Moderner Lebensstil und metabolische Folgen

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Lesen Sie im Folgenden über die physiologischen Vorgänge in der Entstehung des metabolischen Syndroms und dessen Folgeerkrankungen sowie die Möglichkeiten, die durch eine modifizierte Ernährungsweise für Sie entstehen.

Mehr als die Hälfte der erwachsenen Bevölkerung in Mitteleuropa ist übergewichtig (Daten von 2010). Dies ist das Ergebnis eines modernen Lebensstils mit einem Überangebot an Nahrung und ohne Notwendigkeit, körperlich aktiv zu sein. Gewichtsprobleme bleiben jedoch nicht ohne Folgen in der Gesundheit – Folgen, die sich nicht direkt bemerkbar machen. Eine Reihe von ernährungsbedingten Stoffwechselstörungen manifestieren sich schleichend – und das über Jahrzehnte. Bewegung und Ernährungsmodifikationen übernehmen hier die Schlüsselfunktion in Prävention und Therapie.

Übergewicht entsteht, so weiß jeder, wenn die Energiezufuhr höher ist als der Energieverbrauch. Wenig Bewegung, eine geringe Muskelmasse, warme Kleidung, niedrige Nahrungspreise, große Portionen, eine hohe Energiedichte der Nahrung, geringe sättigende Wirkung unserer Mahlzeiten, bedenkliche Nahrungsinhaltsstoffe und klimatisierte Häuser tragen zu einer positiven Energiebilanz bei. Wussten Sie, dass schon 20 kcal zu viel pro Tag zu einer Gewichtszunahme von einem Kilo pro Jahr führen? Rechnet man diesen kleinen Wert auf 15–20 Jahre hoch, so entsteht eine beachtliche Gewichtszunahme. Doch nicht jeder, der ein paar Pfund zu viel wiegt, erleidet automatisch gravierende Stoffwechselstörungen und nicht jeder, der schlank ist, kann sich in Sicherheit wägen… Denn, beim Körperfett unterscheidet man zwischen dem stoffwechselaktiveren, gesundheitlich ungünstigeren viszeralen Fettgewebe und dem gesünderen Oberschenkel- und Po-Fettgewebe. Die viszerale Fettmasse korreliert besonders eng mit kardiovaskulären Risikofaktoren und Komplikationen, da dort Hormone produziert werden, die Entzündungen fördern und den Organismus ungünstig beeinflussen. Menschen mit einer sogenannten „Birnen“-Körperform und einigen Kilos zu viel können durchaus einen sehr intakten Kohlenhydrat- und Fettstoffwechsel haben. Andersherum gibt es Personen, laut Studien ca. 15 % der deutschen Bevölkerung, die schlank und trotzdem insulinresistent sind (sogenannte TOFIs). Menschen, die „thin outside, fat inside“ sind, verfügen über verfettete Organe und zumeist eine Fettleber. Ihr geringer subkutaner Körperfettgehalt lässt sie nach außen hin schlank und gesund erscheinen. Nicht außer Acht gelassen werden darf, dass Lichtmangel, Stress, unsere Genetik, Schlafmangel, das Alter und Medikamente zu Übergewicht und schlechtem Bauchfett nicht unwesentlich beitragen können.(1,2)

 

Kohlenhydrate – die wahren Übeltäter?

Kohlenhydrate (KH) werden häufig als der zentrale Treibstoff für unseren Körper bezeichnet. Sie liefern dem Organismus im Vergleich zu den Fetten mehr Energie pro Zeiteinheit und sind für Sportler und Menschen mit körperlich anstrengenden Berufen von zentraler Bedeutung. Für sehr viele Deutsche jedoch spielen sie für einen gesunden vitalen Organismus eine eher bescheidene Rolle. Dennoch werden sie gerne im Übermaß verzehrt! Und was noch viel gravierender ist: Laut aktuellen Ernährungsempfehlungen der DGE (Deutsche Gesellschaft für Ernährung e.V.) sollen sie sogar reichlich gegessen werden. Aber warum?

