Die Vor- und Nachteile von Sportdrinks

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Was ist dran an der „Sportdrink-Regel“: „Trinken Sie Sportgetränke wenn Sie 1 Stunde oder länger trainieren“? Sollte man sich daran halten, und wenn ja unter welchen Umständen, oder ist diese Faustregel veraltet?

Inzwischen kennen Sie die allgemein bekannte Sportdrink-Geschichte. Wenn Sie ohne Unterbrechung eine Stunde oder länger trainieren wollen, wird Ihnen der Konsum eines Sportdrinks zu besseren Leistungen verhelfen. 283 g eines Drinks 10 Minuten vor Trainingsbeginn – und anschließend 141 g bis 170 g (in regelmäßigen Schlucken) alle 15 Minuten während des Trainings – versorgen Sie ausreichend mit Flüssigkeit und Ihre Muskeln mit genügend Kohlenhydraten. Dadurch können Sie die Trainingsintensität halten, selbst wenn das Glykogen in Ihren Beinmuskeln abnimmt.

Dieser Schwellenwert von 1 Stunde ist – bis jetzt – eine relativ feste Grenze. Wenn Sie weniger als 1 Stunde trainieren, sinkt das Glykogen in Ihren Muskeln nicht so stark ab, dass Sie die Kohlenhydrate eines Sportdrinks brauchen. Trainieren oder laufen Sie über 1 Stunde, können die Kohlenhydrate in einem Sportdrink eine willkommene Quelle für zusätzlichen Brennstoff sein. Was könnte einfacher zu merken sein?

Sie müssen jedoch bedenken, dass diese Sportdrink-Regel nicht die Art Training berücksichtigt, die tatsächlich absolviert wird. Das mag einigen Sportlern ein wenig seltsam erscheinen. Eigentlich wird das Glykogen in den Beinmuskeln beim Laufen, Rad fahren oder Schwimmen mit hoher Intensität in beträchtlich höherem Maße verbrannt, als bei einem einfachen leichten Training. Und doch würden Sie in beiden Fällen nicht nach der Flasche mit dem Sportdrink greifen, wenn Sie nicht 60 Minuten oder länger trainieren.

Im Grunde genommen schafft die 60-Minuten-Regel eine in gewisser Weise paradoxe Situation: wenn Sie ungefähr 70 Minuten relativ gemäßigt trainieren wollen, würden Sie einen Sportdrink zu sich nehmen, obwohl Ihre Beinmuskeln zu Ende des Trainings noch reich mit Glykogen versorgt sein dürften. Andererseits würden Sie bei einem intensiven Training von 50 bis 55 Minuten keinen Sportdrink zu sich nehmen. Ihr Glykogenwert hingegen könnte sich jedoch auf Grund der Trainingsintensität und des daraus resultierend höheren Glykogenabbaus am Ende des Trainings in signifikanter Nähe der Erschöpfungsgrenze bewegen (d. h. nahe genug, um sie langsamer werden zu lassen).


Sportdrinks während der Intervalle?

Darüber hinaus haben sich viele Trainingswissenschaftler gefragt, wie es mit den Intervall-Workouts aussieht. Nehmen wir an Sie absolvieren z. B. eine Reihe von 1.200–1.600 Meter Intervallen in halsbrecherischem Tempo (und verbrennen somit Glykogen in großen Mengen), zwischen den Intervallen Joggen Sie (wobei Sie noch mehr Glykogen verbrennen), und rechnen nun Ihren Gesamtkohlenhydratverbrauch während der Intervalle und der Erholungsphasen zu der Glykogenausschüttung während Ihres 3,2–4,8 km Aufwärmens hinzu. Es ist es vorstellbar, dass Sie nach 45 Minuten (oder weniger) auf Grund der reduzierten Glykogenkonzentrationen in den Muskeln sehr müde werden könnten. Würde es Ihnen nun der Konsum eines Sportdrinks ermöglichen, die letzten Intervalle Ihres Workouts qualitativ ebenso hochwertig zu gestalten wie die ersten, einfach durch die Tatsache, dass Ihre Beinmuskeln mehr Brennstoff zur Verfügung hätten? Können Sportdrinks Ihnen auch helfen, wenn Sie eine hohe Anzahl wiederholter Bergauf- bzw. Bergabläufe ausführen? Oder wenn Sie verschiedene geschwindigkeitsintensive Rundparcours absolvieren? Oder eignen sich Sportdrinks lediglich für ein ununterbrochenes, ausgedehntes Training?

