Fitness für die Faszien (Teil 2) – Trainingsbereiche

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Warum Sie Ihre Faszien trainieren sollten? Es erhöht die Leistungsfähigkeit Ihres Körpers, beschleungit Heilungsprozesse und dient zur Verletzungsprävention: Jede einzelne Zelle ist mit dem Fasziennetz verbunden und reagiert damit auf die unterschiedlichen Spannungsverhältnisse der Faszien.

Warum Faszien-Fitness?

Faszien sind kollagene Strukturen, die auf sportliche Belastung reagieren und ihre Fasern gitter- und wellenartig anordnen und demzufolge hohe Elastizitätskräfte speichern können. Bewegungsmangel führt zu einer multi-direktionalen Architektur des Fasernetzwerkes und zu einer verminderten Wellung der Einzelfasern, die mit einem Filzgewebe zu vergleichen ist.

Aus dem Anatomieunterricht ist es bekannt, dass es einen Ansatz und einen Ursprung bei jedem Muskel gibt, die sehr schön graphisch in den Lehrbüchern dargestellt werden. Erst in den letzten Jahren wurde bestätigt, dass ein Muskelverlauf sich nicht komplett gradlinig vom Ursprung bis zum Ansatz erstreckt, sondern 30 % seiner Muskelfasern im faszialen Gewebe enden. Durch diese enorme Aufteilung des Muskelansatzes werden andere Muskelteile und Gelenke durch das vernetzte Fasziengewebe in ihrer Zugrichtung und ihrer Trainingsreizung stark beeinflusst.(Fitness für die Faszien (Teil 1) – Grundlagen)

 

Ein trainiertes Fasziennetz führt zu:

– Erhöhter Leistungsfähigkeit des Körpers (bessere Bewegungsabläufe – bessere Muskelfunktionalität)

– Schnelleren Heilungsprozessen

– Optimalem präventiven Schutz vor Verletzungen

 

Faszien spielen eine tragende Rolle bei:

– der Kraftübertragung

– der Bereitstellung und Herstellung von Kraft

– der Sicherung der Wirbelsäulen und der Gelenke (Verletzungsprophylaxe)

Faszien sind der 6. Sinn und versorgen uns mit wichtigen Informationen über die Lage unseres Körpers.

 

Jede einzelne Zelle ist mit dem Fasziennetz verbunden und reagiert damit auf die unterschiedlichen Spannungsverhältnisse der Faszien.

 

Trainingsbereiche:

– Fascial Release

– Fascial Stretch

– Rebound Elasticity

– Sensor Refinement

1. Fascial Release

Fascial Release ist die beste „Do it yourself-Methode“ um verklebte Faszien zu lösen und die Hydration des Gewebes anzuregen. Dafür werden Bälle und Rollen unterschiedlicher Größen (z. B. Blackroll oder Pilatesrolle) und Festigkeiten benutzt, um in der Druckintensität zu variieren. Dabei wird das fasziale Gewebe durch das Rollen wie ein Schwamm ausgepresst.(1) In der anschließenden Erholungsphase strömt das frische Gewebewasser aus den Lymphen und dem vaskulären Gefäßnetz in das beanspruchte Gewebe zurück.

Die ersten Einheiten der Fascial Release Technik sind mit Schmerzen verbunden, die man allerdings nicht vermeiden sollte. Ganz im Gegenteil sollte man länger auf diesen Schmerzpunkten bleiben. Bereits nach wenigen Sekunden wird der Schmerz viel geringer, was in ein „Wohl-Weh“ übergeht.

 

Mögliche Einsatzgebiete:

– M. tensor fasciae latae und Fasciae iliotibialis

– vorderer und hinterer Oberschenkelmuskel

– Wade

– Gesäßmuskulatur

– Adduktoren

– M. serratus anterior

– Lendenbereich

– entlang der gesamten Wirbelsäule

– Füße

 

Übungsdurchführung:

– langsam schmelzend

– in den Schmerz hinein

– bei Schmerzpunkten länger bleiben

– kleine wechselnde Winkel

– ca. 0,5 bis 1 Minute auf einem Muskel bleiben

 

Ziele:

– gesunderhaltenden Flow der Flüssigkeiten anregen

– Verringern überflüssiger Spannungsverhältnisse und somit bessere Leistungsfähigkeit von Antagonisten und Synergisten

– besonders für die Regenerationsphasen geeignet

 

Trainingsbeispiel:

Abb. 1: Übungen mit Black Roll beim Fascial Release

Abb. 1: Übungen mit Black Roll beim Fascial Release

 

2. Fascial Stretch

Diese Trainingsart ist mit dynamischer Dehnung gleichzusetzen. Der Stretch ist mit einer Aktivierungsdehnung bei einer Katze oder einem Löwen zu vergleichen. Dabei wird für ganz wenige Sekunden fließend eine Körperposition in den endgradigen Winkeln eingenommen. Die Katze räkelt sich dabei leicht in unterschiedliche Richtungen und geht anschließend wach und energiegeladen in die Ausgangsposition zurück – fertig für den Tag und für die Jagd.

Bei der passiven Beweglichkeit, bei der es um Vergrößerung der Gelenkwinkel geht, kann man diese Methode auch anwenden und dabei in der endgradigen Dehnung leichte Richtungsveränderungen vornehmen, damit viel mehr Muskelstränge des gleichen Muskels mit erwischt werden, da 30 % des Muskelverlaufes außerhalb des tatsächlichen Muskelansatzes enden.