Sie haben mit 4 kcal/g weniger Kalorien als Fette. Aber: Eiweiße haben auch nur 4 kcal/g. Vollkorn liefert viele Ballaststoffe, nämlich bei zwei Scheiben ca. 8 g. Aber: Gemüse liefert ebenfalls viele Ballaststoffe, nämlich in 200 g ca. 7 g. KH sind nährstoffreich. Ja, aber im Falle von Eisen beispielsweise ist die Aufnahme aus KH weitaus schlechter als aus Fleisch. Sie sind die besten Energielieferanten. Was einem nichts nützt wenn man sich nicht bewegt. Sie sind schnell, bequem verfügbar (Backwaren, Pizza, Burger, Pommes, Müsli, Süßigkeiten…) und sättigen gut. Aber leider nur kurzfristig. Und genau das ist eines der größten Probleme: Kohlenhydrate machen hungrig. Wenn Sie beispielsweise ein Toastbrot mit Marmelade essen, gelangen die enthaltenen KH recht schnell ins Blut. Der Blutzuckerspiegel steigt bei solch hochglykämischen KH sehr schnell an, worauf die Bauchspeicheldrüse mit einer gesteigerten Insulinproduktion versucht, den Blutzuckerspiegel wieder auf das Ausgangslevel zu senken. Dieser sinkt jedoch unterhalb des Ausgangswerts und es kommt zu einer subjektiv empfundenen Unterzuckerung, die als Heißhunger wahrgenommen wird. Um aus dieser Situation herauszukommen, greift man schnell erneut zu KH. Im Resultat isst man überproportional viel und versorgt den Körper mit überschüssiger Energie, die in Fett umgewandelt und gespeichert wird. Wird zudem eine Lebensmittelauswahl mit hoher Energiedichte konsumiert, sind überschüssige Pfunde vorprogrammiert. Ein Teufelskreis, dem es zu entrinnen gilt.(3)

 

Hyperinsulinämie und Insulinresistenz als Risikofaktor

Der Organismus benötigt also viel Insulin, um die hohen Blutzuckerschwankungen abzufangen. Er produziert ständig Insulin. Mit der Zeit wird immer mehr Insulin benötigt, um die Glukose in die Zellen zu schleusen. Dies wiederum führt langfristig zu einem dauerhaft erhöhten Insulinspiegel, der Hyperinsulinämie. Eine Hyperinsulinämie besteht oft Jahre lang ohne bemerkt oder vom behandelnden Arzt aufgedeckt zu werden. Orale Blutzuckerbelastungstests messen, ob die Kohlenhydrataufnahme in die Zellen zeitlich korrekt funktioniert. Zumeist wird jedoch der Insulinspiegel parallel nicht mitgemessen, um eine mögliche Insulinüberproduktion festzustellen. Diese Stoffwechselsituation allein birgt schon gesundheitliche Beeinträchtigungen. So kommt es zu Funktionsstörungen von weniger insulinresistenten Organen, wie zum Beispiel einer gesteigerten Lipideinlagerung in Herz (Verfettung des Herzmuskels) und Leber (Nichtalkoholinduzierte Fettleber) oder einer gehemmten Harnsäureausscheidung der Niere mit der Folge einer Gichterkrankung. Hyperinsulinämie und Insulinresistenz bedingen sich gegenseitig negativ. So wird die Insulinresistenz nicht umsonst als Basis der Zivilisationskrankheiten bezeichnet. Bluthochdruck, Fettstoffwechselstörungen, Hyperurikämie und Hyperglykämie können unter anderem die Folge sein. Sie sind alle Merkmale des sogenannten Metabolischen Syndroms – ein Risikokomplex für Diabetes Mellitus Typ 2, Arteriosklerose, Gicht, der koronaren Herzkrankheit… etc. Lassen Sie es nicht so weit kommen!(3)

 

Bewegung hilft

Wenn Sie Ihren Kohlenhydratkonsum nicht einschränken wollen, gibt es eine gute Nachricht: Bewegung hilft. Während körperlicher Aktivität wird Glukose ohne Insulin in die Körperzellen geschleust und dort verstoffwechselt. Außerdem erhöht körperliche Aktivität die Insulinsensitivität der Zellen. Dieser Effekt wirkt auch noch einige Stunden nach der Belastung. Aber auch eine ernährungsphysiologisch sinnvolle Ernährungsmodifikation kann viel bewirken. Um den Stoffwechsel zu entlasten ist es sinnvoll, die Anteile der Hauptnährstoffe in der Ernährung zugunsten der Fette und Eiweiße zu verschieben. Wenn 20–30 % der gesamten aufgenommen Energie aus Kohlenhydraten stammen, ist dies für die meisten Menschen völlig ausreichend. Dies impliziert eine Ernährungsform zur Förderung niedriger Blutzucker- und Insulinwerte. Schlüssel zum Erfolg stellen hier große Nahrungsvolumen mit niedriger Energiedichte und hoher Nährstoffdichte dar, gemischt mit sättigendem Eiweiß und wertvollem Fett. Große Nahrungsvolumen führen zu einer entsprechenden Magendehnung und Ausschüttung von Sättigungssignalen. Ein guter Ballaststoffanteil und das enthaltene Eiweiß sättigen lang anhaltend. Eiweiß kurbelt zudem den Stoffwechsel an und beugt Muskelabbau vor. Eine gute Fettqualität wirkt sich wiederum positiv auf den Cholesterinspiegel und die anderen Blutfette aus. Die dadurch verhinderten Blutzucker- und Insulinspitzen sind gut für die Bauchspeicheldrüse und gefäßschonend.(4)

