Diabetes mellitus ist eine schwere Stoffwechselkrankheit. Bei der entsprechenden Diagnose bricht für den einen oder anderen fast eine Welt zusammen. Doch es gibt keinen Grund, mit Diabetes kein Training mehr zu treiben.
Diabetes Typ 1 und Typ 2
Die Zahl der Diabetiker in Deutschland nimmt rasch zu. Allerdings steigt die Zahl der Diabetiker Typ II, die auch Altersdiabetes genannt wird. Hier sind eine schlechte Ernährung, Übergewicht und zu wenig Bewegung für die Zuckerkrankheit verantwortlich. Daher stellt sich in dem Fall die Frage auch nicht, wie gefährlich Sport mit Diabetes ist, da ohnehin eher ältere und unsportliche Menschen betroffen sind und Sport zur Therapie dazu gehört.
Anders sieht es beim Typ I Diabetes aus. „Bei dieser Erkrankung kann der Körper das Hormon Insulin nicht mehr selber herstellen und ist auf Substituierung angewiesen“, erklärt Mahesh Arenja, Facharzt für Innere Medizin am Bonner Johanniter-Krankenhaus. „Zu den Aufgaben des Insulins gehört es, die Energie aus der Nahrung in die Zellen zu transportieren. Ohne Insulin kann nicht genug Energie in die Zellen gelangen.“ Dass der Körper bei einem Insulinmangel nicht leistungsstark ist, ist daher einfach zu erklären. Insofern kann eine Diabetes Typ I für Sportler das Karriereende bedeuten.
Insulin
„Um das körpereigene Insulin zu ersetzen, muss der Betroffene Insulin spritzen. Wie viel hängt von individuellen Faktoren ab. Der Diabetiker muss also entsprechend eingestellt werden. Bekommt der Organismus so ausreichend Insulin, ist man auch uneingeschränkt leistungsfähig“, sagt Arenja. Das zeigen die Beispiele vom ehemaligen Fußballprofi Dimo Wache, Eishockey-Nationalspieler Michael Hackert oder dem Deutschen Meister über 200m von 2007, 2008 und 2010, Daniel Schnelting. Entscheidend ist eben, dass jeder Betroffene genau weiß, wie viel Insulin er benötigt.
„Wie leistungsfähig man ist, hängt vom aktuellen Blutzuckerspiegel ab. Dabei kann ein Insulinmangel die Leistung mindern“, erklärt der Internist. „Denn wenn das Insulin sinkt, erhöht sich der Blutzuckerspiegel, da die Energie nicht mehr in die Zellen transportiert wird.“ Symptome des Überzuckers sind Müdigkeit, Lustlosigkeit, Durst, Sehstörungen, Muskelkrämpfe oder Juckreiz. Im Endeffekt ist man weniger leistungsfähig und nicht mehr in der Lage, einen Wettkampf zu gewinnen. Bei einem Überzucker müssen sich die Betroffenen wieder ihr Insulin spritzen. Gefährlich ist das nicht unbedingt. Nur wenn man sich in einer extremen Situation befindet, beispielsweise beim Bergsteigen, Paragliden oder beim Tauchen, kann es durch entsprechenden Konzentrationsmangel gefährlich werden, da man hier in der Regel keine Dosis Insulin dabei hat und nicht schnell reagieren kann.
Gefahren von Überzucker
„Überzuckerungen können auf Dauer für den Körper aber fatal sein“, warnt der Internist. „Eine stärkere Erhöhung der Glukosekonzentration im Blut führt zu einer Glukoseausscheidung über den Urin. Glukose bindet physiologisch auch Wasser, welches zu einer osmotischen erhöhten Urinauscheidung (Polyurie) führt. Dieses kann daher in Dehydratation, Blutdruckabfall, Herzrhythmusstörungen und zur Bewusstseineintrübung bis hin zum diabetischen Koma münden.“ Durch eine Überzuckerung und der mit ihr verbundenen Glukose im Urin steigt das Risiko von Infektionen, besonders einer aufsteigenden Harnwegsinfektion (glukosehaltiger Urin ist eine gute Nährlösung für Bakterien). Eine Überzuckerungen prädisponiert auf Dauer zu diabetischen Komplikationen wie Netzhautschädigung (Retinopathie), Nierenschädigung (Nephropathie), Nervenschädigung (Neuropathie) bis zum Schlaganfall und Herzinfarkt.
