Heute beschäftigen wir uns mit dem Posingtraining; einer ergänzenden Trainingsform, die vornehmlich im Bodybuilding Anwendung findet und (nicht nur) dort verschiedene Zielsetzungen verfolgt, auf die ich später noch eingehen werde.
Was ist eigentlich Posing?
Posing ist das bewusste Anspannen einzelner Muskeln oder Muskelgruppen. Physiologisch wird hier keine Arbeit verrichtet, da sich Ursprung und Ansatz der Muskulatur dabei nicht aneinander annähern. Wer aber schon einmal intensives Posing betrieben hat, der wird zumeist mit einem heftigsten Muskelkater am nächsten oder übernächsten Tag aufstehen und erlebt das Resultat dieser Trainingsform intensiv und nachhaltig; der Posingmuskelkater bleibt im Gedächtnis! Der Zeitrahmen, in dem sich Posing bewegt, liegt beim kurzen Anspannen der Muskulatur nach einem Trainingssatz im Krafttraining und kann sich im Extremen auf über 1 Stunde täglichen Posingtrainings in Vorbereitung auf einen Bodybuildingwettkampf steigern.
Posing für Einsteiger ins Kraft- und Bodybuildingtraining
Posing ist ideal dazu geeignet, beim ambitionierten, an Hypertrophie interessierten Trainingsanfänger das Muskelgefühl zu schulen (Sie brauchen ein Hypertrophietraining? Trainingssysteme – Best Off (Teil I)). Athleten und Athletinnen lernen dadurch Bewegungsabläufe wesentlich schneller. Durch das verbesserte Körpergefühl sinkt zudem die Anzahl ineffektiv durchgeführter Übungen, da schneller bemerkt wird, welche Übung bzw. welche Übungen den Zielmuskel aufgrund eigener anatomischer Besonderheiten nicht stimulieren und welche schon – Trainierende wählen schnell und effektiv individuell sinnvolle Isolationsübungen zusätzlich zu den Basisgrundübungen aus; ein Vorgang, den man bei 90 % der Studiobesucher nicht beobachten kann. Für absolute Neueinsteiger ist es empfehlenswert, in den ersten circa 10 Trainingstagen ausschließlich zu posen, statt an den Gewichten eingewiesen zu werden.
Posing für fortgeschrittene Sportler
Posing verliert niemals an Wert, das Gegenteil ist der Fall. Der Blick in den Spiegel dient nur begrenzt dazu, sich vor Außenstehenden zu präsentieren, sondern dazu, die eigenen Fortschritte sowohl während der Muskelaufbauphase als auch in der Wettkampfvorbereitung zu analysieren und das Muskelgefühl weiter zu verbessern.
Posing im Bodybuilding
Die Ziele des Posings im Bodybuilding lassen sich in primäre und sekundäre Zielsetzungen differenzieren.
Primäre Zielsetzungen des Posings im Bodybuilding
– Posing macht doppelt hart! Durch intensives Posing Off- und Onseason erhält die Muskulatur, durch eine Verminderung des unter der Haut gespeicherten Wassers, ein plastischeres Aussehen. Ebenso steigt die Belastbarkeit stark an; Posing härtet nicht nur physisch sondern auch psychisch ab.
– Mit einem individuell ausgesuchten Posingprogramm kann man eigene Stärken betonen und Schwachstellen in ihrer Sichtbarkeit für die Kampfrichter abschwächen.
– Posing führt zu einem enormen Kalorienverbrauch, ein in der Diätphase hoch geschätzter Effekt
– Durch Posingtraining können Bodybuilder und Bodybuilderinnen auf der Bühne ihre Muskulatur so lange wie gefordert kontrahiert präsentieren, ohne stark zu zittern
– Kurzes Anspannen der Muskulatur, z. B. am höchsten Punkt der Bewegung beim Bizepscurl mit der Langhantel, verhindert eine Entlastung des Zielmuskels und sorgt für kontinuierliche Spannung
Sekundäre Ziele des Posings im Bodybuilding
Eines der sekundären Ziele des Posings beim Bodybuilding scheint zu sein – so erscheint es dem Laien mit hoher Sicherheit beim Durchstöbern von Wettkampfberichten – die Betrachter abzustoßen. Für gewöhnlich findet man bei Wettkämpfen, neben den Athleten, die ihre (Posing-)Hausaufgaben gemacht haben, 3 Extremtypen, die ihr eigenes Posingprogramm scheinbar noch nie im Spiegel betrachtet haben:
Typ Nr. 1 mit dem „Monsterblick“
Sämtliche Gesichtsmuskeln sind maximal aggressiv verzerrt, auf dem Foto wirkt es, als ob der Athlet laut schreie; die Schulmedizin kann entsprechende Bilder in die Lehrbücher der inneren Medizin für verschiedene Erkrankungen des Darmes aufnehmen, die mit schmerzhaften Tenesmen einhergehen, oder als Beispiel für das Toben bei manifesten Tollwutinfektionen als Supplement zum Infektionsschutzgesetz. Da entsprechende Bilder in der Medizingeschichte Seltenheitswert besitzen, sind die Mediziner diesem Typ besonders dankbar.
Dem Gegenüber steht der Typ Nr. 2 mit dem „Grinsegesicht“
Die Augen sind weitestmöglich aufgerissen, dabei zieht sich ein übertrieben gekünsteltes Grinsen über das komplette Gesicht, bis hinauf zu den Augen. Auch hier bedankt sich wieder die Medizin, da man eine echte Fliegenpilzdrogenintoxikation bzw. das Risus sardonicus der Tetanusinfektion heute ebenfalls nur selten zu Gesicht bekommt.
Typ Nr. 3 mit maximal zitternden Muskeln
Ein intensives Posingtraining wurde in der Wettkampfvorbereitung nicht durchgeführt. Betreffende können die muskuläre Spannung nicht halten und zugleich nicht einschätzen, wie hart die Muskulatur bei den geforderten Posen kontrahiert werden muss, um einen sinnvollen Vergleich zwischen den Athleten zu ermöglichen. Ohne den Witz der beiden oberen Abschnitte zu weit treiben zu wollen, könnte man hier aber an eine schwere Hyerkaliämie denken; für Szenekenner und Rettungssanitäter eine nicht einmal ungewöhnliche Erscheinung bei einem Bodybuildingwettkampf.
Posing in der Rehabilitation
Bei einer, durch relative oder absolute Indikation erfolgten, Immobilisierung nach physischen Traumata steht das imaginäre, visuelle Training von Beginn der Heilmaßnahme an im Vordergrund. Nach Beendigung der Immobilisation (Entfernung von Gips, Schiene, Schraube, Draht etc.) geht es darum, Gelenke zunächst zu mobilisieren und danach zu kräftigen. Ein angemessenes Posingprogramm kann auch hierbei die Kraft der Muskulatur steigern und die Rehabilitation begünstigen, ähnlich wie isometrisches Training (= hohe Spannungen gegen nicht nachgebende Widerstände), sowie das reguläre, dynamische Training.
Im kommenden Teil werden wir uns konkret ansehen, wie Posing in das eigene Training integriert werden kann.
Denis Tengler
Quellenangabe:
1. Posing: Sinnloses Gepose oder wertvolles Trainingssupplement?