Radfahren gegen die Uhr ist eine sehr bewährte Methode, um die Radsport-Fitness zu testen. Aber egal, ob es um Straßenfahrer mit einem Prolog Zeitfahrer während eines mehrtägigen Rennens, Triathleten bei der Radfahrdisziplin oder um Fahrer geht, die einfach „nur“ einen Test absolvieren wollen: An einer guten Trainingssteuerung und dem richtigen Peaking kommen Sie nicht vorbei, wenn sie beim Zeitfahren eine bessere Leistung erzielen wollen.
Es gibt absolut kein Programm, das allen Athleten Erfolg garantiert. Was das Training von Ausdauersportlern anbelangt, herrscht allgemein der Konsens, dass mindestens 60–80 % der wöchentlichen Trainingszeit auf aerobes Training entfallen sollte und die hochintensiven Trainingseinheiten je nach Zeitplan während der Wettkampfsaison variieren sollten. Ein Intervalltraining kann die Leistung, Energieeffizienz und Laktattoleranz um 20–30 % des Trainingsvolumens steigern. Vor Beginn des Trainings muss der Fahrer jedoch einen Test machen.
So messen Sie Ihre Leistung
Sie können entweder an einer freiwilligen Studie einer Universität teilnehmen oder sich in einem Testinstitut testen lassen, was dann allerdings kostenpflichtig ist. Die günstigste und effizienteste Methode ist jedoch der Selbsttest zuhause auf einem Heimtrainer mit elektronischen Leistungsmessgeräten oder auf einem Fahrradergometer, z. B. Cateye CS1000 oder Tacx Flow (s. Daten in Abb. 1).
Wichtig ist jedoch, dass Sie wissen, wozu die Messdaten, die Sie bei solchen Tests erhalten, überhaupt gut sind. Ich habe leider häufig erlebt, dass Sportler stapelweise Messdaten hatten, aber nichts damit anzufangen wussten. Die wichtigsten Daten für ein konstruktives Trainingsprogramm sind folgende:
Maximalleistung: Das ist die Leistung, die während eines allmählich ansteigenden Rampentests, bei dem der Fahrer die Belastung langsam stufenweise steigert, maximal aufrechterhalten werden kann. Diese Art von Test findet im Rahmen des Monitorings von Radprofis statt und soll sicherstellen, dass Trainingsbelastung, Erholungsphase und körperliche Verfassung vor dem Rennen so sind, wie sie sein sollten. TMobile- Coach Lothar Henrich hat offiziell verlauten lassen, dass seine Fahrer regelmäßig Rampentests machen, um ihre Fitness zu prüfen.(1) Der Test startet bei 100 Watt, und alle 3 Minuten erfolgt eine Steigerung um 20 Watt bis zur Ermüdung (Ausbelastung). Bei Spitzensportlern erfolgen Steigerungen bis auf 400–550 Watt. Es wurden Messdaten von 6 T-Mobile- Fahrern vorgelegt. Diese wurden während des Regio-Tour International Rennens ermittelt und ergaben eine Spitzenleistung vor dem Rennen von rund 390 Watt.(2)
Die letzte komplett bewältigte Belastungseinheit während des Tests gilt generell als die maximale aerobe Kapazität (maximal aerobic power – MAP). In Fällen, in denen das Pensum bis zur Auslastung nur teilweise absolviert wurde (genannt TEIL – z.B. 25 Sekunden), wird dem Fahrer der entsprechende Teil der 20-Watt- Steigerung angerechnet. Ein Fahrer, der beispielsweise die 380- Watt-Stufe beendet hat, aber nur 25 Sekunden der 400-Watt-Stufe schafft, kann die Maximalleistung anhand der folgenden Formel ermitteln:
Maximale aerobe Kapazität = letzte komplett absolvierte Belastung + (TEIL-Sekunden/180) x 20 Watt
Im obigen Beispiel wären dies 380 Watt + [25/180 x 20 Watt] = 380 + 2,8 Watt = 382,8 Watt MAP.
Alles, was Sie für diesen MAP-Test benötigen, sind ein Leistungsmessgerät, eine Stoppuhr und körperlicher Einsatz. Da Heimtrainer und Geräte zur mobilen Kraftmessung am Fahrrad (z. B. Polar Power Sensor, Cycleops, Ergomo etc.) immer preisgünstiger und somit erschwinglich werden, ist die Messung der Leistungsdaten heute kein Problem mehr. Geräte zur Laktatanalyse, komplizierte grafische Berechnungen oder Sauerstoffanalysen sind nicht erforderlich.
