Basketball Techniktraining: Blocken und Abrollen (Pick and Roll) – nachgefragt bei Karsten Schul

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Darstellung einer spielnahen „Pick and Roll“-Situation

Der ballführende Spieler steht seinem Gegenspieler in der Nähe der Dreipunktelinie im Eins-gegen-Eins gegenüber. Neben der Option eines Passes, kann der ballführende Spieler nach einem Block seines Mitspielers gegen den ballverteidigenden Spieler, vorbeidribbeln und zum Korb ziehen. Bei einer guten Blocksetzung besteht für den ballführenden Spieler die Option, aus dem Dribbling zum offenen Wurf anzusetzen. Alternativ kann er den Ball zu dem abrollenden Blocksteller „durchstecken“ und dieser kann dann korbnah zum Korbabschluss durchbrechen.

 

trainingsworld:Karsten, als Du mir erzählt hast, dass Du Deine Diplomarbeit zum Thema „Pick and Roll“ geschrieben hast, kam mir sofort der Gedanke, dass Du bestimmt Probleme hattest, genügend Material für Deine Diplomarbeit zusammenzustellen. Ist dem so?

Karsten Schul: Zunächst einmal liegt meine Diplomarbeit nunmehr fünf Jahre zurück. Die Daten, die ich damals erhoben habe, können nur für die Saison 2006/2007 sprechen. Ich habe insgesamt 50 Bundesligaspiele auf Pick and Roll untersucht. Dabei wurden mehr als 1000 Pick and Roll-Angriffe untersucht. Für den theoretischen Teil meiner Arbeit habe ich mich vieler Internetquellen, sowie nationaler und internationaler Literatur bedient.

trainingsworld:Zu welcher grundlegenden Erkenntnis kamst Du in deiner Diplomarbeit?

Karsten Schul: Während der von mir untersuchten Saison konnte man ganz klar sehen, dass es große Unterschiede im Gebrauch des Pick and Rolls gab. Der Deutsche Meister spielte im Vergleich zu den beiden Absteigern insgesamt nicht nur viel mehr Pick and Roll, sondern auch viel erfolgreicher. Diese Aussage ist zwar nur auf diese Saison bezogen, zielt jedoch allgemein in die richtige Richtung und lässt ganz klar diese Tendenz erkennen.

Allgemein lässt sich sagen, dass Pick and Roll im letzten Jahrzehnt stark zugenommen hat. Aktuelle Zahlen aus der NBA zeigen, dass je nach NBA-Team zwischen 10 und 50 % aller Angriffe mit Pick and Roll abgeschlossen werden. Tony Parker, Aufbauspieler bei den San Antonio Spurs, schließt ca. die Hälfte seiner Angriffe mit Pick and Roll ab. Andere Mannschaften, beispielsweise die Los Angeles Lakers mit überragenden Einzelspielern wie Kobi Bryant, gehen mehr über Post-ups im 1-gegen-1. Im College-Basketball werden sogar zwischen 20 und 60 % aller Angriffe über Pick and Roll kreiert. Trotz allem ist es immer entscheidend, was für Spielermaterial einem Trainer zur Verfügung steht.

trainingsworld:Die beiden NBA-Allstars John Stockton und Karl Malone perfektionierten in den 90er Jahren das Pick and Roll. Wieso ist es so schwierig, es erfolgreich zu verteidigen?

Karsten Schul: Pick and Roll gilt allgemein unter allen Coaches anerkannt als das am schwersten zu verteidigende Angriffsmittel. Wenn ich dazu noch 2 Spieler habe, die das zur Perfektion betreiben, dann ist es umso schwieriger. Auch wenn ich keine Daten dazu habe, es ist offensichtlich, dass „Stockalone“ (A.d.R.: John Stockton und Karl Malone) das ständig und höchst erfolgreich gespielt haben. Das Einzige, was den beiden verwehrt blieb, ist der Gewinn der NBA-Meisterschaft, weil ein gewisser Michael Jordan zu dieser Zeit gespielt und die Liga dominiert hat.

trainingsworld:Liegt das Erfolgsrezept darin, einen extrem kräftigen Spieler und einen sehr schnellen und ballsicheren Spieler Pick and Roll spielen zu lassen?

Karsten Schul: Primär versucht man durch ein Pick and Roll zum Korb durchzubrechen und/oder eine Überzahlsituation zu schaffen. Das Erfolgsrezept liegt darin, auf der kleinen, sprich auf der ballführenden Position, einen technisch versierten Spieler zu haben, der am Ball sehr sicher ist, einen starken Zug zum Korb hat und darüber hinaus ein sehr guter Passgeber ist. Der Blockspieler ist in der Regel groß und kräftig und muss die Verteidigung gut lesen können. Er sollte mindestens eine technisch/taktische Waffe haben. Entweder sollte dieser Spieler über einen guten Mitteldistanzwurf verfügen, einen starken Zug zum Korb haben oder am besten natürlich beides. Diese Kombination macht Pick and Roll so erfolgreich und so schwer zu verteidigen.

trainingsworld:Wie kann man das Pick and Roll methodisch am besten vermitteln?

