Schusstraining

0

Man könnte meinen, gegen einen Ball zu treten sei die einfachste Sache der Welt. Aber wie John Shepherd erklärt, kommen kraftvolle, präzise Schüsse, bei denen sich der Schütze nicht verletzt, nicht zufällig zustande. Es bedarf der richtigen mentalen Methode, verbunden mit einer angemessen entwickelten Fertigkeit und physichen Konditionierung.

Haben Sie sich je gefragt, warum Sie 2 linke Füße zu haben scheinen oder warum Sie zu Oberschenkelzerrungen neigen, wenn es darum geht, einen Schuss auszuführen? Und wohin Sie schauen sollten, wenn Sie kurz davor sind, den Ball vom Elfmeterpunkt aus im Netz zu versenken? Die Schussfähigkeit sehen vwir als selbstverständlich an. Und doch gleicht sie allen anderen Fertigkeiten im Sport, insofern als sie ausgebaut und verbessert werden kann. Und wie andere Fertigkeiten im Sport setzt die Verbesserung die richtige mentale ebenso wie die richtige physische Methode voraus.

Den Kopf benutzen, um das Schießen zu verbessern

Mentaltraining kann eine entscheidende Rolle spielen, wenn es darum geht, die Schusstechnik zu verbessern. Eine der wichtigsten Trainingsmethoden ist die Visualisierung. Dabei lässt man die Ausführung einer sportlichen Fertigkeit im Kopf ablaufen. Damit diese Methode so effektiv wie möglich ist, sollte die Fertigkeit in Realgeschwindigkeit geübt werden. Eine Fertigkeit bei niedrigeren Geschwindigkeiten zu visualisieren kann sich nachteilig auswirken, da das Gehirn diese Fertigkeit bei einer nicht gerade optimalen Geschwindigkeit als Muster speichert – d.h. der Bewegungsapparat wird die Handlung besser ausführen, aber nur bei geringeren Geschwindigkeiten.

Wenn Sie sich eine Schussfertigkeit vergegenwärtigen, sollten Sie sich ein ruhiges Plätzchen suchen, sich entspannen und sie unter verschiedenen Bedingungen und bei unterschiedlichen Erschöpfungszuständen vor ihrem geistigen Auge ablaufen lassen. Ein erstklassiger Rugby-Torschütze könnte beispielsweise visualisieren, wie er den Ball zwischen den Pfosten von einer Position aus unterbringt, die er am wenigsten mag (sprich, auf der „falschen“ Seite der Torstangen), bei Wind und Regen, vor Millionen Fernsehzuschauern und gegen bestimmte Gegner.

Regelmäßige Visualisierung wird das Selbstvertrauen stärken und das Leistungsvermögen steigern, wenn es darum geht, wie man präzise Bälle spielt. Um die Visualisierung zu unterstützen, kann auch ein „Drehbuch“ verfasst werden. Dabei handelt es sich im Prinzip um eine Reihe von Anweisungen, die der Athlet wiederholt vor seinem geistigen Auge ablaufen lassen kann, während er sich vorstellt, wie er schießt.

Hier ist ein Beispiel, das verwendet werden könnte, um die Visualisierung im Kopf eines Elfmeterschützen zu unterstützen:

  • Ich werde den Ball ruhig und sicher auf den Punkt legen
  • Ich werde den Torhüter anschauen, um abzuschätzen, wo er steht, einatmen und mich umdrehen und 9 Schritte zurückgehen
  • Während ich dies mache, werde ich ausatmen und daran denken, wo ich den Ball platzieren werde
  • Ich werde innehalten, mich Richtung Tor umdrehen und dahin schauen, wo ich den Ball platzieren werde
  • Ich werde es vor mir sehen, wie der Ball dort ins Netz geht, wo ich ihn hinhaben will
  • Ich werde ein- und langsam ausatmen, bevor ich zu meinem Anlauf ansetze
  • Ich werde meinen Anlauf beginnen
  • Ich werde den Ball sauber mit dem Spann treffen und den Ball links vom Keeper mit Wucht unten in die Ecke platzieren
  • Ich werde nicht aufschauen, bevor der Ball nicht Richtung Tor unterwegs ist

Wie kriegt David Beckham seine angeschnittenen Bälle hin?

Der frühere Spielführer der englischen Nationalmannschaft ist einer der größten Spezialisten auf der Welt für ruhende Bälle. Er hat eine einzigartige Schusstechnik. Man erklärt diese mit einer besonderen Beschaffenheit des Unterschenkels, die es ihm ermöglicht, dem Ball mehr Effet zu geben, ihn zu schlenzen und ihn abzusenken. Seine Fähigkeit das Schussbein quasi um den Ball zu wickeln, wird dadurch ermöglicht, dass er anscheinend in der Lage ist, sein Standbein fast wie einen Stock zu beugen, während er schießt. Dadurch trifft er den Ball auf eine unnachahmliche Weise.