Maximale Herzfrequenz: Für die Leistungsmessung beim Radsport ist die Herzfrequenz zwar weniger wichtig, doch sie übt auf viele Athleten quer durch alle Disziplinen eine große Anziehungskraft aus. Das Erreichen der maximalen Herzfrequenz, d. h. die Kraftanstrengung, erfordert hohe Motivation, ausgeruhte Muskeln und ein Herzfrequenz-Messgerät zur Aufzeichnung der Daten. Das kann aber auch eine Person übernehmen, die daneben steht und die Daten überwacht.
Bei einer ähnlichen Steigerung wie beim Rampentest, d.h. alle 3 Minuten um 20 Watt oder sogar alle 30 Sekunden um 15 Watt, versucht der Fahrer, bis zum Punkt der völligen Auslastung zu gehen (siehe Abb. 2).
Wie bei der Maximalleistung kann es auch hier sein, dass ein motivierter Fahrer im Laufe mehrerer Tests „lernt“, immer etwas mehr aus sich herauszuholen. Die Testergebnisse dürfen jedoch nicht als ultimative Zahlen verstanden werden, denn mit der Zeit ändert sich die Fitness. Sie müssen daher die Tests erneut durchführen, um sicherzugehen, dass Sie immer die neuesten Messdaten vorliegen haben und nicht etwa auf der Basis uralter Herzfrequenzdaten trainieren.
Körpermasse und Fett: Einerseits ist es eine ganz einfache Sache, denn Sie brauchen nur eine Waage und müssen einige Einstellungen vornehmen. Doch die Körpermasse ist ein sehr wichtiger Faktor. Bei den meisten Zeitrennen weisen die Strecken zwar nur relativ wenig Gefälleunterschiede auf, doch je mehr Körpermasse vorhanden ist, desto mehr Arbeit ist erforderlich, um die Schwerkraft zu überwinden, und desto mehr Luftverdrängung ist notwendig, um vorwärtszukommen. Für Straßenfahrer oder sportive Radfahrer sind Berganstiege das tägliche Brot und das Leistungsgewicht das A und O. Elitefahrer streben bei längeren Anstiegen eine Leistung von 6 Watt pro Kilo an.
Viele der im Internet oder in Kaufhäusern erhältlichen Personenwaagen messen den prozentualen Körperfettanteil mithilfe der Bioimpedanzanalyse. Doch sie sind teilweise nicht sehr genau oder zuverlässig, insbesondere wenn der Sportler dehydriert ist. Unter normalen Testbedingungen reichen sie jedoch für einen einfachen Selbsttest. Sie zeigen allerdings keine minimalen Messwertunterschiede an, sondern nur größere Abweichungen.
Die Daten des 7-maligen Tour-de-France-Gewinners Lance Armstrong (siehe Abb. 3) zeigen, dass durch Reife, Training und harte Arbeit selbst bei Topmesswerten noch eine Steigerung möglich ist.(4) Kurz zusammengefasst, haben Tests folgenden Sinn und Zweck:
– Sie sollen dem Sportler (und/oder Coach) zeigen, wo die Stärken liegen
– Sie sollen Schwächen aufdecken und Verbesserungsmöglichkeiten aufzeigen.
So nutzen Sie Ihre Messdaten
Mithilfe Ihrer Testdaten können Sie in etwa die Trainingszonen bestimmen. Hier sind einige Beispiele:
MAP | HRmax | Beispiel | |
Erholung | <50 % | <60 % | 1 Std. ebene Strecke |
Ausdauer | 50 – 65 % | 60 – 75 % | 2 Std. hügeliges Gelände |
Geschwindigkeit | 70 – 75 % | 80 – 85 % | 2 Std. inkl. 3 x 20 Min. |
Geschwindigkeitsbereich | |||
Intervalle(3) | 80 – 85 % | 85 – 90 % | 8 x 5 Min. Erholung bis zu 65 % HFmax |
Sprints(1) | 100 – 150 % | 80 – 95 %* | 1 Std. mit 10 x 8 Sek. alle 2 Minuten |
*Bei sehr kurzen 8 Sekunden-Belastungen liegt die HF evtl. nur bei 80 % der HFmax, bei 30 – 60 Sekunden Belastungen kann sie dagegen fast bis zum Maximalwert steigen.
Wenn der Körperfettanteil über den optimalen Werten liegt, muss die Kalorienzufuhr leicht reduziert (~200kcal/Tag) und das Trainingsvolumen vergrößert werden. Lance Armstrongs Gewicht zeigte Schwankungen; wie die meisten Radsportler war er im Winter schwerer (um gesund zu bleiben) und erreichte sein optimales (niedriges) Renngewicht immer dann, wenn es darauf ankam. Die Daten des Amateur-Zeitfahrers Gary Holmes zeigen, welch enorme Auswirkung die Reduzierung des Körperfetts auf seine Konstitution und persönliche Bestzeit hatte (Abb. 4). Solche deutlichen Erfolge gelingen natürlich nicht immer, aber bei Problemen wie Übergewicht, mangelnder Fitness oder schlechter aerodynamischer Ausstattung können solche Tests dem Sportler klar anzeigen, wie er schneller werden kann.