Erfreulicherweise helfen einige neuere Forschungen diese Fragen zu beantworten. Für eine an der University of South Carolina durchgeführten Untersuchung ließen Wissenschaftler 7 körperlich aktive Frauen und 9 körperlich aktive Männer an 2 harten Intervall-Workouts teilnehmen. In einem Fall konsumierten sie dabei einen Sportdrink und im anderen einen Placebo-Drink. Dieser bestand aus aromatisiertem Wasser, das wie ein Sportdrink schmeckte, aber keine Kohlenhydrate enthielt.

Das Workout verlief wie folgt: die Testpersonen wärmten sich 5 Minuten leicht auf Trainingsrädern auf (bei ungefähr 70 % VO2max) und wechselten dann zwischen Trainingsintervallen von 1 Minute nahe der maximalen Intensität (120–130 % VO2 max) und 3-minütigen Erholungsintervallen. Die Herzfrequenz erhöhte sich während der Trainingsintervalle auf 175–182 Schläge pro Minute, ging jedoch während der Erholungsphasen wieder auf 120–132 Schläge zurück. Alle 20 Minuten während der Trainingseinheit nahmen die Sportler 198–255 g Gatorade oder (bei einem anderen Testdurchgang) den Placebo-Drink zu sich, der nicht von Gatorade zu unterscheiden war, aber keine Kohlenhydrate enthielt. Die Teilnehmer durften mit dem Training fortfahren, bis sie während eines 1-minütigen Trainingsintervalls die geforderte Intensität von 120–130 % VO2max nicht mehr halten konnten (oder bis sie auf Grund von starker Ermüdung die Übung freiwillig beendeten).

 

Hat Gatorade geholfen?

Durch Gatorade konnte die Qualität der Workouts beträchtlich gesteigert werden. Mit dem Placebo konnten die Männer und Frauen nur 14 1-minütige Workouts absolvieren, bevor sie müde wurden. Doch mit Gatorade schafften die Männer 22 hochwertige Intervalle, die Frauen 21! Nicht weiter überraschend berichteten die Teilnehmer nach dem Konsum des Sportdrinks von einem geringeren Ausmaß an gefühlter Erschöpfung. Die Intervalle wurden von Ihnen, obwohl sie in beiden Test-Fällen bei gleicher Intensität und Herzfrequenz absolviert wurden, nach dem Konsum der Sportdrinks als bedeutend leichter empfunden. Um es schlicht und einfach auszudrücken, verhalfen die Sportdrinks den Sportlern zu einem besseren Workout, das einen größeren Anteil intensiven Trainings beeinhaltete.

Trifft das nur für das Rad fahren zu oder helfen Sportdrinks auch Läufern, die ein Intervall-Training absolvieren? An der University of Loughborough in Großbritannien wurde separat eine weitere Studie durchgeführt. Die dort getesteten Läufer, die einen Sportdrink zu sich genommen hatten, konnten ihre Leistung während eines Intervall-Workouts im Vergleich zum Konsum eines Placebos um 33 % steigern. Einer der an dieser Studie arbeitenden Wissenschaftler war der ehrwürdige Clyde Williams. Er hat während seiner wissenschaftlichen Laufbahn einen wesentlichen Beitrag zu unserem Verständnis des angemessenen Einsatzes von Sportdrinks während des Trainings und zur optimalen Aufnahme von Kohlenhydraten während des Hochleistungstrainings geleistet.

Ein sehr schöner Aspekt der Studie aus South Carolina war die Einbeziehung von Frauen, die unverschämterweise regelmäßig von vielen Forschungen der Trainingslehre ausgeschlossen werden. Diverse Studien lassen darauf schließen, dass Frauen im Vergleich zu Männern während der Workouts mehr Fett und weniger Kohlenhydrate verbrennen, sodass man erwarten würde, dass Frauen während des Trainings weniger Bedarf an Sportdrinks haben. Wären sie wirklich weniger auf Kohlenhydrate angewiesen, würden sie während der Kraftanstrengung selbstverständlich weniger von den Kohlenhydraten in einem Sportdrink profitieren, im Vergleich zum Konsum eines Placebos oder einfachen Wassers. Die Verbesserungen in der Leistung waren jedoch bei den Sportlerinnen mit denen der Sportler identisch und lassen darauf schließen, dass Frauen von dem Konsum von Sportdrinks ebenso profitieren wie Männer.

