Die Bedeutung der Kraftfähigkeiten im Kanu-Rennsport

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Ein breites Kreuz, dicke Arme und ein Sixpack. Das sind 3 Merkmale, die bei so gut wie jedem Kanurennsportler ins Auge fallen. Oftmals werden sie dann in die Kategorie Fitness-Studio-Hampelmann gesteckt: aufgepumpter Körper, nichts dahinter. Doch diese Einstufung ist verkehrt.

Kanurennsport fällt unter die Kategorie der Kraftausdauersportarten. Wie diese Kategorisierung schon erahnen lässt, spielt die Kraft in dieser Sportart eine große Rolle. Bei jedem einzelnen Paddelzug muss der Sportler sein Boot (Einer-Kajak: 12 kg) und sein eigenes Körpergewicht gegen den Wasserwiderstand mithilfe des Paddels vorwärts bewegen. Hierbei zieht der Kanute, entgegen des Eindrucks vieler Beobachter, das Boot am im Wasser fest „verankerten“ Paddel vorbei. Schon im Grundlagenausdauerbereich werden bei einem einzelnen Paddelzug im Kajak Kräfte zwischen 20 und 30 kg gemessen. Schaut man sich eine Grundlagenausdauereinheit mit der Dauer von 50 Minuten an, in der ungefähr zwischen 3250 und 3500 Schläge durchgeführt werden, so wird schnell klar, wie wichtig die Kraftkomponente im Kanurennsport ist.

 

Gewaltige Kräfte am Start

Noch deutlicher wird es, wenn man sieht, dass bei den ersten Schlägen in der Startphase eines Rennens bis zu 70 kg am Paddel wirken. Gerade in der Startphase kommt es auch immer wieder dazu, dass selbst auf internationalen Wettkämpfen einem Sportler das Paddel bricht.

Genau dieses Missgeschick passierte erst im letzten Jahr bei den Weltmeisterschaften in Szeged dem deutschen Canadierfahrer (Kanu, Kajak, Canadier: Kanurennsport – Was ist das eigentlich?)  Sebastian Brendel. Besonders ärgerlich dabei war, dass Brendel Top-Kandidat auf eine WM-Medaille war und somit eine große Medaillenhoffnung begraben werden musste.(1)

 

Die Mannschaft macht nicht alles leichter

In den Mannschaftsbooten werden die Kraftanforderungen teilweise noch größer, da man vor allem am Start eine größere Masse aus dem Stand möglichst schnell auf ein maximales Tempo beschleunigen muss. Welche Wassermassen hierbei bewegt werden müssen, um das Boot zu beschleunigen, merken meist vor allem die beiden hinten sitzenden Sportler im Kajak-Vierer. Diese fahren in der Regel auf den ersten Metern beim Start fast nur nach Gefühl, da sie vor lauter Wasser im Gesicht nichts weiter sehen können. Dies ist auch ein Grund dafür, dass man diese Sportler quasi bei jedem Wetter mit einer Sonnenbrille fahren sieht. Das hat nichts mit „Coolness“ zu tun. Die Sportler können so einfach auch ihre Augen zumindest teilweise geöffnet lassen. Die Sportler auf den Positionen 3 und 4 sind in der Regel auch immer die stärkeren, denn sie müssen von hinten für einen kraftvollen Antrieb sorgen, damit der Schlagmann es möglichst leicht hat, eine gute Schlagfrequenz vorzugeben. Daher sprechen wir hier auch gerne vom „Maschinenraum“ des Bootes.

Ein weiteres Indiz für die großen Kraftanforderungen im Kanurennsport ist der Fakt, dass man, um die Boots-Geschwindigkeit zu verdoppeln, das Vierfache an Kraft für den Vortrieb aufbringen muss. (2)

 

Die benötigten Kraftfähigkeiten

Um diese Anforderungen möglichst erfolgreich umsetzen zu können, benötigt der Sportler verschiedene Kraftfähigkeiten:

Maximalkraft

Schnellkraft

Kraftausdauer

 

Die jeweilige Bedeutung dieser Kraftfähigkeiten für die Leistungsfähigkeit des Kanuten hängt stark von der Streckenlänge ab, auf die der Sportler spezialisiert ist.

 

Bezug zur Streckenlänge

Je kürzer die Streckenlänge ist, desto wichtiger sind die Maximalkraft und die Schnellkraft. Mit der Länge der Strecke nimmt dann dementsprechend die Bedeutung der Kraftausdauer zu. Generell können wir allerdings der Maximalkraft und der Schnellkraft im Bereich der Kraftentwicklung eine besondere Bedeutung zusprechen. Der Maximalkraft schon allein deshalb, da sie die Basis für alle zu entwickelnden Kraftfähigkeiten bildet und somit unabdingbar für eine gute Schnellkraft- und Kraftausdauerentwicklung ist. Zudem stellen Maximal- und Schnellkraft grundlegende Komponenten für einen schnellen Start dar, der vor allem bei der Sprintdistanz, aber auch bei allen anderen Strecken von großer Bedeutung ist. Denn nur, wenn ich in der Lage bin, mein Boot möglichst schnell auf die maximale Geschwindigkeit zu beschleunigen, kann ich im Rennen mit um die Medaillenplätze kämpfen. Auch um einen Zwischenspurt oder Endspurt zu fahren, benötige ich hierfür große Maximalkraftfähigkeiten, um dem Boot den nötigen Vortrieb zu geben. Um über die Länge der Wettkampfdistanz möglichst durchgehend und konstant das Tempo aufrecht erhalten zu können, spielt dann aber logischerweise die Kraftausdauer unter den Kraftanforderungen die wichtigste Rolle.

Es gibt in der Literatur keine genauen Angaben dazu, welche Kraftfähigkeiten zu welchem Anteil auf den einzelnen Wettkampfstrecken von Bedeutung sind. Somit ist es auch schwer eine Aussage zu treffen, mit welchen Anteilen die Kraftkomponenten im Krafttraining ausgebildet werden sollten. Hier ist also unsere Erfahrung und Einschätzung gefragt – die des Trainers und Sportlers.

Was die Meinung zum Kraftausdauertraining angeht, so gibt es unter den Trainern zwei grobe Richtungen. Einige sehen hier eine wichtige Schlüsselfunktion auch im Krafttraining, mittels der wir das Stehvermögen über die Streckenlänge auch unspezifisch trainieren können. Andere wiederum sehen wegen der Unspezifik keine unbedingte Notwendigkeit für das Kraftausdauertraining. Was darauf bezogen wird, dass wir mit jeder einzelnen Paddeleinheit schon ein Kraftausdauertraining durchführen, wenn man sich die oben schon genannten Kraftbelastungen allein beim Grundlagenausdauertraining anschaut.

 

Manuel Matzka

 

Quellenangaben

1. http://www.focus.de/sport/mehrsport/kanu-wm-kanu-wm-brendel-mit-paddelbruch_aid_656570.html , Zugriff: 09.03.2012

2. Kahl et al. (2005). DKV-Rahmentrainingskonzeption; Duisburg: DKV-Wirtschafts- und Verlags GmbH

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Über den Autor

Manuel Matzka

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