Wie bereits gesagt, ist es wichtig, Ausdauer aufzubauen und einen geraumen Teil der wöchentlichen und jährlichen Trainingszeit für das Ausdauer-Radfahren einzuplanen. Zudem wird der Körper hierdurch trainiert, Fett in Energie für das Radfahren umzusetzen. Die Erholung von einem solchen Training erfolgt schnell und sorgt für die erforderliche aerobe Ausdauer-Leistungsfähigkeit, um den Unerbittlichkeiten von hochintensivem Intervalltraining und Rennen gewachsen zu sein. Eine solide aerobe Ausdauerleistung und ein schlanker Körper sind die Grundvoraussetzung; erst dann können Sie mit dem Intervalltraining und Rennen beginnen.
Kontinuierliche Überwachung ist wichtig
Wenn Sie sich beim Training immer nur auf die Anfangsdaten stützen, ist das ungefähr so, als wollten Sie einen Seekompass einstellen, ohne Ihre aktuelle Position zu kennen. Die Kombination aus Rampentest ohne maximale Auslastung, Gewichts-/Fettanalyse und Überwachung der allgemeinen Kraft beim Fahren bietet einen guten Überblick über Ihre körperlichen Reaktionen.
Sinkt die Herzfrequenz bei einer vorgegebenen Ergometerleistung, heißt das, dass Ihre Beine fitter werden. Zeigt die Waage ein niedrigeres Gewicht an und sinkt auch der Körperfettanteil, heißt das, Sie sind schlanker geworden und können eine höhere Leistung pro Kilogramm Körpermasse erzielen. Ein 2:1- oder ein 3:1-Verhältnis von Belastungswochen zu Erholungswochen sollte ein angemessenes Überlastungstraining mit ausreichender Erholung ermöglichen. Das würde beispielsweise bedeuten, dass auf Wochen mit 10, 12 und 14 Trainingsstunden eine 6- Stunden-Woche folgt.
Eine Alternative hierzu (siehe Abb. 5) ist der Rundkurstest (looped test). Hierbei fährt der Fahrer auf der Straße eine Strecke mit nur wenigen Unterbrechungen bei rund 75–85 % der HF-max. oder 70– 75 % MAP. Obgleich veränderliche Winde die Auswertung der Messdaten erschweren können, kann man – bei gleichen Testbedingungen und gleichem Timing – jedoch deutlich feststellen, dass bei der „Geschwindigkeit auf der Straße“ der gleiche Kraftaufwand entwickelt wird und eine gute Wettkampfvorbereitung erfolgt.
Wenn Sie sich die Zeit nehmen und feststellen, wo die eigenen Schwachpunkte liegen, können Sie Training, Ernährungsplan oder das Equipment so anpassen, dass optimale Ergebnisse erreicht werden. Es muss jedoch eine Überprüfung Ihrer aeroben Leistungsfähigkeit (Geschwindigkeitstest auf der Rampe oder auf der Straße) erfolgen, um zu sehen, ob Sie untertrainieren oder (was wahrscheinlicher ist) übertrainieren.
Letztendlich kommt es nicht darauf an, wer am meisten trainiert, sondern darauf, wer am schnellsten fährt bzw. wer die größten Fortschritte macht. Wir können zwar nicht alle gewinnen, aber wir können uns zumindest darüber freuen, dass wir schneller sind als je zuvor. Sie müssen allerdings keine 30 Stunden pro Woche trainieren oder Ihr Leben ganz auf den Sport ausrichten; Pflicht ist jedoch, dass Sie in Tests und letztlich auch in Rennen Ihre Messwerte ermitteln. Wenn Sie zu wenige Rennen fahren, rosten Sie ein und werden ein „hypothetischer Sportler“. Ohne Leistungsdaten und gefahrene Rennen werden Sie Ihren Leistungsstand nie genau kennen und nie wissen, ob Sie es schaffen, Ihre eigenen Limits noch zu verbessern. Wenn Sie trainieren, um an Rennen teilzunehmen, dann müssen Sie auch wirklich Rennen fahren, damit Sie sehen, was das Training Ihnen gebracht hat.
