Physiotherapeut Oliver Schmidtlein über Functional Training, Beweglichkeit und Stabilität

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Oliver Schmidtlein, staatlich geprüfter Physiotherapeut und Sportphysiotherapeut des DOSB mit langjähriger Tätigkeit im Hochleistungssport (u.a. Deutsche Fußballnationalmannschaft), renommierter Experte im Gesundheitswesen, im Interview über funktionelles Training. 

trainingsworld:Oliver Schmidtlein, Sie haben mit dem TSV 1860 München, dem FC Bayern und der Deutschen Nationalmannschaft zusammengearbeitet. Welcher war/ist der fitteste Spieler, den Sie betreuen durften?

Oliver Schmidtlein: Es wäre schwer so eine Aussage zu treffen. Denn es gab Spieler mit

Oliver Schmidtlein ist staatlich geprüfter Physiotherapeut und Sportphysiotherapeut des DOSB. Durch seine langjährige Tätigkeit im Hochleistungssport (u.a. Deutsche Fußballnationalmannschaft) als Physiotherapeut, Reha- und Fitnesstrainer ist er ein angesehener und renommierter Experte im Gesundheitswesen. Seit Mai 2008 ist er mit seinem Team in seiner eigenen Praxis OS training & therapie in München tätig. Das Ziel des Zentrums ist es, die Therapieansätze und Trainingskonzepte durch innovative Impulse kontinuierlich weiterzuentwickeln, um eine qualitativ hochwertige Betreuung der Patienten und Kunden zu gewährleisten. www.osphysio.de

unterschiedlichen Stärken, die man mit den Eigenschaften Fitness verbindet. Es gab welche, die hatten exzellente Ausdauerwerte und einige, die besonders schnell oder besonders kräftig waren. Ein Spieler, der mich sehr beeindruckt hat, war Bixente Lizarazu. Seine Einstellung zum Beruf war unglaublich.

trainingsworld: Dennoch kann sich auch ein solcher Spieler verbessern. Wo haben die meisten Spieler denn Defizite?

Oliver Schmidtlein:
Jeder Spieler hat ein anderes Profil. Schwachstellen müssen individuell erkannt werden. Aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse zeigen, dass Muskeldysbalancen ein häufiges Problem darstellen. Der Weg, um topfit zu werden, geht nur über die Gesundheit. Nur wer gesund ist, kann trainieren.

trainingsworld:
Nun hat sich in den letzten knapp 10 Jahren das Training der Profimannschaften deutlich verändert und funktionelle Übungen werden immer mehr mit einbezogen. Wie beeinflusst aus Ihrer Sicht eine bessere (funktionelle) Fitness das gesamte Spiel?

Oliver Schmidtlein:
Die Bewegungen der Spieler werden effektiver. Es gibt deutlich weniger Ausgleichsbewegungen wie zum Beispiel beim Abstoppen oder bei Richtungswechseln. Dadurch werden häufige Sprints mit Änderungen der Laufrichtung besser verkraftet. Das macht das Spiel dynamischer. Die Auswertungen und Vergleiche von Scouting-Daten der Vergangenheit und heute zeigen diese Unterschiede deutlich.

 

trainingsworld: Schaut man in untere Spielklassen wird, je tiefer man kommt, immer noch nach alten Mustern trainiert. Sehen Sie eine Chance, dass der Hobby-Sport in gleichem Maße nachzieht?

Oliver Schmidtlein: Die Prinzipien aus dem Profisport müssen unbedingt in den Breitensport einziehen. Die Erstellung von Bewegungsprofilen und die Behebung von Dysbalancen sind nicht so aufwändig. Vor allem über die Schulung der Amateurtrainer wäre viel zu erreichen!

 

trainingsworld: Welche Übungen können Hobby-Teams, die ein, zwei oder drei Mal pro Woche trainieren sinnvoll in Training einbinden?

Oliver Schmidtlein: Was für alle sinnvoll ist, ist das Stabilisationstraining. Je eine Übung für die vordere Muskelkette am Rumpf, eine Übung im Seitstütz und eine Bridging Übung in Rückenlage. Und das immer am Anfang des Mannschaftstrainings zum Aktivieren. Die perfekte Ausführung ist natürlich ein absolutes Muss.

 

trainingsworld: Wie groß sollte der Anteil an diesem Fitness-Training im Verhältnis zum Technik- und Taktik-Training sein?

Oliver Schmidtlein: Dafür gibt es keine feste Regel. Jedenfall keine die ich kenne. Es hängt von der Phase der Saison ab. In der Saisonvorbereitung ist der Anteil bis zu 50 % der Trainingszeit. Je näher die Spiele rücken umso weniger wird es. Während der Saison liegt der Anteil bezogen auf die Gesamttrainingsdauer vielleicht bei 10-20 % (im Fußball).

 

trainingsworld: Sie haben im TV-Format „Focus Gesundheit“ Übungen für Hobby-Sportler vorgestellt. Wo sehen Sie den größten Nachholbedarf der meisten Ausdauer– und Mannschaftssportler?

Oliver Schmidtlein: In der Ausgewogenheit von Stabilität und Beweglichkeit sehe ich die größten Reserven.

 

trainingsworld: Viele glaube ja, gerade im Lauf-/Ausdauerbereich, noch an die Maxime „viel hilft viel“, also daran, dass die Umfänge entscheiden. Welchen Tipp würden Sie einem Laufeinsteiger für sein Training und seine Trainingsplanung geben?

Oliver Schmidtlein: Laufeinsteiger sollten nicht sofort mit Laufen beginnen. Männer sollten mindestens 4 Wochen lang und Frauen mindestens 6 Wochen lang ein spezielles Programm absolvieren. Der Fokus sollte dabei auf Beweglichkeit, spezielle Stabilität, Beinachsentraining und Beckenstabilität gerichtet sein. Bei den Laufeinheiten finde ich die Idee von Jeff Galloway sehr effektiv. Run-Walk-Run. Beispielsweise 2 Minuten Joggen, dann 1 Minute gehen usw., das ganze 10 x für eine Woche, dann 15 x usw.. So würde ich starten. Mein Freund Darcy Norman et al. hat ein tolles Buch dazu geschrieben (Titel: Get Fit to Run, Riva )

 

trainingsworld: Kann sich ein Läufer, Schwimmer, Radsportler oder auch Fußballspieler durch funktionelles Training ähnlich verbessern wie durch „Umfänge“?

Oliver Schmidtlein: Diese Trennung von Stoffwechseltraining und Functional Training ist nicht sinnvoll. Es gibt einen sehr engen Zusammenhang zwischen den Bewegungmustern und dem bekannten Ausdauertraining. Durch Functional Training wird der Bewegungsapparat viel effektiver, braucht dadurch weniger Energie und damit sind die Ausdauerwerte auch besser. Das ist grobgesagt der eine Effekt. Der zweite wäre eine direkte Wirkung z. B. eines Functional Training-Zirkels auf den Ausdauerstoffwechsel. Von dieser Wirkung kann man ausgehen, es gibt aber noch keine Evidenz.

trainingsworld:Vielen Dank für das Gespräch!

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