Im zweiten Teil der Interviews spricht Mathias Fischer, Headcoach der Telekom Baskets Bonn, darüber, wie wichtig Talent im Basketball ist, dass junge Spieler zu schnell zu viel wollen und warum es schwer ist, jungen Spielern in der Basketball-Bundesliga mehr Verantwortung zu übertragen.
trainingsworld: Wie bereiten Sie sich als Trainer auf ein Pflichtspiel vor?
Mathias Fischer: Jeder hat seinen eigenen Rhythmus. Ich muss morgens meinen Espresso trinken und gehe vor einem Spiel Spazieren oder Laufen. Meine Verlobte hilft mir sehr dabei auch mal abzuschalten und auf andere Gedanken zu kommen. Die gezielte Spielvorbereitung in der Woche sieht so aus, dass ich von jedem meiner Gegner mindestens zwei bis drei Spiele anschaue, um mir ein Bild machen. Das nimmt viel Zeit in Anspruch, aber ich möchte immer gut auf das nächste Spiel vorbereitet sein. Ich möchte keine zusammengestellten Clips von unseren Gegnern sehen, sondern ganze Spiele, um besser analysieren zu können, was die gegnerische Mannschaft in welcher Spielphase macht. Das bekommt man nur mit, wenn man die Spielentwicklung verfolgt. Zusätzlich schaue ich mir Spielstatistiken von dem anstehenden Gegner an, die ich von meinem Co-Trainer Carsten Pohl erhalte. Wir setzen uns dann gemeinsam hin, reden über den Gegner und erstellen eine Strategie.
trainingsworld: Wie beschreiben Sie Ihre Basketballphilosophie?
Mathias Fischer: Basketball ist nicht Talent. Basketball hat sehr viel mit Arbeit und Teamspirit zu tun. Neben dem Mannschaftsgefüge, das stimmen muss, um Erfolg zu haben, habe ich die Erfahrung gemacht, dass Spieler, die hart arbeiten, dafür belohnt werden und oben ankommen. Ich habe sehr viele Talente gesehen, die unglaubliche Athleten und Schützen waren, aber sie hatten nicht die Eigenschaft hart zu arbeiten. Die meisten von ihnen sind letzten Endes auch gescheitert. Ich persönlich schätze Spieler, die nie aufgeben, sich immer verbessern wollen und hart arbeiten.
Nowitzki, Rodman oder Kidd? Am liebsten alle drei!
trainingsworld: Welchen der drei Spielertypen in Topform würden Sie bevorzugen: Den harten Arbeiter Dennis Rodman, den intelligenten Spielmacher Jason Kidd oder den Allrounder mit Schussqualitäten Dirk Nowitzki?
Mathias Fischer: Das ist schwierig. Alle drei haben ihre individuellen Stärken und spielen auf verschiedenen Positionen. Am besten man hat alle drei Spielertypen in seinem Kader. Jason Kidd war in seiner besten Zeit ein exzellenter Verteidiger und intelligenter Aufbauspieler. Man kann ihn fast mit Jared Jordan vergleichen, weil beide auch immer ihre Mitspieler suchen und häufig zweistellige Assists verbuchen. Dirk Nowitzki ist ein sehr moderner Spieler, weil es kaum große Spieler gibt, die über solch einen genialen Wurf, wie er ihn hat, verfügen. Er kann das Spiel sehr gut lesen und behält in kritischen Situationen den Überblick. Dennis Rodman ist ein Arbeitstier. Er ist ein sehr limitierter Spieler, der alles über den Willen gemacht hat und der Erfolg gibt ihm Recht.
trainingsworld: An der Deutschen Sporthochschule Köln wurde die Sportlabs (Speicherung und Verarbeitung von Datenbanken) für den Profi-Fussball entwickelt. Wie weit ist man im Basketball?
Mathias Fischer: In Bonn sind wir noch nicht so weit. In der NBA, wo auch andere finanzielle Möglichkeiten vorliegen, wird sehr viel mit Datenbanken gearbeitet. Dort werden unglaublich große Datenmengen evaluiert. Die NBA-Trainer verfügen beispielsweise über Daten ihrer Gegner, die zeigen, wie viele Pick and Rolls rechts, wie viele Pick and Rolls links gespielt werden und welche Trefferquoten sich aus den jeweiligen Pick and Rolls ergeben. Diese Daten stehen den NBA-Teams alle zur Verfügung. Wenn es zu dieser Situation kommt, dann ist es für den Trainer einfacher, dass man einen Spieler, der von der linken Seite weniger trifft, forciert von der linken Seite schießen zu lassen. Diese Daten stehen uns aber leider nicht zur Verfügung. Einigen Bundesligateams stehen solche Daten teilweise zur Verfügung. Sie sind auf einem sehr hohen Level und haben bis zu fünf Co-Trainer und Spezialisten für Videoanalysen und Statistiken. Bei uns ist das Auge von meinem Assistenz-Trainer Carsten Pohl und mir gefragt. Wir müssen in den Spielanalysen erkennen, was die Spieler der gegnerischen Mannschaft können, was sie nicht können und was wir wegnehmen müssen.
