt). Bei einem Marathon sollten Sie alle 5 km Drinks zu sich nehmen, und bei einem Langlauf-Sport sollten Sie versuchen, mindestens jede halbe Stunde etwas zu trinken.
Aufladen mit Kohlehydraten
Es ist bewiesen, dass Sie kurz vor einer Ausdauer-Veranstaltung Extraglykogen speichern können, wenn Sie zur rechten Zeit zusätzliche Kohlehydrate zu sich nehmen.
In den letzten paar Tagen vor einem Marathon sollten Sie Ihr Training auslaufen lassen und anstatt 15 oder 30 km nur noch 5 oder 7 km am Tag laufen. Demzufolge werden sich Ihre Speicher, auch ohne dass Sie etwas Spezielles essen, auffüllen. Wenn Ihr Marathon an einem Sonntag ist, empfehle ich, dass das letzte bisschen Anstrengung – flotte 10 oder 12 Kilometer – am Dienstagnachmittag erfolgen sollte, und dass Sie in den darauffolgenden 48 Std. nur kleinere Mengen Kohlehydrate essen. Da große Auszehrung jedoch gefährlich ist, sollten Sie ab Donnerstagabend 48 Std. lang große Kohlehydratmengen zu sich nehmen – pro Tag 10 g pro kg Körpergewicht – und viel Wasser trinken. Das wird dazu führen, dass Sie an Gewicht zulegen. Am Samstag sollten Sie nur ein normales Abendessen einnehmen, um Ihr Verdauungssystem nicht zu stören, und am folgenden Morgen, also am Morgen des Wettkampftags, ein normales Frühstück. Das gespeicherte Extraglykogen kann den ganzen Unterschied in Ihren Energiereserven ausmachen – hungrige Leute geben nicht die besten Wettkämpfer ab, wenn sie vor Hunger schwach sind!
Bruce Tulloh
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