Kraftmessung im Training mittels Dynanometer

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Die Kraftmessung mit Dynamometer – Kraftmessgeräte, die mittels Federdruck funktionieren – kann Trainern dabei helfen, Dysbalancen sichtbar zu machen. Konstantin Stamm stellt die Wirkungsweise und Einsatzmöglichkeiten dieser handlichen Tools vor.

Inhaltsverzeichnis

  1. Wieso ist eine Kraftmessung mittels Dynanometer sinnvoll?
  2. Probleme mit der 1-RM-Kraftmessung
  3. Welche Dynanometer eignen sich für Trainer?
  4. Isometrische Kraftmessung
  5. Senkung des Verletzungsrisikos
  6. Kraftmessung in der Praxis

Wieso ist eine Kraftmessung mittels Dynanometer sinnvoll?

Als Trainer steht man ständig vor Entscheidungen: Ist die gewählte Intensität in der Übung hinsichtlich des gewünschten Ziels die richtige? Wie groß ist der Kraftunterschied zwischen verschiedenen Muskelgruppen wirklich? Welches Niveau muss mein Sportler infolge der Rehabilitation nach einer Verletzung wieder erreichen? Ist mein Athlet wirklich in einer Bewegung zu schwach oder liegt die fehlende Leistung eher an einer koordinativen/ technischen Problematik?

Oft sind wir in der Beantwortung dieser Fragen auf unser „Trainerauge“ oder spezielle Verfahren wie die Durchführung einer maximalen Kniebeuge angewiesen. Dabei entstehen aber einige Problematiken, die sich zwar zum Teil kontrollieren lassen, aber doch Nachteile haben:

  • Das „Trainerauge“: Dieses unterliegt der Subjektivität des Trainers und seiner Fähigkeit, Bewegungen zu beurteilen. Das muss nicht schlecht sein, sollte aber im Hinterkopf behalten werden. Diesem kann durch die Aufnahme und Analyse von Slow-Motion-Videos, die in aller Ruhe ausgewertet werden können, entgegengewirkt werden. Zudem gibt es Tools und Apps, welche die Analyse unterstützen können. So lassen sich etwa Gelenkwinkel einzeichnen und im Seitenvergleich darstellen.
  • Hohe Anforderungen an Equipment: Viele Tests benötigen schweres, großes, teures und unhandliches Equipment. Natürlich kann man isolierte Krafttests an Maschinen gut und vergleichsweise – wenngleich „ungenau“ aufgrund der bereits dargestellten „Sprünge“ im Gewicht – messen, aber die wenigsten Trainer besitzen diese und müssen auf den Besuch in einem Studio ausweichen. Zudem geben Maschinen einen Bewegungsablauf streng vor, ermöglichen also nur bestimmte „Richtungen“ der Messung. Was ist etwa mit Kraftmessungen in Rotationsbewegungen? Seilzüge bieten hier eine Möglichkeit, sind aber aus bereits dargelegten Gründen vergleichsweise ungenau.

Probleme der 1-RM-Kraftmessung

1RM-Messungen unterliegen aufgrund ihrer häufig anspruchsvollen technischen Komponente Tagesformschwankungen und gehen mit einem vergleichsweise hohen Verletzungsrisiko einher. Eine echte Testung bedeutet starken Stress für den Sportler und bleibt am Ende ungenau, da die Erhöhungen zwischen den einzelnen Durchgängen zumeist 2,5–5 kg betragen (kleinere Gewichtsscheiben sind nur in wenigen Studios vorhanden) und die technische Ausführung wie die Tiefe der Kniebeuge variiert. Zudem ist der Stress für einige Sportler noch bedeutend höher, da sie in ihrer Sportart bzw. ihrem alltäglichen Leben gar nicht gewöhnt sind, hohe Lasten auf ihrer Wirbelsäule zu (er)tragen (axiale Kompression).

Daneben bedeuten solche Tests einen recht hohen Zeitaufwand, da der zu Testende eine lange Aufwärmzeit vor der Testung und auch eine Pause dazwischen benötigt. Eine besonders geringe Aussagekraft besitzen zudem die Muskelfunktionsprüfung-Werte, die häufig manuell in der physiotherapeutischen Rehabilitation erhoben werden. Eine kleine Winkelveränderung, die Positionierungen der Hände und der Einfluss der Tagesform des Therapeuten führen hier zu sehr ungenauen Messwerten.

Welche Dynanometer eignen sich für Trainer?

Eine bessere Möglichkeit sind handliche Dynamometer, die App-gestützt isometrische Kraft- und Ausdauermessungen und auch die Messung der Rate der maximalen Kraftentwicklung (RFD) ermöglichen. Je nach Hersteller sind die Geräte unterschiedlich teuer und bieten verschiedene Features. Daher sollte man sich im Vorfeld gut informieren, welches Gerät zu den eigenen Ansprüchen und zum Geldbeutel passt. Der „Tindeq Progressor“ kostet 150 $ in der Variante bis max. 150 kg und 220 $ in jener bis 300 kg, während der „EasyForce“ von Meloq (bis 150 kg) mit 349 € zu Buche schlägt. Beide Geräte werden per Ratschengurt o. Ä. fixiert und der Sportler zieht/drückt dann über die Befestigung eines Griffs. Auch gibt es Geräte, die durch direktes Auflegen auf die Haut funktionieren. Ein Beispiel wäre hier der „DynaMo“ von VALD Performance.

Auch diese Geräte sind wissenschaftlich validiert und ermöglichen zudem noch die Messung, wann ein Athlet „exzentrisch“ überlastet ist.