So erreichen Sie mit dem richtigen Tapering Bestzeiten
Auch wenn es im Training noch so gut läuft, ohne richtiges Tapern werden Sie keine persönliche Bestzeit erzielen. Ohne ausreichendes Tapering kann es passieren, dass Sie zu müde sind, um Ihr Bestes zu geben, oder dass Sie kurz vor dem Rennen krank werden. Wenn Sie zu stark zurückschrauben und es zu ruhig angehen lassen, werden Sie nicht in der Lage sein, bis an die Grenzen Ihrer persönlichen Belastbarkeit zu gehen. Daher müssen Sie die Woche vor dem Wettkampf sorgfältig und Tag für Tag planen, jedoch flexibel bleiben, wenn Veränderungen eintreten oder Trainingseinheiten, z. B. aus Zeitgründen, geändert werden müssen. Arbeiten Sie an Ihrer Leistung, Herzfrequenz oder Ihrem Befinden, am Ego jedoch nicht.
Die Untersuchung von Neary und seinen Kollegen zeigt, was perfektes Tapern(5) ist. Deren Studie bestand aus einem 7-wöchigen intensiven Trainingsprogramm, bei dem die Fahrer eine Woche vor dem Ende in folgende 3 Gruppen aufgeteilt wurden:
1. Kontrollgruppe – 4 Tage mit je 1 Std. bei 85–90 % HF-max. (wie beim vorherigen Training)
2. Intensivgruppe – 4 Tage bei 85–90 % HF-max. über 45, 35, 25, 20 Minuten
3. Dauergruppe – 4 Tage mit je 1 Std. bei 85, 75, 65 und 55 % HF-max.
Jede Gruppe absolvierte vor und nach dem Tapern ein 40-Kilometer-Zeitfahren. Nach dem Tapern konnte sich die Gruppe mit verkürzter Fahrzeit bei gleich bleibender Belastungsintensität (Gruppe 2) um 2 Minuten und 50 Sekunden verbessern, während die Gruppen 1 und 3 innerhalb der letzten Woche nicht schneller wurden. Die maximale Sauerstoffaufnahme (VO2max ) der Gruppe mit gleich bleibender Belastungsintensität bei reduzierter Fahrzeit (Gruppe 2) verbesserte sich ebenfalls um 2,5 %, während bei den Gruppen 1 und 3 erneut keine deutliche Steigerung zu sehen war. Interessanterweise konnten Gruppe 2 wie auch Gruppe 3 ihre Leistungsfähigkeit am gemessenen Grenzwert verbessern (Gruppe 2 um 12 % bzw. 28 Watt und Gruppe 3 um 8 % bzw. 18 Watt).
Um die beobachtete Steigerung von Leistung, Geschwindigkeit und VO2max besser deuten zu können, betrachteten die Autoren die Muskelstruktur und Enzymaktivität der Fahrer genauer. Hierbei fiel auf, dass nur bei der Intensitätsgruppe (2) nach dem Tapern deutlich mehr Typ II Muskelfasern vorhanden waren als vorher. Die Daten zeigten, dass sich die Kraft der Muskelfasern, die Spitzenleistung und Bewegungsgeschwindigkeit bei den IIA Fasern nach dem Tapering verbessert hatten. Auch die Aktivität von 4 an der Energieproduktion beteiligten Enzyme war nach dem Tapering bei der Intensitätsgruppe deutlich erhöht. Bei der Dauergruppe traten zwar auch Veränderungen auf, allerdings waren diese weniger gravierend. Die Autoren kamen daher zu folgender Schlussfolgerung in Bezug auf das Tapering: „Es ist wichtig, eine hohe Trainingsintensität beizubehalten (85– 90 % HF-max) und gleichzeitig die Trainingszeit systematisch zu reduzieren (um mindestens 50 %).“
Wir hoffen, wir konnten deutlich machen, dass die Daten und Informationen aus entsprechenden Leistungsmessungen Ihnen helfen, die Ziellinie schneller zu erreichen als jemals zuvor. Aber überstürzen sich nichts; es dauert Monate, das Fundament hierfür zu schaffen und zu verfeinern.
Weiterführende Artikel:
Herzfrequenzvariabilität und kardiovaskuläre Ermüdung
Wettkampftraining für Schwimmer
Joe Beer ist Trainer, Multisport-Athlet und 5-maliger Ironman-Teilnehmer. Er arbeitet eng mit führenden Industrieunternehmen zusammen.
Quellenangaben
1. Heinrich, L. (2005) Pro Cycling Magazine
2. Med. Sci. Sports. Exerc. 2006; 38(1): 147-151
3. Med. Sci. Sports. Exerc. 2002; 34(11): 1801-1807
4. J. Appl. Physiol. 2005; 98:2191-2196
5. Med. Sci. Sports. Exerc. 2003; 35(11): 1875-1881.