 

Achterbahn Glukose?

Immer noch hört man regelmäßig, dass der Konsum von Sportdrinks zu beträchtlichen Schwankungen der Blutglykose und des Insulins während des Trainings führt. Darunter könnte die Leistung möglicherweise leiden. Diese Ablehnung ignoriert jedoch die einfache Tatsache, dass dieser Achterbahn-Effekt vom Trainingsprozess selbst abgemildert wird. Die Wahrheit ist die, dass Sie sich beim Laufen, Rad fahren oder Schwimmen in der Regel über die Schwankungen von Glukose und Insulin keine Gedanken machen müssen. Zu beachten ist lediglich, dass Sie bei einer massiven Kohlenhydratzufuhr 60–75 Minuten vor Trainingsbeginn damit rechnen müssen, dass Ihre Blutglukose bei Trainingsbeginn einen Tiefpunkt erreicht hat. Deshalb ist es ratsam, dass Sie Ihre Mahlzeit vor einem Rennen oder dem Workout schon einige Stunden vor Trainingsbeginn zu sich nehmen – und die erste Portion des Sportdrinks bereits 10 Minuten vor Beginn des Trainings trinken. Wenn Sie das tun, brauchen Sie sich über einen sinkenden Glukosespiegel keine Sorgen zu machen.

Gelegentlich hört man auch – vor allem von den Vertretern der 40–30–30 Zonen Diät oder ähnlicher ernährungstechnischer Kuriositäten –, dass Insulin schlecht für Ausdauersportler sei (angeblich auf Grund seiner bremsenden Wirkung auf den Fettstoffwechsel). Die Insulinspiegel in der Studie aus South Carolina lagen jedoch dann am höchsten, wenn die Sportler Sportdrinks und keine Placebos konsumiert hatten. Und natürlich waren genau das auch die Momente, bei denen sie die besten Leistungen erbrachten.

 

Und was ist die Quintessenz?

Der Konsum von Sportdrinks kann sowohl während Intervall-Workouts, als auch während eines verlängerten, nicht unterbrochenen Trainings von Nutzen sein. Bei Intervalleinheiten kann in hohen Mengen Glykogen verbrannt werden. Und selbst wenn das Muskelglykogen nicht in gleichem Ausmaß abgebaut wird wie bei einem verlängerten Training, kann doch in den schnell zuckenden Muskelfasern viel Glykogen verbraucht werden, was zu einem vorzeitigen Ende eines Workouts führen kann (oder zu der Unfähigkeit, die letzten Intervalle eines Workouts mit der geplanten Intensität zu beenden). Der Gedanke dahinter ist der, dass die Glykogenspiegel der Muskeln insgesamt zwar in einem ziemlich guten Zustand sein mögen. Trotzdem können Sie nicht so intensiv trainieren, wie Sie das gerne möchten, wenn die schnell zuckenden Muskeln nicht genügend Brennstoff haben.

Außerdem können die hohen Blutglukosespiegel, die aus dem Konsum von Sportdrinks herrühren, die Müdigkeit während solcher Trainingseinheiten verringern, selbst wenn die Verringerung des Glykogens keiner der Hauptgründe für Müdigkeit während Intervalleinheiten ist. Sportdrinks können darüber hinaus das Blutvolumen aufrechterhalten und die Dehydration verzögern, sodass viele Gründe für den Konsum von Sportdrinks während Ihres Intervall-Trainings sprechen und nur wenige dagegen. (Das Hauptproblem dürften hier Magenbeschwerden in Verbindung mit dem Konsum von Sportdrinks sein. Doch selbst wenn diese auftreten sollten, werden sie mit der Zeit nachlassen, sobald Sie sich an den Konsum von Sportdrinks gewöhnt haben).

Ich empfehle den Konsum von ungefähr 141–283 g eines Sportdrinks wie Gatorade vor Ihren Intervall-Workouts, Bergauf- bzw. Bergabläufen und Schnellkraft-Runden. Dazu nehmen Sie ungefähr 5 normale Schlucke, alle 15 Minuten während des Trainings. Wenn Sie sich daran halten, stehen die Chancen gut, dass Ihre Beine und Ihre Workout-Protokolle einen höheren Leistungsstand anzeigen werden.

 

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