Isometrische Kraftmessung

Isometrische Kraftmessungen bieten eine Vielzahl von Vorteilen gegenüber einer klassischen 1RM-Testung. So ist es möglich, in aller Kürze eine Vielzahl von unterschiedlichen Gelenkwinkeln zu testen. Für Athletiktrainer ist es nämlich sehr interessant zu wissen, wie stark ein Athlet in den Gelenkwinkeln ist, die er in seiner Sportart braucht. Nehmen wir einen Tennisspieler. Im Aufschlag wird dieser andere Gelenkwinkel in der Schulter einnehmen als bei einer geschlossenen oder offenen Vorhand. Jeder dieser Winkel ist mithilfe des Dynamometers einstellbar. Im Grunde genommen ist die Untersuchung aller Bewegungen möglich. Grenzen sind nur hinsichtlich einer sicheren Fixierung des Geräts gesetzt und der Reliabilität im Hinblick auf die Wiederholbarkeit der Durchführung, falls die Überprüfung des Fortschritts gewünscht ist.

Die kurze Zeit für die Durchführung von isometrischen Kraftmessungen ist dabei ein großer Vorteil. Brauche ich sonst für eine 1RM-Testung in der Kniebeuge fast eine ganze Trainingseinheit allein wegen der Ermüdung des Sportlers, kann ich eine isometrische Kraftmessung unmittelbar nach dem Warm-up durchführen. Dies gibt mir nicht nur Aufschluss über die Entwicklung, sondern auch über die jeweilige Form und den Ermüdungszustand des Sportlers, da die isometrische Kraftfähigkeit natürlich auch Tages- und Wochenschwankungen unterliegt.

Senkung des Verletzungsrisikos

Zudem ist eine solche Messung viel sicherer bezüglich des Verletzungsrisikos. 150 kg oder mehr auf den Schultern zu haben ist für viele Kunden unangenehm und durch die Dynamik der Ausführung sind Verletzungen wahrscheinlicher als in isometrischer Position. Ein weiterer nennenswerter Vorteil ist die „Einfachheit“ im Hinblick auf die technische Durchführung. Hat man einmal den Klienten in die richtige Position gebracht, kann es losgehen. Technik spielt dann kaum eine Rolle. Deshalb gelten isometrische Kraftmessungen als Goldstandard in der Forschung, um isolierte Aussagen über die Kraftfähigkeit treffen zu können.

Vorteile von Kraftmessung in der Praxis

Im Folgenden stelle ich einige Einsatzbeispiele aus meiner Tätigkeit als Athletiktrainer vor.

Liegt es an der Kraft?

Ein U-18-Tennisspieler wies in explosiven unilateralen Bewegungen deutliche Unterschiede zwischen dem linken und dem rechten Bein auf. Eine mögliche Erklärung wäre, dass es ihm in dem einen Bein an Kraft fehlt. Daher testete ich seine isometrische Kraftfähigkeit in den für die Bewegung wichtigen Gelenkwinkeln. Ergebnis: kein Unterschied. Nach der Analyse von Slow-Motion-Videos fiel auf, dass er kein Problem mit seinem Absprungbein hatte, sondern mit dem Schwungbein, das im Seitenvergleich unterschiedlich effektiv arbeitete. Hieraus konnte ich ableiten, dass wir ein besonderes Augenmerk auf die technisch-koordinative Entwicklung legen mussten und nicht auf ein „Mehr“ an Kraft.

Achillessehnen-Schmerz

Ein U-16-Fußballspieler kam mit Achillessehnen-Schmerzen zu mir. Bisher hatte er von seinem Physiotherapeuten Dehnübungen für diese und Selbstmassage-Übungen mit einem Tennisball für die Plantarfaszie empfohlen bekommen. Die Schmerzen hielten schon länger an und wurden unter der hohen Trainingsbelastung verstärkt. Wir testeten daraufhin die isometrische Kraftfähigkeit seiner Plantarflexoren im neutralen Sprunggelenkswinkel. Ergebnis: deutlicher Seitenunterschied zwischen betroffener und nicht betroffener Seite. Wir verordneten daraufhin hochintensive isometrische Kraftübungen für die Achillessehne, da sich solche Übungen in der Forschung als besonders hilfreich erwiesen haben, um die Steifigkeit und die Kraft der Sehne zu stärken. Innerhalb einiger Wochen nahm der Schmerz ab und die Einsatzfähigkeit erhöhte sich.

Fortschritte in der Rotationskraft

Ein jugendlicher Tennisspieler hatte nach einigen Monaten Training manchmal das Gefühl, „nicht wirklich voranzukommen“. Er hatte zwar seine Gewichte im Krafttraining bspw. bei Rotationen am Seilzug erhöht, aber so richtig viel war es nicht. Also testete seine Rotationskraft mithilfe isometrischer Kraftmessung. Ergebnis: Steigerung um 25 Prozent in der Vorhand- und 47 Prozent in der Rückhandposition. Dies ist nicht nur ein super Resultat, sondern gab mir die Möglichkeit, ihm seine Verbesserung schwarz auf weiß zeigen zu können und per Grafik darzustellen, was für die Kommunikation zwischen uns und sein eigenes Gefühl sehr gut war.

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Autor: Konstantin Stamm – Der auf Tennis spezialisierte Athletiktrainer aus Hamburg betreut mit seiner Unternehmung „Reach Your Potential“ Profis der ATP-Tour sowie talentierte Nachwuchsspieler.

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Über den Autor

Konstantin Stamm - Der auf Tennis spezialisierte Athletiktrainer aus Hamburg betreut mit seiner Unternehmung „Reach Your Potential" Profis der ATP-Tour sowie talentierte Nachwuchsspieler.

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