 

Praxistipps(4)

– Die Basis Ihrer Ernährung sollten immer wasserreiche Lebensmittel darstellen. Essen Sie viel und zu jeder Mahlzeit zuckerarmes Obst und stärkefreies Gemüse. Das Volumen wasserreicher Nahrungsmittel sättigt gut.

– Hochwertige Öle sollten großzügig in die Mahlzeiten integriert werden.

– Kombinieren Sie dazu immer hochwertige Eiweißquellen wie Fleisch, Fisch, Milch und Milchprodukte, Hülsenfrüchte, Nüsse, Käse und Eier.

– Vollkornprodukte, Nudeln, brauner Reis, Mais und Kartoffeln sollten nur in Maßen verzehrt werden.

– Weißmehlprodukte wie Weißbrot und Brötchen, Süßwaren und gesüßte Erfrischungsgetränke fördern den Hunger auf weitere Kohlenhydrate und sollten nur selten verzehrt werden. (Lesen Sie auch: Wie leicht ist „light“?)

 

Fazit

Der menschliche Organismus ist optimal ausgerichtet auf Belastung und Bewegung. Zivilisationsbedingt nimmt der Anteil der Zeit mit körperlicher Belastung ab. Gleichzeitig wirkt das Ernährungsverhalten mit stark zuckerhaltigen Nahrungsmitteln und einer kohlenhydratreichen Gesamtnahrungszusammensetzung negativ auf Ihre Gesundheit. Neben dem regelmäßigen Sporttreiben kann insbesondere das Ernährungsverhalten helfen Zivilisationskrankheiten wie das metabolisches Syndrom zu vermeiden oder gar vorhandene Einschränkungen wieder zu beheben. Kohlenhydrate aus Vollkornprodukten sollten nur in Maßen verzehrt werden, Weißmehl und Zucker möglichst gemieden werden. Hochwertige Öle hingegen können gerne aufgenommen werden. Insgesamt zeichnet sich in der Ernährungswissenschaft ab, dass eine Neubewertung der Nahrungszusammensetzung wichtig zu sein scheint. Neben der Ernährung ist die körperliche Bewegung ein weiterer wichtiger Baustein im Fundament eines gesunden Lebens! Aus unseren Praxistipps können Sie Regeln für Ihren Alltag ableiten. So optimieren Sie Ihre Nahrungszusammensetzung und Ihr Körper wird es Ihnen danken.

 

Hanna Sandig

 

Literaturangaben:

1. Raschka (2006), Leitfaden der modernen, vergleichenden Sportanthropologie, Sportanthropometrie und trainingsrelevanten Konstitutionstypen. Köln: Sportverlag Strauß.

2. Schweizer Zeitschrift für Ernährugnsmedizin (2007), Bd. 5 (2), S. 20–24.

3. Schweizer Zeitschrift für Ernährungsmedizin (2009), Bd. 7 (3), S. 43–46. 4 Mangiameli (2010), Die LOGI-Akademie. LOGI lehren – LOGI verstehen. Lünen: systemed Verlag.

 

Fachsprache 

Viszerales Fettgewebe – auch intra abdominales Fettgewebe genannt, bezeichnet das Fett im Bauchraum um die inneren Organe herum

Insulinresistenz – Als Insulinresistenz wird die herabgesetzte Fähigkeit der Körperzellen bezeichnet, auf Insulin so zu reagieren, dass Glukose aus der Blutbahn in die peripheren Zellen gelangen kann und somit der Blutzuckerspiegel sinkt; vor allem die Muskulatur, die Leber und das Fettgewebe reagieren weniger empfindlich gegenüber dem Hormon Insulin

Subkutanes Fettgewebe – bezeichnet das Unterhautfettgewebe

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