In unserer okzidentalen Kultur gilt ein dynamischer, athletischer und agiler Körper als Schönheitsideal – die Proportionen sollten stimmen, die Rundungen an der richtigen Stelle wohlgeformt sein und das Muskelshirt sollte die definierten Körperstellen betonen.
Die weibliche Angst vor Muskeln
Eine Frage möchte ich an dieser Stelle besonders an die Damenwelt richten: Warum hat mindestens jede zweite Angst vor großen und dicken Muskeln und somit vor Krafttraining?
In meiner bisherigen sportwissenschaftlichen Karriere habe ich Kommentare von Frauen gehört wie: „Nach meinem letzten Fitnessstudiogang habe ich kaum die Hose über die Oberschenkel bekommen“ oder “ ich bin entsprechend genetisch veranlagt – ich baue Muskeln im Null-Komma-Nichts auf“.
Interessanterweise klagen Männer genau über das Gegenteil, dass in einem Monat des regelmäßigen Krafttrainings fast Null-Komma-Nichts Fortschritte im Muskelquerschnitt festzustellen sind. Stimmt es wirklich, dass das Krafttraining bei Frauen sofort zu Resultaten führt und Männer sich monatelang abquälen und auf Erfolge warten dürfen?
Muskeln bei Männern – Muskeln bei Frauen
Falls Sie eine ähnliche Meinung über den rasanten Muskelaufbau bei Damen bisher auch vertreten haben, hier ein paar physiologische und wissenschaftliche Gegenbeweise:
1. Aufgrund des höheren Testosteronspiegels bauen Männer schneller Muskelmasse auf als Frauen. Denn die resultierende Muskelkraft ist sehr stark von den Hormonen abhängig. Vereinfacht gesagt, kann das Testosteron die Eiweißbausteine schneller und effektiver in der Muskelzelle verwerten. Wenn man einem Mann und einer Frau einen identischen Trainingsplan geben würde, hätten die Männer schnellere und höhere Trainingserfolge zu verzeichnen.
2. Des Weiteren ist ein regelmäßiges Training von 3-mal pro Woche für mindestens 3 Monate notwendig. Dieses Training sollte sich im intensiven Bereich bewegen, also bei submaximaler und maximaler Kraft absolviert werden. Diese Trainingsart ist anstrengend und oft auch schmerzhaft während der Übung selbst. Durch den entstehenden Muskelkater baut der Muskel beim Heilungsprozess weitere Muskelfasern zusätzlich auf, was letztendlich zur Vergrößerung des Muskelquerschnitts und zu „sichtbaren“ Ergebnissen führt.
3. Zusätzlich sollte man die Ernährung über das Normalmaß eiweißhaltig sein, da die Proteine die „Bausteine“ der Muskelzellen sind. Diese müssen verstärkt von außen zugeführt werden, damit der Körper diese effektiv verwerten kann.
An dieser Stelle sollten Sie eine Bilanz ziehen und schauen, inwieweit die Punkte 2 und 3 tatsächlich übereinstimmen.
Breitere Beine nach dem Training?
Aber es stellt sich immer noch eine wichtige Frage: Warum nach den ersten Fitnessstudiobesuchen die Oberschenkel so „massiv“ in die Breite gehen?
Ganz einfach, auch hierfür gibt es eine physiologische Erklärung: Denn sobald die Muskulatur mit einer mittleren oder höheren Intensität und ungewohnter Arbeit konfrontiert wird, entstehen mikrokleine Verletzungen in der Muskulatur – der Muskelkater. Damit dieser schnellst möglich repariert wird, pumpt der Körper verstärkt Nährstoffe an die entsprechende Stelle, welche durch das Wasser und Lymphflüssigkeit transportiert werden. Durch das erhöhte lokale Wasservolumen schwillt der Muskel kurzfristig an. Nach spätestens 3 Tagen hat der Körper das überschüssige Wasser wieder abtransportiert, die Schäden repariert und der Muskel bekommt seinen alten Umfang wieder zurück.
Spätestens zu diesem Zeitpunkt, also 2-3 Tage nach dem ersten Training, sollte ein weiterer Trainingsreiz folgen, um die Anpassungen der Muskulatur und somit einen strafferen und stärkeren Muskel zu erreichen.
Fazit
Das Krafttraining hat viele Gesichter und Varianten. Sie können entweder klassisch wie im Bodybuilding an Trainingsmaschinen oder auch mit dem eigenen Körpergewicht trainieren. Für den Muskelaufbau sollte es aber intensiv, anstrengend und schweißtreibend sein.
Wenn Sie starke und gleichzeitig schlanke Muskeln haben möchten, empfiehlt sich das Trainings mit dem eigenen Körpergewicht an dieser Stelle besonders gut. Denn wenn Sie z. B. einen klassischen Liegestütz in Ihr Training einbauen, arbeiten zahlreiche Muskelketten der Ober- und Unterarme, des Rückens, der Brust und der Bauchmuskulatur. Somit entwickeln sich die die Muskeln kraftmäßig proportional zueinander.
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Marin Lewun