Was machen Sie also, wenn Sie nicht Beckhams Beine haben? Nun ja, Forschungen haben ergeben, dass der Anlaufwinkel beim Schuss einen signifikanten Einfluss auf die Biomechanik des Schießens hat (je größer der Winkel, desto größer die Fähigkeit, den Ball anzuschneiden, ihn abzusenken und ihn zu zirkeln.(1) Und es ist äußerst wichtig, sich vor dem Schuss zu entscheiden, wo der Ball hin soll. Ebenso entscheidend ist es, wohin und wie Sie schauen, wenn Sie den Ball treffen.

Japanische Forscher haben sich eingehend mit Letzterem beschäftigt. Untersuchungsgegenstand waren kurze und lange Bälle, getreten mit dem Spann.(2) Spieler wurden gebeten, ein Ziel anzuvisieren; die besten 3 Schützen formten die „Gruppe der treffsicheren Schützen“ („high-score-group“= HSG) und die 3 schlechtesten Schützen bildeten die „Gruppe mit einer geringen Trefferquote“ („low-score-group“ = LSG).

Die Analyse ergab:

Typisch für die HSG-Gruppe war, dass sie vor dem Schuss länger das Ziel anvisierten

Die Spieler der LSG-Gruppe verbrachten weniger Zeit damit, sich vor dem Schuss auf das Ziel zu konzentrieren

Die Spieler der HSG-Gruppe schauten länger nach unten, als sie schossen, und konzentrierten sich ganz besonders auf eine Stelle zwischen dem Ball und dem Ziel.

Diese Forschungen bestätigen die herkömmliche Überzeugung, dass es vorteilhaft sei, während des Schusses nicht auf das Ziel zu schauen. Stattdessen sollte man sich auf eine Stelle zwischen Ball und anvisiertem Schussziel konzentrieren.

Lieblingsschussbein versus Schussbein, das man nicht so gern benutzt

Die meisten von uns haben ein Bein, mit dem sie lieber schießen. Ein dänisches Forscherteam hat die möglichen biomechanischen Gründe dafür untersucht.(3) 7 gute Fußballer führten Standardsituationen bei maximaler Geschwindigkeit mit ihrem bevorzugten Bein aus und anschließend mit dem, mit dem sie weniger gern schiessen. Die Schüsse wurden mit Hochgeschwindigkeits-Videoaufnahmegeräten analysiert. Neben zahlreichen Variablen wurde die Geschwindigkeit der Kraftentwicklung in den Hüftflexoren und den Knieextensoren (Quadrizeps) mit einem Kraftmessgerät gemessen.

Es ist nicht verwunderlich, dass mit dem bevorzugten Schussbein höhere Ballgeschwindigkeiten erreicht wurden. Die Forscher führten das auf eine höhere Fußgeschwindigkeit beim Treffen des Balles zurück und auf ein folgerichtig „besseres intersegmentales Bewegungsmuster“ (d.h. eine problemlos ablaufende Ausführung des Schusses). Besonders hinsichtlich Muskelrekrutierung/Muskelaktion beim Fußaufsatz hing dies mit der Winkelgeschwindigkeit des Oberschenkels zusammen.

Eine Forschung, die sich damit beschäftigt hat, wie der Ball beim Australian Rules Football getroffen wird, unterstreicht, welche Bedeutung der Fertigkeit zukommt, den Ball mit dem einen wie mit dem anderen Fuß optimal zu treffen.(4) Die Forscher kamen zu folgendem Schluss: „Einen Ball mit einer gewissen Geschwindigkeit über eine bestimmte Entfernung zu spielen, hängt von der Geschwindigkeit des Schussbeins ab und davon wie gut der Fuß auf den Ball trifft – Qualitäten, die hauptsächlich von Fertigkeiten bestimmt werden.“

Jeder Fußballer, der erreichen will, dass er mit dem einen Bein so gut schießt wie mit dem anderen, sollte deshalb den Schwerpunkt auf die Fertigkeit legen und, um mal auf einen oft gebrauchten Ausdruck aus dem Coaching zurückzugreifen, das Mantra beherzigen, dass „perfektes Training zu perfekter Leistung führt.“ Und mit diesem Training sollte man schon früh beginnen – denn in den Lebensjahren zwischen 8 und 12 sind Körper und Geist sehr aufnahmefähig für das Erlernen motorischer Fähigkeiten.

Schusskonditionierung

In den meisten Sportarten verbessert sich die Leistung, wenn man Kraft und Schnellkraft verbessert. Gilt dasselbe also auch für das Fußballspielen?