Karsten Schul: Jeder Coach hat dabei seine eigene Methode. Für mich ist es wichtig, egal was ich vermittle, dass ich sehr gezielt und detailliert arbeite. Dabei versuche ich sämtliche Fähigkeiten, ob technischer oder taktischer Art, auf kleine Stücke – mit sogenannten Breakdowndrills – runterzubrechen. Es wird häufig der Fehler begangen, dass man zu viel auf einmal lehren will. Viele junge Coaches sehen etwas Tolles in der NBA und wollen es einfach kopieren, was so nicht möglich ist. Beim Pick and Roll muss man sowohl den ballführenden Spieler als auch den blockstellenden Spieler speziell trainieren. Ich kann meinen Aufbauspieler und meinen Center nicht ohne vorheriges Training Pick and Roll spielen lassen. Der ballführende Spieler muss wissen, wann er wo und mit welcher Hand dribbelt und was seine Füße und seine Schutzhand im selben Moment machen. Der Blocksteller muss wissen, wo er den Block setzt und nicht nur wohin, sondern auch wann und wie er abrollt. Nach dem Prinzip der Teillernmethode bzw. Zergliederungsmethode trainiert man sehr stark Details und fängt dabei ganz vorne an. Wie setze ich die Füße? Wie setze ich das Dribbling? Ich trainiere alles nach und nach, bis ich alle Teile zusammensetze und die Spieler diese im 2-gegen-0 trainieren. Dann folgt das Gleiche im 2-gegen-1 und im 2-gegen-2 usw.

trainingsworld:Welche typischen Fehlerquellen beobachtest Du bei deinen Studenten im Unterricht?

Karsten Schul: Die größten Probleme haben die Studenten genau wie die Profispieler beim Spacing (Raumaufteilung) und beim Timing. Beim Spacing wird der Abstand zwischen Aufbauspieler und Blocksteller häufig entweder zu groß oder zu eng gewählt. Bezüglich des Timings wird häufig zu früh abgerollt, der Block zu spät gesetzt oder aber der Dribbler startet zu früh, bevor der Block überhaupt steht.

Im Gegensatz zu Vereinsspielern sind meine Studenten natürlich technisch limitiert. Ich habe keinen Jared Jordan (A.d.R.: Aufbauspieler der Telekom Baskets Bonn) in meinen Kursen. Die Studenten haben schon Schwierigkeiten, richtig um den Block herumzukommen oder diesen richtig zu nutzen. Auf der anderen Seite haben die Blocksteller genug Probleme, den Block ohne Foul zu setzen und sich zum richtigen Zeitpunkt auf die richtige Art und Weise zum richtigen Ort abzusetzen.

Im Prinzip machen meine Studenten dieselben Fehler, die auch die Profis machen. Allerdings sind die Voraussetzungen natürlich ganz andere, weil sie sich auf einem niedrigeren technischen und taktischen Niveau befinden. Dadurch haben sie allgemein größere Schwierigkeiten.

trainingsworld:Wo liegen Deiner Meinung nach die Grenzen bzw. wie kann man Pick and Roll am Besten verteidigen?

Karsten Schul: Es gibt viele verschiedene Arten Pick and Roll zu verteidigen. Wir haben mehr als 10 unterschiedliche Formen der Pick and Roll-Verteidigung an der DSHS Köln zusammengeschrieben. Jeder Trainer hat seine eigene Philosophie, und diese kann man nicht jedes Spiel umstellen. Man sollte stets seinen Prinzipien folgen. Wenn ich die Philosophie verfolge „über den Block“ zu gehen, dann sollte ich mich auch auf diese Verteidigungsform konzentrieren.

 

Über den Block gehen:

Der ballverteidigende Spieler versucht sich nicht wegblocken zu lassen, über den Block zu kämpfen und nah am ballführenden Spieler dranzubleiben.

Unter den Block gehen:

Der ballverteidigende Spieler weicht dem Block kurz aus bzw. umläuft den Block, um den ballführenden anschließend wieder aufzunehmen

 

Pick and Roll kann hard (aggressiv) oder soft verteidigt werden. Je nachdem welches Prinzip ich verfolge, muss ich meine Verteidigung entsprechend ausrichten. Da macht es wenig Sinn, jedes Mal hin und her zu switchen. Es ist natürlich auch abhängig vom Spielermaterial, das einem Trainer zur Verfügung steht. Wenn meine erste Verteidigung nicht funktioniert, sollte ich noch einen Plan B in der Tasche haben.

trainingsworld:Welche Literatur kannst Du unseren Lesern zur Vertiefung des Themas empfehlen?

Karsten Schul: Ich empfehle von Herb Brown “Let´s Talk Defense!” und von Hubie Brown “NBA Coaches Playbook – Techniques, Tactics, and Teaching Points”.

trainingsworld:Ich bedanke mich für das nette Gespräch!

 

Ramy Azrak

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