Gefahren von Unterzucker
Wirklich gefährlich ist aber der Unterzucker. Das hat neulich auch das Beispiel von Hoffenheim-Profi und U21-Nationalspieler Boris Vukcevic gezeigt. Ist der Insulinspiegel zu hoch, kommt es zu einem Abfall des Blutzuckerspiegels. In der Folge können die Zellen nicht ausreichend mit Energie versorgt werden. Das kann harmlose Folgen haben wie Schweißausbrüche, Blässe und Hunger. Aber auch Herzrasen, Ohnmacht oder, wenn der Unterzucker länger anhält, eine Unterversorgung des Gehirns sind möglich. Um sich vor diesem Fall zu schützen, ist es wichtig, dass Diabetiker immer schnell verwertbare Kohlenhydrate wie beispielsweise Traubenzucker dabei haben, um im Notfall schnell reagieren zu können.
Diese Fälle sind aber selten und treten nur auf, wenn der Betroffene nicht richtig eingestellt ist oder mit seinem Insulin falsch umgeht. Daher gibt es vor allem für „neue“ Diabetiker entsprechende Seminare, auf denen sie lernen, mit ihrer Krankheit umzugehen. Gerade für Sportler ist das wichtig, da bei ihnen der Energiebedarf anders ist und sie daher besonders gut auf ihren Körper hören müssen.
Kurze und lange Belastungen
Beim Training und im Wettkampf kann man die Sportler in 2 Gruppen unterteilen, die mit der Krankheit anders umgehen müssen. Auf der einen Seite stehen die Kurzzeitsportler, bei denen die Belastung maximal 2 Stunden dauert. „Kurzzeitsportler sollten vor dem Training oder Wettkampf etwas mehr Kohlenhydrate zu sich nehmen, um beim Sport ausreichend Energie zu haben“, rät Arenja. „Hier ist es hilfreich, ebenfalls kurz vor der Belastung den Blutzucker zu messen, um den Körper an die aktuellen Werte anzupassen. Kennt man die Werte, wissen erfahrene Diabetiker, wie viele Kohlenhydrate sie zu sich nehmen müssen.“
Deutlich schwieriger ist es bei Langzeitsportlern, wie Marathonläufern oder Triathleten über längere Distanzen. „Ab 2 Stunden Wettkampf reichen die Kohlenhydrate vor dem Sport nicht mehr aus, da der Körper zu viel Energie verbraucht“, so der Fachmann. „Man kann also nicht gegen den sinkenden Blutzuckerspiegel „anessen“. Um einen Unterzucker zu vermeiden, sollte man die Insulin-Dosis um 50-80 % herunterregeln.“ Auch hier haben erfahrene Diabetiker einen Vorteil, da sie wissen, wie viel Insulin sie vor dem Wettkampf brauchen. Wer noch nicht so geübt ist, sollte besser seinen Arzt befragen und beim Wettkampf darauf achten, entsprechende Kohlenhydrate gegen Unterzucker dabei zu haben. Teilweise nutzen die Betroffenen auch kleine Insulinpumpen, die durch einen Schlauch ins Unterhautfettgewebe die Insulinzufuhr regeln.
Ergänzung Typ 2 Diabetes
„Typ 2 Diabetes ist dagegen bedingt durch periphere Abnahme der Insulinempfindlichkeit. D. h. man braucht viel Insulin, um einen Effekt auf die Zellen zu entfalten“, sagt Arenja. „Man spricht von einer sogenannten Insulinresistenz. Bei Typ 2 Diabetikern besteht somit ein relativer Insulinmangel (> 85 Prozent der Diabetiker). Mit Sport kann also die Insulinresistenz und somit auch der Insulinbedarf gesenkt werden. Auch eine Normalisierung des Blutzuckers ist wieder möglich. Der Zucker sollte dennoch unter hausärztlicher Kontrolle bleiben.“
Es gibt also keinen wirklichen Grund, warum Diabetiker wegen ihrer Gesundheit keinen Sport treiben sollten. Eher ist das Gegenteil der Fall, da durch Sport die Insulinempfindlichkeit des Körpers zunimmt. Man benötigt also weniger Insulin, um den Blutzuckerspiegel zu regulieren. (Auswirkung von Ausdauertraining bei Typ 2 Diabetes-Patienten)
Christian Riedel