Griechische Forscher untersuchten die Wirkungen eines Fußballkraft- und Technikprogramms auf die kinematische (Bewegung des Körpers/der Gliedmaßen) und elektromyographische (EMG), d.h. die natürliche elektrische (EMG) Muskelaktivität während eines Spannstoßes.(5) 10 Amateurfußballer bildeten die Testgruppe („experimental group“ = EG), während 10 andere Spieler als Kontrollgruppe dienten.

Die Testgruppe befolgte ein 10-wöchiges fußballspezifisches Trainingsprogramm. Dieses kombinierte Kraft- und Technikübungen. Alle Teilnehmer spielten einen Ball mit dem Spann, wobei sie sich eines zweischrittigen Vorgehens bedienten.

Die Forscher dokumentierten:

  • Kinematik anhand dreidimensionaler Daten
  • EMG-Messwerte von 6 Muskeln in den Schuss- und Standbeinen vor und nach den Trainingsprogrammen
  • Maximale isometrische Kraft an der Beinpresse
  • Leistung beim 10 m-Sprint
  • Maximalgeschwindigkeit auf einem Fahrrad-Ergometer

Die Forscher stellten fest: Verglichen mit denen in der Kontrollgruppe verbesserten sich die Probanden der Testgruppe deutlich hinsichtlich der maximalen Ballgeschwindigkeit und der Lineargeschwindigkeit des Fußes und Sprunggelenks und der Winkelgeschwindigkeit aller Gelenke während der abschließenden Schussphase (es ist früher schon festgestellt worden, dass höhere Fußgeschwindigkeit/Geschwindigkeit der Gliedmaßen zu längeren Bällen und kraftvolleren Schüssen führt).

Die Wirkung des Trainings auf die EMG-Werte war jedoch zu vernachlässigen, abgesehen von einer Erhöhung der durchschnittlichen EMG-Aktivität des Vastus medialis (Oberschenkelmuskel, der zur Beinstreckung beiträgt, d.h. zum Schießen). Außerdem hatten sich sowohl die isometrische Maximalkraft als auch die Sprintzeiten nach dem Training deutlich erhöht. Die Forscher schlussfolgerten daraus, dass „der Einsatz von Trainingsprogrammen, die auf fußballspezifische Kraftübungen zurückgreifen, besonders wirkungsvoll wäre, um die Schussleistung beim Fußball zu verbessern.“ Allerdings wird dies nicht von der gesamten Forschung untermauert.

Weitere Forschungen aus Dänemark beschäftigten sich eingehend mit 3 verschiedenen Trainingsprotokollen von 22 Spitzenfußballern.(8) 4 Gruppen wurden gebildet:

  • Eine Gruppe mit intensivem Widerstandstraining (HR), die 4 Sätze absolvierte, 8 Wiederholungen bei einer Belastung von 8 RM (Wiederholungsmaximum)
  • Eine Gruppe mit leichtem Widerstandstraining (LR), die 4 Sätze absolvierte, 24 Wiederholungen bei einer Belastung von 24 RM (Wiederholungsmaximum)
  • Eine Gruppe mit „erschwerten“ Schussbewegungen (LK), die 4 Sätze absolvierte, 16 Wiederholungen bei 16 RM (Wiederholungsmaximum) („erschwerte“ Schussübungen schließen jene ein, bei denen man elastische Schnüre – z. B. Bungee-Seile – benutzt, die, um den Fuß gewickelt, dafür sorgen, dass der Schuss gegen Widerstand ausgeführt wird)
  • Eine Kontrollgruppe (CO)

Als die höchste isokinetische – konzentrische – und exzentrische Kraft gemessen wurde, fanden die Forscher heraus, dass die isokinetische Kraft im Kniegelenk bei der LR-, LK- und der CO-Gruppe unverändert war. Bei der Spielergruppe mit dem Krafttraining (HR) stellte man eine größere Fähigkeit zur exzentrischen und konzentrischen Kraftgenerierung fest, wenn sie gegen den Ball traten. Trotz dieses anscheinenden Gewinns an Schusskraft, blieb die tatsächliche Schussleistung (geschätzt anhand der maximalen Fluggeschwindigkeit des Balles) davon unberührt – im Gegensatz zu den Ergebnissen des griechischen Forscherteams.

Diese Forscher kamen zu dem Schluss, dass nur das hochintensive Widerstands-Krafttraining eine Zunahme in der isokinetischen Muskelkraft bewirkte und dass der eigentliche Nutzen dieses Trainings wahrscheinlich eher in der Verletzungsprävention lag – besonders, weil während der schnellen Streck-(Schuss-) Bewegungen dem Kniegelenk Stabilität verliehen wird.