 

Mögliche Einsatzgebiete:

– Bein- und Hüftmuskeln

– gesamter Rücken (lange myofasziale Ketten)

Schultergürtel und Arme

 

Übungsdurchführung:

– schmelzende Dehnungen

– aktive Dehnung (Beispiel Katze)

– Minifederungen in den endgradigen Winkeln

– möglichst lange myofasziale Ketten ansprechen

– multidirektionale Winkel-Variationen (seitlich, diagonal, spiralförmig)

 

Durch diese Dehnungsart werden die kollagenen Strukturen wie Bänder und Sehnen erreicht und aktiv angesprochen (siehe Faszien Fitness Teil 1 – Grundlagen). Durch herkömmliche Dehnübungen wie im Yogaunterricht werden allerdings die muskulären Strukturen angesprochen, die letztendlich zum längeren Muskel führen.

 

Ziele:

– Vermehrung des Bindegewebes anregen

– Vergrößerung der Beweglichkeit in den endgradigen Gelenkwinkeln

 

Trainingsbeispiel:

Abb. 2: räkelnde Katze – Vorbereitung für den Tag; räkelnder Mensch spricht die komplette Dorsalfaszie an

Abb. 2: räkelnde Katze – Vorbereitung für den Tag; räkelnder Mensch spricht die komplette Dorsalfaszie an

 

3. Rebound Elasticity

Wenn man sich die aktuellen Olympischen Spiele in der Disziplin Gewichtheben anschaute, konnte man kaum glauben, dass ein Mensch in der Lage ist, solch eine Masse anzuheben. Anhand von Studien hat man auch festgestellt, dass rein muskulär ein durchschnittlicher Mann nur 50 kg Gewicht anheben kann. In Wirklichkeit sind aber viel höhere Lasten möglich. Wie kann das sein?

Rebound Elasticity entspricht einer aktiven Faszienkontraktion, die beim Anheben von Gewicht bis zu 80 % beteiligt ist – so wird nur 20 % der Arbeit muskulär verrichtet. An dieser Stelle wird der Katapult-Effekt ausgenutzt, der bereits im Teil 1 beschrieben wurde. Ob beim Gewichtheber oder bei einem Känguru, die kinetische Energie wird in den kollagenen Fasern kurzzeitig gespeichert und anschließend wie eine Peitsche mit einem viel höheren Energiegehalt losgelassen. Dabei ist es wichtig, das richtige Timing zu finden, damit die Eigendynamik der Bewegung entstehen kann. Diverse Kampfkünste oder der Modern Dance kennen und nutzen diesen Effekt bereits seit geraumer Zeit.

 

Mögliche Einsatzgebiete:

– elastisch federnde Bewegungen wie Gehen, Laufen, Hüpfen

– aktive Vordehnung von langen faszialen Ketten beim Fußball oder Kampfsportarten

 

Übungsdurchführung:

– schnelle elastische und federnde Bewegungen

– kurze Bodenkontaktzeit

– leises Landen als ideales Feedback (Ninja-Prinzip)

 

Ziele:

– elastische, schnelle und geräuschlose Bewegungen (Ninja, Katze)

– ökonomische und ergonomische Bewegungen

– Verletzungsprophylaxe

– Leistungssteigerung

 

Trainingsbeispiel:

Abb. 3: elastische Bounces aus dem Liegestütz

Abb. 3: elastische Bounces aus dem Liegestütz

 

4. Sensory Refinement

In dieser Trainingsart geht es um Fühlen und Wahrnehmen, denn die Faszien sind unser 6. Sinn. In den Faszien befinden sich die meisten Bewegungsmelder unseres Körpers (= Propriozeption). Man hat festgestellt, dass in den Faszien 10-mal soviele Rezeptoren wie in den Muskeln vorhanden sind. Diese Rezeptoren geben Informationen über die Lage unseres Körpers im Raum an das Gehirn weiter, was wiederum für eine optimale Bewegungsausführung (Koordination) sehr wichtig ist.

Besonders die oberflächlichen Schichten sind mit einer größeren Dichte an mechanorezeptiven Nervenendigungen ausgestattet.(2) Diese Rezeptoren sprechen auf unterschiedliche mechanische Stimulationen an, wie Zug-, Dehn- und Vibrationsreize.(3)

 

Mögliche Einsatzgebiete:

– Wirbelsäule

– Hüfte

– gesamter Körper

 

Übungsdurchführung:

Wechsel in Geschwindigkeit und Impact – dynamisch-sprunghaft-schnell bis hin zu langsam-vibrierend-fein-fließend

 

Ziel:

Einen kraftvollen, belastbaren und gleichzeitig anmutigen und samtigen Körper schaffen

 

Trainingsbeispiel:

Abb. 4: Erspüren von verschiedenen Körperpositionen und dabei versuchen die kleinsten Bausteine (Wirbelkörper) zu bewegen

Abb. 4: Erspüren von verschiedenen Körperpositionen und dabei versuchen die kleinsten Bausteine (Wirbelkörper) zu bewegen   © www.fascial-fitness.de

 

 

Marina Lewun

Quellenangaben:

1. Schleip, Klinger (2007). Fascial strain hardening correlates with matrix hydration changes. In: Findles TW, Schleip R (eds). Fascia Research – Basic Science and implications to conventional and complementary health care. Elsevier GmbH, München, S. 51.

2. Stecco et al (2008). Histological study oft he deep fasciae oft he limbs. Journal of Bodywork an Movement Therapies 12 (3), S 225-230.

3. Schleip, Müller (2011). Faszien Fitness. Faszien-orientiertes Training für Sport, Gymnastik und Bewegungstherapie. Terra Rosa E-Magazine, Issue Nr.7, S. 1-11.

4. www.fascial-fitness.de

 

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Über den Autor

Marina Lewun

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