Es ist nicht leicht, einem jungen Spieler Verantwortung zu übertragen
trainingsworld: Wird diese technische Entwicklung im Basketball stark vorangetrieben?
Mathias Fischer: Ja, es wird in dem Bereich viel investiert. Es gibt beispielsweise Anlagen, die mit Hilfe mehreren in der Halle installierten Kameras die Spieler und den Ball verfolgen und bereits während des Spiels Daten liefern. Der Trainer kann dann bereits in der Halbzeit auf eine Analyse des Gegners zurückgreifen.
trainingsworld: Lassen Sie uns über den Deutschen Basketball sprechen: Trotz des mageren Abschneidens der Deutschen Basketball Nationalmannschaft merkt man insgesamt eine positive Entwicklung. Wo steht der Deutsche Basketball Ihrer Meinung nach?
Mathias Fischer: Wir haben aktuell zwei junge Spieler, die den Sprung in die NBA geschafft haben. Elias Harris und Dennis Schröder haben kürzlich in der stärksten Liga der Welt debütiert. Wir haben auch viele sehr talentierte Spieler in der U18 und U20 Nationalmannschaft, denen noch die Erfahrungswerte auf Toplevel fehlt, die aber kommen werden. In anderen europäischen Topligen gibt es viele junge Spieler, die schon ihre Einsatzzeit in der Euroleague bekommen. Hier sind wir Trainer in der Bundesliga gefragt, aber es ist nicht leicht einem jungen Spieler Verantwortung zu übertragen.
trainingsworld: Das machen Sie doch, Sie fördern junge Talente. Kann man sich das im heutigen schnelllebigen Profibusiness überhaupt noch erlauben, nicht auf fertige Spieler zu setzen?
Mathias Fischer: Genau hier liegt die Herausforderung. Unsere Gesellschaft ist sehr schnelllebig. Als Trainer weiß man, dass man nach einer Niederlagenserie vielleicht gefeuert wird. Man muss sich also sehr gründlich überlegen, wann und wie ich einen jungen Spieler einsetze. Es ist immer diese Schere: Siege müssen her, auf der anderen Seite müssen junge Spieler gefördert werden. Das ist nicht immer einfach zusammenzubringen.
Junge Spieler möchten ihre Ziele viel zu schnell erreichen.
trainingsworld: Meine Recherche ergab, dass Sie u.a. Nationalspieler Philipp Schwethelm schon in jungen Jahre, bei den Köln 99ers, gefördert haben. Wie haben Sie das Talent und das Potential in jungen Jahren erkannt?
Mathias Fischer: Bei Philipp war es eine sehr spezielle Situation. Er war nicht der talentierteste Spieler, aber Philipp hat einen unglaublichen Willen gehabt und einen unglaublichen Support von seinen Eltern erfahren. Sie haben ihn vor der Schule zum Training gebracht und im Anschluss zur Schule gefahren. Nach der Schule hat er Krafttraining gemacht und nach der Trainingseinheit am Abend haben wir noch gemeinsam geworfen. Diese Mentalität haben nicht viele Spieler. Junge Spieler möchten ihre Ziele viel zu schnell erreichen. Da wird von Agenten irgendetwas suggeriert, schnell von der NBA gesprochen und nicht Step by Step gedacht und gearbeitet. Ich möchte noch erwähnen, dass nicht nur Philipp Schwethelm, sondern auch bei Tibor Pleiß, die beide in meiner Regionalligamannschaft gespielt haben, großes Glück durch die Insolvenz der Köln 99er hatten. Dadurch, dass durch die finanzielle Situation alle Amerikaner den Verein verlassen haben, musste man auf die deutschen Spieler notgedrungen zurückgreifen. Hierdurch kamen Philipp und Tibor in die glückliche Situation viel Spielzeit auf höchstem Niveau zu erhalten. Heute wissen wir, wo die beiden stehen. Tibor war dünn wie eine Fahnenstange. Philipp hat Ihn mit einem Arm bis auf die Dreipunkte-Linie rausgedrückt. Tibor ist richtig aufgebaut worden, hat sehr viel Krafttraining gemacht und jetzt sieht das anders aus.
trainingsworld: Wir bedanken uns für das nette Interview.
Lesen Sie auch Teil 1 des Interviews: Ziele definieren, hart dafür arbeiten und gemeinsam an die Ziele glauben
Mehr Infos zu Mathias Fischer: http://de.wikipedia.org/wiki/Mathias_Fischer