Demzufolge scheint es, als könnten erfahrene Fußballer von spezifischem Training profitieren, während die Auswirkungen für die Verbesserung der Schusskraft keine große Rolle zu spielen scheinen. Das Schwergewichtsprotokoll scheint wirklich einen Weg zu erhöhter Schnellkraft zu eröffnen, aber dies hat möglicherweise keinen direkten Einfluss darauf, wie weit man schießen kann. Das hängt mit den Besonderheiten der Ausführung des Schusses zusammen und mit den Anforderungen an eine ausgefeilte Technik. Es scheint deshalb so, dass (wie bei den meisten Sportfertigkeiten, die auf Technik beruhen) eine verbesserte Kraft ständig mit Technik Hand in Hand gehen muss, wenn sich dies in verbesserter Leistung niederschlagen soll.

Wie Sie Hamstring-Verletzungen vermeiden, die daraus resultieren, dass Sie gegen einen Ball treten

Diejenigen, die eine Sportart betreiben, bei der man gegen einen Ball tritt, neigen eher dazu, eine Hamstring-Verletzung (Oberschenkel(-muskel)-Verletzung) zu erleiden. Ein britisches Team fand heraus, dass die Häufigkeit von Hamstring-Verletzungen bei Spitzen-Rugbyspielern bei 0,27 pro 1000 Trainingsstunden des Spielers lag und bei 5,6 pro 1000 Stunden, in denen der Spieler ein Match bestritt.(9) Verletzungen führten durchschnittlich zu 17 Tagen, an denen der Spieler ausfiel. Dabei wogen ständig wiederkehrende Verletzungen (23 %) bedeutend schwerer (25 Tage Ausfall) als neue Verletzungen (14 Tage Ausfall).

Zweite-Reihe-Stürmer erlitten die wenigsten (2,4 Verletzungen pro 1000 Stunden) und die geringfügigsten Verletzungen im Spiel (7 Tage Ausfall). 69 % der Hamstring-Muskelverletzungen passierten beim Laufen; Verletzungen, die aus dem Treten eines Balls resultierten, waren jedoch die schwerwiegendsten (36 Tage Ausfall). Ähnlich relativ hohe Werte in Bezug auf Oberschenkelzerrungen sind bei Profifußballern festgestellt worden.(10)

In der Rugby-Studie stellte man fest, dass Spieler, die in ihren Konditionsprogrammen zusätzlich zu den herkömmlichen Dehn- und Kraftübungen Nordic-Hamstring-Übungen einbauten, weniger häufig und nicht so schwerwiegende Hamstring-Verletzungen während des Trainings und im Wettkampf erlitten.

Die Nordic-Hamstring-Übung entwickelt ganz speziell exzentrische Kraft in den Hamstring-Sehnen. Das ist wichtig. denn gerade während einer unter „einer Belastung nachgebenen“ exzentrischen Muskelaktionsphase von zahlreichen Tempo/Schnellkraftbewegungen, darunter Kicken, sind Hamstring-Verletzungen wahrscheinlicher. Tatsächlich haben Forscher geschätzt, dass 85 % der Energie beim Kicken und nach dem Fußaufsatz eine Folge der exzentrischen Aktion der Hamstring-Sehnen ist.(11)

Schlussfolgerungen

Bestimmte Konditionierungsmethoden scheinen kaum eine Rolle zu spielen (besonders für erfahrene Spieler). Intensives Widerstandstraining hingegen hat seine Befürworter und kann, was Verletzungsprävention angeht, nützlich sein – genauso wie exzentische Hamstring-Übungen. Allerdings scheint es so, als werde die Schussfertigkeit, wie genau man einen Ball spielt und wie weit man schießt, am meisten dadurch verbessert, dass man Übungen wiederholt und technisch einwandfrei durchführt – mit besonderem Augenmerk auf den Blickfokus. Darüber hinaus kann Mentaltraining auch sehr nützlich sein.

Quellenangaben:

1) Med Sci Sports Exerc 2004; 36 (6): 1017-23

2) Percept Mot Skills 2006; 102 (1): 147-156

3) J Sports Sci 2002; 20 (4): 293-9

4) J Sci Med Sport 2003; 6 (3): 266-74

5) Scand J Med Sci Sports 2006; 16 (2): 102-10

6) Scand J Med Sci Sports 2006; 16 (5): 334-44

7) J Sports Sci 2006; 24 (9): 951-60

8) Acta Physiol Scand 1996; 152 (2): 123-9

9) Am J Sports Med 2006; 34 (8): 1297-306. Epub 2006 Feb 21

10) Br J Sports Med 2004; 38 (6): 793

11) Am J Sports Med 1998; (6): 185-193

Teilen

About Author

Trainingsworld

Leave A Reply